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Schläge und Folter Zeitz: Wie sich eine junge Mutter sich und ihr Kind vor gewalttätigem Freund rettete

Von Christiane Rasch 28.02.2017, 12:00
Der Alltag von Anna H. war von häuslicher Gewalt geprägt. Sie hofft, die traumatischen Erlebnisse in einer Therapie verarbeiten zu können.
Der Alltag von Anna H. war von häuslicher Gewalt geprägt. Sie hofft, die traumatischen Erlebnisse in einer Therapie verarbeiten zu können. Hartmut Krimmer

Zeitz - Ganze Tage verbrachte Anna H. am Boden. Sitzend oder liegend, weil der Zeitzerin die Kraft zum Aufstehen fehlte und die Angst sie förmlich lähmte. Es war die Angst vor ihrem eigenen Freund.

Freund drogensüchtig: Zeitzerin durchlitt Schläge und Folter

Acht Jahre waren beide ein Paar, lebten mit ihrem gemeinsamen Sohn in Weißenfels. Doch nach einigen Jahren veränderte sich ihr Partner. Drogen nahmen einen immer größeren Raum in dessen Leben ein. „Er war nachts immer weg“, sagt die heute 29-jährige Anna H. Sie habe nicht gewusst, wo er sich aufhielt, während sie zu Hause wartete.

Schlimmer aber war, dass sich durch den Drogenkonsum auch das Wesen ihres Freundes veränderte. Auf Anna H. reagierte er gereizt, aggressiv, wurde bald auch handgreiflich. Schläge und Folter, wie die zierliche Frau schildert, gehörten irgendwann zum Alltag. Immer wieder gerieten beide aneinander. „Er hat mich gehasst, weil ich nicht nach seiner Pfeife getanzt habe.“

Freund von Anna H. aus Zeitz traf mit Bierflasche ihren kleinen Sohn

Eines Tages kam es zum Streit. Eine Situation, die sich so ähnlich schon unzählige Male zugetragen hatte. Doch dieses Mal eskalierte es. Im Wortgefecht warf ihr Partner eine Bierflasche nach Anna H.. Die Flasche verfehlte sie und traf stattdessen den kleinen Sohn des Paares. Für die junge Frau war es der Auslöser: Sie musste weg. Denn nicht nur ihr Wohl stand auf dem Spiel.

Mit Hilfe der Polizei flüchtete sie ins Weißenfelser Frauenhaus. Doch ihr Partner fand den Aufenthaltsort heraus. Mutter und Sohn wurde deshalb geraten, die Stadt zu verlassen. Zuflucht fanden beide in der Frauen- und Kinderschutzwohnung in Zeitz.

Schicksale in Frauenhäusern: Frauen wissen nicht, wo sie krankenversichert sind, weil der Mann alle Karten einbehält.

Für Janina Bergk, Leiterin des Frauenhauses, sind solche Fälle keine Seltenheit. Allein im vergangenen Jahr kamen 16 Frauen und 17 Kinder in der Einrichtung des Trägers AmbuLife gGmbH unter. „Häufig handelt es sich um Multiproblematiken“, so Bergk. Dabei leiden Frauen und Kinder unter mehreren Formen der Gewalt. „Zur physischen und psychischen kommt häufig noch die soziale Gewalt hinzu“, erklärt sie.

„Das sind Frauen, die nicht wissen, wo sie krankenversichert sind, weil der Mann alle Karten einbehält. Auch der Mietvertrag und alle behördlichen Dinge werden von der Frau abgeschirmt.“ Viele hätten nicht einmal Zugang zu ihrem Bankkonto. Das Ziel: Isolation und die völlige Abhängigkeit vom Partner.

Partner blockierte Kündigung des gemeinsamen Mietvertrags

Das war auch bei Anna H. der Fall. Nachdem sie einige Monate im Frauenhaus lebte, wollte die 29-Jährige wieder auf eigenen Beinen stehen, für sich und ihr Kind eine Wohnung anmieten. Ihr Partner durchkreuzte das Vorhaben, indem er die Kündigung des gemeinsamen Mietvertrags blockierte. Die Wende kam erst durch einen tragischen Schicksalsschlag im vergangenen Jahr: Anna H.s Partner verstarb.

Seitdem versucht sie, sich Schritt für Schritt ein selbstbestimmtes Leben zurück zu erkämpfen. Um die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, will sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. „Ich weiß, dass ich und wahrscheinlich auch mein Kind eine Therapie brauchen“, so Anna H..

Traumatisierungen brechen immer wieder auf

Beim Warten auf einen Therapieplatz wird sie von Janina Bergk und ihren Kolleginnen unterstützt, die sie noch immer zu ambulanten Beratungen im Frauenhaus trifft. „Traumatisierungen können kurz bewältigt werden, brechen aber irgendwann wieder auf“, so Bergk. Sie erklärt, dass es in der Regel neun Jahre dauere, bis eine tatsächliche Trennung vom Partner stattgefunden hat. (mz)