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Fitzek-Prozess in Halle Fitzek-Prozess in Halle: Ein König mit narzisstischer Störung

Von Steffen Könau 02.03.2017, 19:00
Peter Fitzek arbeitete mit dem psychiatrischen Gutachter nicht zusammen.
Peter Fitzek arbeitete mit dem psychiatrischen Gutachter nicht zusammen. Steffen Könau

Halle (Saale) - Die erste Begegnung in der Justizvollzugsanstalt war kurz, aber für Bernd Langer unvergesslich. „Ich wartete, dann kam Herr Fitzek in den Raum – und bot mir einen Platz an“, erinnert sich der Rechtspsychiater. Anschließend habe er dem selbst ernannten Staatschef des „Königreiches Deutschland“ erläutert, dass er mit ihm sprechen wolle, um ein Gutachten über dessen Geisteszustand zu erstellen. „Die Mitarbeit daran hat er abgelehnt.“

Für einen Experten aber war schon der kurze Moment vielsagend, in dem der Untersuchungsgefangene mit einer vermeintlich höfliche Geste versuchte, die Rollen im Spiel zu vertauschen. „Er zeigt ein hochgradig manipulatives Verhalten in der Interaktion“, schreibt Langer in seiner Expertise. Die entstand mangels Gesprächsmöglichkeit mit Fitzek durch monatelange Beobachtung im Prozess, der sich inzwischen seinem Ende nähert. Fünf Monate saß Bernd Langer stets gegenüber der Anklagebank, mit bestem Blick auf den Angeklagten, der sich wegen Untreue verantworten muss.

Der Verbleib von Anlegergeld in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro, die Fitzek mit Hilfe einer sogenannten Kooperationskasse von bereitwillig zahlenden Gefolgsleuten eingesammelt hatte, ist unklar. Es gibt keine ordnungsgemäße Buchführung über das Geld, das Fitzek meist bar von der Bank holte und dann nach eigenem Gutdünken in verschiedene Projekte steckte.

Ein Handeln, das nach Dafürhalten des Experten für forensische Psychiatrie genau zum Persönlichkeitsbild des 51-jährigen gelernten Kochs passt. Fitzek, ehemals Videothekar, Betreiber eines Jeansladens, Kampfsportlehrer und Esoterikhändler, habe weder eine wahnhafte Erkrankung noch leide er an einer bipolaren Störung, sagt Langer, der neben der persönlichen Beobachtung über 20 Prozesstage hinweg auch Internetvideos, Briefverkehr und Gerichtsakten ausgewertet hat.

„Er ist zwar von der Ernsthaftigkeit seines Staates überzeugt und argumentiert manchmal auch mit seinen Kontakten zu ,Wesen anderer Daseinsebenen'“, analysiert er. Aber selbst solche „sonderlinghaften Ideen können nicht als Wahn interpretiert werden“. Dazu fehle es an Anzeichen dafür, dass beim Angeklagten Störungen des Denkens oder der Wahrnehmung vorliegen“, die ihn schuldunfähig machten. „Er verhält sich komplett realitätsbezogen.“

Peter Fitzek hört es keine drei Meter gegenüber mit einem milden Lächeln. Der einmal mehr von einer treuen Fangemeinde begleitete Staatsmann von eigenen Gnaden schaut nur einmal säuerlich, als Langer ihm „durchschnittliche Intelligenz“ attestiert. Nickt aber, als der sagt, Fitzeks Ideen hätten sich „aus profunder Unzufriedenheit mit dem bestehenden System heraus entwickelt“. Dann habe er versucht, „über die bloße Ablehnung des Bestehenden hinaus Alternativen zu entwickeln“.

Dass er unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leide, wie ihm Bernd Langer schließlich attestiert, wird der König am Nachmittag wie gewohnt weitschweifig zu widerlegen versuchen. Allein: Der Mensch, den der Gutachter porträtiert, ähnelt dem Angeklagten eben zu sehr, als dass das gelingen könnte. Fitzek sei ein Mann, der weitschweifig denke und sich gespreizt ausdrücke, dabei auf andere herabschaue und sich selbst auf vielen Gebieten einzigartige Fähigkeiten zubillige. Ein Ich-Mensch, der sich nicht als Erlöser sehe, aber eben auch keine Selbstzweifel kenne. „Er hat sich nach wenig erfolgreichen anderen beruflichen Versuchen eine Welt nach seinem Vorstellungen geschaffen.“

Sein zweifellos vorhandenes Charisma und eine große suggestive Kraft nutze Peter Fitzek aus, um Anhänger an sich zu binden. So habe er sich im „Königreich“ unumschränkte Macht gesichert, auch, weil sein Führungsanspruch von seinen Gefolgsleuten gebilligt werde. „Die Führungsrolle wird ihm zugesprochen und er nimmt sie gern an“, verweist der Gutachter auf das pompöse Ritual, mit dem sich Fitzek bei der Gründung des Zwergenreiches mit Hermelinmantel, Reichsapfel und Krone hatte zum „obersten Souverän“ ausrufen lassen.

Für den Mann, der diesen Fantasietitel bis heute trägt, eine Notwendigkeit, der er wider Willen habe folgen müssen. „Ich war nicht erfreut, das zu tun“, versucht Peter Fitzek später eine Einordnung der opernhaften Szenen zu geben, die das Gericht am Vormittag per Video zur Kenntnis genommen hatte. Er bemühe sich vielmehr stets um Bescheidenheit. „Ich habe überhaupt kein Interesse an einem Guru-Verhältnis“, beteuert er, und wie immer, wenn er aufgeregt ist, wird das „G“ in seinem Mund zu einem „J“ abgeschliffen, das Fitzeks Herkunft aus Halle belegt.
Unverkennbar ist für den Experten jedoch Fitzeks Tendenz zur Einnahme selbstüberhöhender Rollen und eine Missachtung von gesellschaftlichen Normen, mit der er sich „oberhalb gesetzlicher Regeln“ stelle. Fitzek verfüge über eine Vielzahl an Manipulationsstrategien, die er ausgezeichnet beherrsche, die von ihm gewählte Ernennung zum Herrscher des von ihm selbst gegründeten Königreiches auf einem ehemaligen Krankenhausgelände in Wittenberg auf großer Bühne „entspricht seiner Persönlichkeit“.

Zudem habe er in einer E-Mail an einen abtrünnigen Anhänger eine „eigentümliche Nähe zu rechtsextremistischen Ideen“ und Anspielungen gefunden, die sich als Antisemitismus deuten ließen, so Langer, der in den Grundsatzdokumenten des Königreiches allerdings auch Hinweise auf Anleihen beim Kommunismus und bei grünen Ideen von Nachhaltigkeit und Autarkie entdeckt hat.
Fitzek habe im Prozess immerhin eine „eindrucksvolle Entwicklung“ genommen, die ihn von der Verleugnung, überhaupt Peter Fitzek und nicht ein völkerrechtlich immunes Oberhaupt eines anderen Staates zu sein, hingeführt habe zur Erkenntnis, dass er sich dem Verfahren stellen müsse. Fitzek sei in der Lage, Recht von Unrecht zu unterscheiden, es fehle ihm auch nicht an Einsichtsfähigkeit, sondern   an Einsicht, weil er annehme, dass die gesellschaftlichen Regeln für ihn nicht gelten dürften.

Das Urteil im Verfahren soll nach den Schlussplädoyers in der kommenden Woche danach voraussichtlich am 15. März fallen. (mz)