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Mordprozess Yangjie Li Mordprozess Yangjie Li: DNA-Spuren im Wisch-Mopp

Von Ralf Böhme 27.02.2017, 18:16
Am 17. Prozesstag sagte eine Gutachterin zu DNA-Spuren aus.
Am 17. Prozesstag sagte eine Gutachterin zu DNA-Spuren aus. Lisa Garn

Dessau-Roßlau - Schmutz unterm Fingernagel kann manchmal extrem wertvoll sein. Für Gerichtsmediziner aus Halle jedenfalls, die im Mordprozess Yangjie Li die Spuren suchen und zuordnen müssen, sind solche Rückstände von größter Bedeutung.

Weniger als ein Gramm, viel mehr Dreck braucht Uta-Dorothee Immel von der Martin-Luther-Universität nicht, um ein aussagestarkes Gutachten zu erstellen. Die darin niedergeschriebenen Erkenntnisse können dazu beitragen, den oder die Täter des brutalen Verbrechens zu überführen. Als dringend verdächtig gelten weiter der 21-jährige Sebastian F. und Xenia I., die gleichaltrige Lebensgefährtin. Noch steht die gerichtliche Bewertung aus, aber womöglich wird gerade der klägliche Rest eines alten Gel-Nagels zu einem entscheidenden Indiz.

17. Verhandlungstag in Dessau: Wissenschaftlerin spricht über Auswertung der DNA

13 Gutachten sind es insgesamt, abgeheftet in fünf dicken Ordnern. Was die Wissenschaftlerin daraus am Montag, dem 17. Verhandlungstag dem Landgericht vorträgt, macht vor allem eins deutlich: Von den beiden Angeklagten gibt es sowohl am Tatort des Sexualmordes als auch am Fundort der Leiche von Yangjie Li eine riesige Zahl von verwertbaren Spuren. Größte Bedeutung kommt wahrscheinlich den ermittelten genetischen Fingerabdrücken zu, kurz DNA genannt. Biostatistische Verfahren ermitteln in diesem Zusammenhang, erklärte Immel, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass die Spuren tatsächlich von Sebastian F. und Xenia I. stammten.

Das Ergebnis ist für die Angeklagten sichtlich erschütternd. Doch möglicherweise sind es gerade die sachlich vorgetragenen Fakten, die die Beschuldigten erkennen lassen, wie es um ihre Chancen in diesem Prozess bestellt ist. So schwanke die rechnerische Möglichkeit, die Suren könnten zu jemand anderem passen, zwischen 353 Quadrillionen und 245 Milliarden zu eins. Da helfen keine Ausreden mehr, so die Meinung dazu im Publikum im voll besetzten Großen Saal des Landgerichts.

Rückblende: Auf den ersten Blick fielen die Spuren des Verbrechens in der Dessauer Johannisstraße nicht in den Blick. Das hatten Kriminalisten schon an den vergangenen Verhandlungstagen übereinstimmend berichtet. Den Ermittlern war jedoch bald klar gewesen, dass sich der oder die Täter bei der Beseitigung der Spuren große Mühe gegeben hatten. Jedoch blieb der angestrebte Erfolg letztlich aus. Denn akribische Kleinarbeit von Technikern und Medizinern vollbrachte ein Wunder. Mit Hilfe modernster Untersuchungstechniken wurde zunächst Unsichtbares innerhalb weniger Wochen und Monate wieder ans Licht geholt. Roboter und medizinische Marker waren dabei wichtige Hilfen. Der Einsatz erfüllte laut Immel die neuesten internationalen Standards.

Gerichtsmediziner finden auch Spuren von Xenia I.

So analysierte die Gerichtsmedizin Halle teils selbst unscheinbarste Blutspritzer auf der Tapete. Überprüfbare Nachweise gelangen ebenso von Proben, die man auf einem alten Fernsehkabel nahm oder aus dem textilen Gewebe einer Couch. Selbst am Wisch-Mopp von Sebastian F., obwohl wahrscheinlich intensiv ausgewaschen, waren Spermienspuren zu finden.

Was könnten die Gerichtsmediziner in Halle übersehen haben? Die Antwort dürfte schwer fallen angesichts der Fülle der erfolgten Untersuchungen. Abstriche vom Leichnam ergaben Hinweise auf Sebastian F. und Xenia I. Ein Gutachten kümmerte sich ausschließlich um die 22 fremden Haare, die Yangjie Li vermutlich ihren Peinigern ausgerissen hatte. Hautpartikel aus dem Mund, von der Brust und aus dem After des Opfers wurden verglichen. Beim ersten Hören klang vieles so, als werde es die Angeklagten weiter belasten.

Dennoch gibt es Probleme, die eine Rekonstruktion des Mordes erschweren. Dazu gehört die Frage, welche Kleidung trug Sebastian F. in jener Nacht? In seiner Hose fanden sich zur Überraschung der Staatsanwaltschaft viele „frische“ Hautpartikel seiner Lebensgefährtin. Xenia I. freilich beteuerte am Montag vor Gericht, diese Hose zuletzt 2014 getragen habe - als Sex-Fotos gemacht wurden. (mz)