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Barbier in Wittenberg Barbier in Wittenberg: Volle Bärte in schöner Form

Von Ilka Hillger 27.02.2017, 13:17
Henning Schulz, selbst Bartträger, kümmert sich nun im Barbershop in der Collegienstraße ganz professionell um Bärte von Kunden, hier Matthias Kühne. Hendrik Hiller hat hier seine vierte Filiale eröffnet.
Henning Schulz, selbst Bartträger, kümmert sich nun im Barbershop in der Collegienstraße ganz professionell um Bärte von Kunden, hier Matthias Kühne. Hendrik Hiller hat hier seine vierte Filiale eröffnet. Thomas Klitzsch

Wittenberg - „Eigentlich war der Bart nie weg“, findet Henning Schulz. „Er ist den Leuten nur weniger aufgefallen.“ Vollbärte waren schließlich lange Zeit meist grau meliert und in moderater Länge, mehrheitlich getragen im fortgeschrittenen Alter.

Seit ein paar Jahren aber sind die Bärte länger geworden, kein graues Haar durchzieht sie, denn dahinter ist oft genug ein junges Gesicht, faltenfrei, wenn man es denn sehen würde. Der junge Mann trägt wieder Vollbart, nicht nur, wenn er ein Hipster ist und in der Großstadt lebt.

Der Bart von Henning Schulz ist solch ein Musterexemplar: dunkel, voll und scharf konturiert. Alles andere wäre für ihn auch ein schlechtes Aushängeschild. Schulz ist Barbier. Seit einigen Tagen verhilft er anderen Bartträgern in Wittenberg zu einem ebenso guten Schnitt und wohltuender Pflege. In der Collegienstraße 39 hat der Barbier Hiller eröffnet.

Zwei Türen gibt es hier neben den Schaufenstern. Das war Firmenchef Hendrik Hiller bei der Einrichtung seiner vierten Filiale im Landkreis wichtig. Rechts die Damen, links die Herren. Ein Geschäft war mal Bäckerei, das andere Tabakshop. Und wie es der Zufall will, steht nur ein paar Meter weiter das Haus, in dem Hillers Großeltern Ilse und Willi Schubert 1937 ihren Friseurladen in Wittenberg eröffneten.

Die Friseurtradition der Familie Hiller begann vor 80 Jahren, als Ilse und Willi Schubert ihr Geschäft in der Collegienstraße eröffneten. Das Paar aus Radis blieb über Krieg und Sozialismus hinweg bis 1974 selbstständig, 1975 wurde die PGH „Ihr Friseur“ gegründet. Der heutige Firmenchef Hendrik Hiller begann seine Ausbildung zum Friseur 1985 und eröffnete Anfang 1990 sein Geschäft in Kemberg. Seine Eltern Gabriele und Hans-Joachim Hiller waren erst in der PGH „Ihr Friseur“ beschäftigt und ab 1991 bis 2011 selbstständig.

Heute hat das Unternehmen von Hendrik Hiller vier Filialen, zwei in Wittenberg und je eine in Gräfenhainichen und Kemberg, es beschäftigt 24 Mitarbeiter. Die jüngste Filiale in der Wittenberger Collegienstraße besteht aus dem separaten Barbershop und einem traditionellen Friseursalon.

Für die Kundschaft stehen zwei gekennzeichnete Parkplätze in der Mittelstraße zur Verfügung.

„Wir kommen also zurück zu den Wurzeln“, sagt Hiller, selbst ein bekennender Bartträger. Und damit meint er nicht nur den Standort in Nähe zum Gründungsladen, sondern auch das Zurück zur Rasur in fremden Händen. „Als Friseur folgt man automatisch den Mode- und Konsumtrends“, erklärt Hendrik Hiller. Da fielen ihm und seinen Mitarbeitern natürlich die Barber-shops auf, die vor allem in Großstädten seit etlichen Monaten neu eröffnen.

Halle ist in der weiteren Region die Hochburg, dort führen meist türkischstämmige Barbiere die Klinge. Hiller aber hatte Henning Schulz, der 2010 seine Friseurlehre beendete und in seiner bisherigen Hiller-Filiale schon immer oft und gerne die Herren nicht nur frisierte sondern auch rasierte.

In der Collegienstraße macht der 28-Jährige nun nur noch das und hat für die spezielle Ausrichtung des Barbershops vom Chef auch die spezielle Einrichtung bekommen. In der alten Bäckerei ist zwar alles neu geworden, aber doch auf alt gemacht. Ein Ausflug in die 1960er Jahre.

„Das haben wir alles extra in diesem Stil anfertigen lassen“, erklärt Hendrik Hiller. Dann stellt er sich hinter den besonderen Verkaufstisch: das knallrote Heck eines Audi. „Das ist nicht meiner, der ist vom Schrottplatz und der Tischler hat ihn so eingefügt“, sagt er. Aus den Boxen kommt Südstaaten-Blues. Henning Schulz ist der Herr übers Internetradio und liegt mit seinem Musikgeschmack ganz auf der Wellenlänge seiner Kunden.

Matthias Kühne fühlt sich jedenfalls wohl. Für den 43-Jährigen ist es der erste Besuch bei Barbier Hiller. Kühnes Bart ist lang. „Das ist ein schleichender Schritt. Man fängt kurz an und dann lässt man es wachsen“, sagt er. „Ab einer bestimmten Länge kommt man aber selbst nur noch schlecht klar“, weiß der Barbier. Kühnes Bart hat diese Länge erreicht und da kam ihm die Neueröffnung in Wittenberg gerade recht.

Sonst hätte er wohlmöglich bis nach Halle fahren müssen. 45 Minuten hat Matthias Kühne für seine erste professionelle Rasur eingeplant. Henning Schulz erklärt, was er machen möchte; Bartberatung unterscheidet sich nicht von der für eine neue Frisur. Und wie generell beim Friseur, so sagt es Chef Hendrik Hiller, kommt es nicht aufs Abschneiden an.

„Es geht immer um die Form.“ Und eine eben solche hat am Ende auch Matthias Kühnes Bart. Bis dahin wurden ihm heiße Handtücher aufs Gesicht gelegt, er wurde gecremt und eingeschäumt und ließ das Rasiermesser ganz gelassen an sein Gesicht. „Ich mach das ja nicht zum ersten Mal“, kann Schulz beruhigen und tauscht am Rasiermesser die Klinge aus.

Ein notwendiger Hygienestandard in diesem Fach. Jeder Kunde bekommt eine neue Klinge, die Handwerksgeräte werden desinfiziert. Alle Produkte, die zur Anwendung kommen, hat Schulz getestet. „Hier ist das Lieblingswachs von Elvis“, zeigt er auf eine Metalldose.

Ringsum stehen auf dem Tablett noch andere Sorten, eine schöner im Design und in der Aufmachung als die andere. Da haben die Bartschönheitsmittel den Mittelchen fürs Damenhaar inzwischen einiges voraus. Bei der Rasur geht es um Stil und eine Haltung. Auch wenn Schulz meint, „jeder Hipster trägt einen Bart, egal ob er ihm steht oder nicht“.

Schulz und seinem Kunden Matthias Kühne steht der Bart jedenfalls. Ein nacktes Gesicht können sich die beiden Männer gar nicht mehr vorstellen. Kühne will jetzt regelmäßig kommen, „dafür gibt mir meine Frau mehr Taschengeld“. Der Barbier berichtet von seiner Frau, die zuweilen die Länge kritisiert, „aber das ist mir schlicht und ergreifend egal“.

Nun warten die Männer im neuen Hiller Barbiergeschäft nur noch darauf, dass sich auch ein paar prominente Bewohner der Stadt für eine gepflegte Gesichtsbehaarung entscheiden. Denn auch nach längerem Überlegen will ihnen so recht kein Promi einfallen, der zum Vollbart steht. Das könnte sich jetzt freilich ändern, da man weiß, dass es in der Lutherstadt eine gute Adresse für die Bartpflege gibt.

Informationen im Internet unter www.friseur-hiller.de (mz)

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