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Kindesmisshandlung Kindesmisshandlung im Burgendlandkreis: Anonyme Anzeigen gestiegen

Von Christiane Rasch 07.03.2017, 07:00
Bei Gewalt gegen Kindern muss das Jugendamt ein­schrei­ten.
Bei Gewalt gegen Kindern muss das Jugendamt ein­schrei­ten. Symbolbild/Archiv/Imago

ZeiTz - Mit Besorgnis registriert eine Erzieherin Veränderungen im Verhalten eines Schützlings, Nachbarn hören alarmierende Schreie aus der Wohnung nebenan, oder werden Zeuge, wie ein Kind geschlagen wird - die Anzeichen, die auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung hindeuten, sind vielfältig.

Und die Zahl der Anzeigen, die beim Jugendamt eingeht, steigt seit Jahren. Rund 400 Gefährdungsmeldungen - also Fälle, in denen Behörden über eine mögliche Kindeswohlgefährdung  informiert wurden, gab es 2016 im Burgenlandkreis. Das ist eine Steigerung von knapp 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In diesem gingen beim Jugendamt laut Statistik 290 Meldungen ein. 2014 waren es noch 269 Anzeigen.

Eine Kindeswohlgefährdung liegt nach Paragraph 1666 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches vor, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet sind. Eine Gefährdung kann gegeben sein durch die missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder auch durch das Verhalten eines Dritten.

Die Trennung des Kindes von den Eltern ist dabei das letzte Mittel und laut Gesetz nur zulässig, wenn andere Maßnahmen - etwa durch öffentliche Hilfen - erfolglos geblieben sind. (cra)

Tragischer Kindstod in Leipzig rüttelt wach

Für die mit jedem Jahr steigende Zahl von Gefährdungsmeldungen gibt es mehrere Gründe, wie Patrick Salitzki, Leiter des Fachgebiets allgemeine soziale Dienste des Burgenlandkreises, erklärt.

„Es gehen immer mehr anonyme Anzeigen ein, seitdem der Fall in Leipzig in Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist“, so Salitzki. Im Leipziger Stadtteil Gohlis war 2012 ein zweijähriger Junge neben seiner toten, drogenabhängigen Mutter verdurstet. Diese war Tage zuvor an einem Mix aus Kokain und Heroin umgekommen. Der tragische Fall sorgte für Entsetzen - auch weil das Jugendamt und andere Behörden um das Drogenproblem der Mutter wussten. Laut Salitzki habe dieser Fall die Bevölkerung für das Thema Kindeswohlgefährdung sensibilisiert. „Die Hemmschwelle, etwas mitzuteilen, ist gesunken“, so der Fachbereichsleiter.

Mehr junge Mütter sind Crystal Meth-abhängig.

Hinzu kommt nach Aussage des Jugendamtes, dass im Burgenlandkreis immer mehr junge Mütter mit sehr kleinen Kindern die synthetische Droge Crystal Meth konsumieren. „Die Droge ist eine absolute Katastrophe und ein zunehmendes Problem im Burgenlandkreis und in Zeitz“, sagt Salitzki. Die steigende Zahl von Anzeigen sei die Auswirkung, die das Jugendamt nun zu spüren bekomme.

Das Jugendamt verweist zudem auf sogenannte Multiproblemfamilien und eine zunehmende Elterngeneration mit unzureichenden erzieherischen Kompetenzen. Einen Anstieg von Meldungen gebe es außerdem bei Trennungs- und Scheidungsfällen. Nicht selten stelle sich dann bei der Prüfung durch Sozialarbeiter heraus, dass gar keine Gefährdung des Kindes vorliegt, so Salitzki. „Häufig entsteht sowas aus Streitigkeiten, indem ein Partner versucht, dem anderen an den Karren zu fahren.“

Nicht jede Meldung entpuppt sich als tatsächliche Kindeswohlgefährdung.

Salitzki betont in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den rund 400 Gefährdungsmeldungen, die im vergangenen Jahr beim Jugendamt des Kreises eingegangen sind, erst einmal nur um Meldungen handelt. In wie vielen Fällen davon tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung vorlag, könne er nicht sagen, da die Statistiken noch nicht vollständig ausgewertet worden seien. Es sei jedoch davon auszugehen, dass es auch hier eine Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren gegeben habe, so Salitzki.

Fälle von Kindswohlgefährdung im Burgenlandkreis

Im Jahr 2015 lag im Burgenlandkreis in 75 Fällen eine eindeutige, akute Kindeswohlgefährdung vor. Das heißt, das Jugendamt reagiert und handelt sofort, nachdem eine Meldung eingegangen ist, etwa weil ein Kind verprügelt wurde. Ein Jahr zuvor waren es 68 Fälle.

Daneben gab es 2014 insgesamt 26 Fälle von latenter Kindeswohlgefährdungen. Hierbei kann trotz Prüfung durch einen Sozialarbeiter nicht eindeutig geklärt werden, ob sich das Kind tatsächlich in Gefahr befindet, der Verdacht bleibt jedoch bestehen. Im Jahr 2015 wurden im Burgenlandkreis 63 solcher Fälle durch das Jugendamt erfasst. (mz)