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Frisch verliebt Mordprozess Yangjie Li: Angeklagte Dessauerin ist frisch verliebt

Von Ralf Böhme 02.03.2017, 08:00
Xenia I. am Dienstag vor Gericht
Xenia I. am Dienstag vor Gericht Lutz Sebastian

Dessau-Roßlau - Frische rote Tönung im Haar, ein schmucker Pulli, die neue Uhr ein Hingucker. Sie blüht wieder auf. Xenia I. ist nicht mehr das Häufchen Elend auf der Anklagebank. Das Landgericht in Dessau-Roßlau verhandelt gegen die 21-Jährige wegen gemeinschaftlichen Mordes an der chinesischen Studentin Yangjie Li. Dennoch wirkt die dringend Tatverdächtige, sobald die Kameras weg sind, längst nicht mehr so niedergedrückt wie noch vor Monaten. Der Grund: Die Frau, die an einem grausamen Sexualmord beteiligt gewesen sein soll, ist frisch verliebt.

Seit einigen Tagen rätselt das Publikum im Gerichtssaal über die wundersame Wandlung der Xenia I. Wagt die Frau zu Prozessbeginn im November kaum den Blick zu heben, sucht sie jetzt sogar das Gespräch mit Justizbeamten, die sie bewachen. Auch die Scheu im Umgang mit den beiden Anwälten, die als Pflichtverteidiger ihre Interessen vertreten, ist offenbar geschwunden. Da wird augenscheinlich doch mal gescherzt und verschmitzt gelächelt. Mitunter beantwortet Xenia I. in der Verhandlung sogar Fragen der erfahrenen Richterin Uda Schmidt, die für ihr psychologisches Einfühlungsvermögen bekannt ist. Mit einer ehemalige Zellengenossin, die als Zeugin geladen ist, riskiert die Angeklagte im Gerichtssaal einen kurzen Plausch.

Mordprozess Yangjie Li: Angeklagte Xenia I. frisch verliebt - Trennung von Sebastian F. im Gefängnis

Aus dem Munde der Zeugin erfahren die Zuhörer viele Details, die zwar Bruchstücke sind, aber durchaus als authentische Einblicke in das neue Leben einer mutmaßlichen Mörderin verstanden werden können. Da ist beispielsweise vom alltäglichen Zwitschern im Knast die Rede. So heißt es im Jargon, wenn Häftlinge an geöffneten Zellenfenstern sitzen und durch die Gitterstäbe hindurch mit anderen Gefangenen reden. Auf diese Weise soll Xenia I., berichtet die Zeugin, auch ihren neuen Freund kennen und lieben gelernt haben. Ihr zufolge ist der Mann aber inzwischen nicht mehr in der Haftanstalt „Roter Ochse“ in Halle.

Die ersten Tage im Gefängnis seien für Xenia I. die Hölle gewesen. Mitgefangene hätten sie verprügelt, angespuckt und beschimpft. Erst mit der Zeit habe sie gelernt, sich zu wehren. Inzwischen, so die Zeugin weiter, habe sie ihren Platz gefunden. Nach sieben Monaten in Zellengemeinschaft könne sie sagen, dass eine feste Freundschaft zwischen Frauen entstanden sei. „Wir sind wie Zwillingsschwestern.“

Ihren Wandel belegen nicht zuletzt Briefe von Xenia I., die in der Postkontrolle der Justizvollzugsanstalt abgefangen worden sind. Demnach will sie mit ihrem Lebensgefährten Sebastian F., dem mit ihr der Prozess gemacht wird, nichts mehr zu tun haben. „Ich habe jemanden gefunden, der tausendmal besser zu mir passt.“ Das besagen Zeilen, die sie vor Weihnachten geschrieben haben soll.

Allerdings gibt es mindestens noch einen anderen Brief, der dann die Zwiespältigkeit der Angeklagten deutlich macht. Da lobt Xenia I., Mutter von drei Kindern, Sebastian F. über den grünen Klee. Er sei ein sehr guter Vater, ein toller Feuerwehrmann und auch ein prima Liebhaber, so ihre Botschaft damals.

Letzteres steht im krassen Gegensatz zu fast allem, was sie in etlichen Vernehmungen und bislang vor Gericht selbst gesagt hat. Danach muss ihr früherer Lebensgefährte eher ein Mensch sein, der gern Macht ausübt und dabei vor allem auf sexuelle Gewalt fixiert ist. Wie es dem Paar gelungen sein soll, das über Jahre im Wortsinn unter der Decke zu halten, ist unklar. Dennoch klagt sie in Untersuchungshaft über schwerste Rückenprobleme, muss deshalb in ärztliche Obhut. Ursache sollen Schläge und Misshandlungen durch Sebastian F. sein, so die Zellengenossin. (mz)

Xenia I. vor Gericht.
Xenia I. vor Gericht.
dpa