1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Yangjie-Li-Prozess: Ermordete chinesische Studentin Yangjie Li in Dessau: Prahlte Angeklagter mit Täterwissen?

Yangjie-Li-Prozess Ermordete chinesische Studentin Yangjie Li in Dessau: Prahlte Angeklagter mit Täterwissen?

Von Lisa Garn 21.02.2017, 20:00
Im Saal 118 des Dessauer Landgerichts wird seit Ende November im Mordprozess Yangjie Li verhandelt. Die Angeklagten verbergen ihre Gesichter vor den Fotografen und Kameras hinter Aktendeckeln.
Im Saal 118 des Dessauer Landgerichts wird seit Ende November im Mordprozess Yangjie Li verhandelt. Die Angeklagten verbergen ihre Gesichter vor den Fotografen und Kameras hinter Aktendeckeln. Lutz Sebastian

Dessau - Es ist eine Nachricht, die eigentlich nur ein Wissender schreiben kann. Einer, der weiß, was in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai geschehen ist. Der im Mordprozess Yangjie Li Hauptangeklagte Sebastian F. hat in der Tatnacht einer Chat-Freundin von einer Leiche berichtet. Das geht aus Kurz-Nachrichten hervor, aus denen am Dienstag vor dem Landgericht Dessau zitiert wurde.

So habe Sebastian F. am 12. Mai um 3.56 Uhr der Bekannten geschrieben, dass er angeblich gerade einen Einsatz als Feuerwehrmann hatte. „Mussten Amtshilfe für Polizei leisten. War nicht gerade schön.“ Auf die Frage, worum es gegangen sei, antwortete Sebastian F.: um eine Leiche.

Hat er damit Täterwissen preis gegeben? Yangjie Li wurde in der Nacht vom 11. zum 12. Mai misshandelt, missbraucht und getötet. Es gibt ein Video, dass mutmaßlich Sebastian F. zeigt, wie er um 2.24 Uhr um das Haus herumgeht - vermutlich, um die Leiche von Yangjie unter einer Konifere hinter dem Hinterhaus zu verstecken. Dort war sie am 13. Mai gefunden worden. Vor dem Landgericht sind Sebastian F. und Xenia I. des gemeinschaftlichen Mordes und der Vergewaltigung angeklagt.

Ermordete chinesische Studentin Yangjie Li: Im Prozess in Dessau berichtet eine Bekannte der Angeklagten

Die Bekannte aus Weißwasser in Sachsen erklärte am Dienstag im Zeugenstand, dass sie sich zwar seit vielen Jahren Nachrichten mit dem Angeklagten geschrieben hat, sie sich aber nie getroffen haben. Sebastian F. hatte ihr erzählt, dass er bei der Berufsfeuerwehr in Dessau arbeitet und dort eine leitenden Funktion hat. In Wahrheit hatte er keinen festen Job und auch keine Ausbildung. Er war ehrenamtlich für das DRK tätig.

Wenige Monate vor dem Mord im Mai 2016 wurde die Verbindung zwischen Zeugin und Angeklagtem intensiver. Sebastian F. schrieb, dass er sie liebt. Die Nachrichten bekamen immer mehr sexuellen Charakter: Sebastian F. wollte Fesselspiele und Oralverkehr. Er behauptete, sich von Xenia I. getrennt zu haben. Doch so ganz glaubte die Zeugin ihm irgendwann nicht mehr.

Vollends misstrauisch wurde sie aber, als sie am 22. Mai Nachrichten über einen Explosionsunfall bekam: Sebastian F. liege angeblich im Koma. Es war der Tag vor der Festnahme des Paares. Geschrieben wurde von Sebastian F’s Handy, aber in Xenia I.s Namen.

Nach ihrem Teilgeständnis hatte die Angeklagte am Dienstag erstmals Fragen beantwortet: Sie bestätigte der Staatsanwältin, tatsächlich eine erste Nachricht über einen Unfall geschrieben zu haben, alle weiteren aber nicht. „Er hat nur gesagt, dass diese Freundin nervt. Ich wollte keinen Streit oder dass er mich wieder beleidigt und schlägt. Deshalb habe ich geschrieben und nicht näher nachgefragt“, erklärte Xenia I.

Mordfall Yangjie Li in Dessau Zogen die Angeklagten eher aus, als bislang behauptet?

Da hatte das Paar das Tathaus in der Johannisstraße 7 schon verlassen. Wie eine weitere Zeugin schilderte, zogen die beiden schon am 17. Mai um, zwei größere Fuhren wurden nach Meinsdorf gebracht. Bislang galt der 21. Mai als Umzugstermin. Aufgefallen war der Zeugin nichts, außer dass der Hausflur gründlich gesäubert worden war. Am Tag des Auszugs seien auch Polizisten an den Beteiligten vorbei gelaufen. „Sie haben gegrüßt“, so die Frau. Misstrauisch wurden die Beamten offenbar nicht.

Sebastian F. hatte in den Tagen nach dem Fund von Yangjie Li aufgewühlt verschiedene Personen kontaktiert. Auch mit seinem leiblichen Vater hatte er am Tag nach dem Leichenfund knapp 20 Minuten telefoniert.

Dessen Auftritt war am Dienstag mit Spannung erwartet worden, doch äußern wollte sich der pensionierte Polizist nicht. Der 61-Jährige aus Oranienbaum-Wörlitz machte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, auch seine Aussage bei der Staatsanwaltschaft darf gerichtlich nicht verwendet werden. Sebastian F. zeigte äußerlich keine Regung, als sein Vater den Saal 118 betrat.

Angeklagter im Mordfall Yangjie Li in Dessau: Wie krank ist Sebastian F.s Mutter?

Mit dem Vater als letztem von vier Zeugen endete der 16. Verhandlungstag. Zu Beginn hatte Nebenklage-Anwalt Sven Peitzner beantragt, dass die Mutter des Angeklagten von einem Amtsarzt untersucht wird. Sie ist seit Monaten krank geschrieben und war zum Termin am 31. Januar nicht vor Gericht erschienen. Ein Arzt hatte ihr bis auf weiteres eine akute Belastungsstörung mit depressiven Symptomen diagnostiziert.

Doch der Berliner Anwalt verwies darauf, dass das Krankheitsbild üblicherweise als vorübergehend eingestuft werde. Er bezweifelte, dass die Mutter ihre Interessen nicht wahrnehmen kann und verwies auch auf Aktivitäten auf der Facebookseite der Frau. Dort werbe sie für die Gaststätte „Freundschaft“ und teile Beiträge über den Prozess, in denen berichtet wird, dass es keine Einflussnahme von Mutter und Stiefvater auf die Ermittlungen gegeben habe. „Das wirkt nicht desorientiert oder als ob sie sich zurück zieht“, so der Berliner Anwalt.

Mutter des Angeklagten im Mordfall Yangjie Li in Dessau: Berichterstattung sei wie eine „Hexenjagd"

In einem Schreiben an das Landgericht hatte die Mutter erklärt, für einen Prozesstermin psychisch nicht in der Lage zu sein. Sie begründet dies auch mit „öffentlichen Anfeindungen und einer Vorverurteilung“, die Berichterstattung verglich sie mit einer „Hexenjagd“. Es würde ausreichen, vor Gericht ihren Sohn zu sehen, „um nicht mehr klar denken und aussagen zu können“, zitierte Peitzner aus der Erklärung der Mutter. Die Verhandlung wird kommenden Montag fortgesetzt. (mz)

An jedem der bisher 16 Verhandlungstage ist das öffentliche Interesse groß - die Zuschauerplätze im Saal sind voll besetzt.
An jedem der bisher 16 Verhandlungstage ist das öffentliche Interesse groß - die Zuschauerplätze im Saal sind voll besetzt.
Lutz Sebastian
Im Saal 118 des Dessauer Landgerichts wird seit Ende November im Mordprozess Yangjie Li verhandelt.
Im Saal 118 des Dessauer Landgerichts wird seit Ende November im Mordprozess Yangjie Li verhandelt.
Lutz Sebastian
Im Saal 118 des Dessauer Landgerichts wird seit Ende November im Mordprozess Yangjie Li verhandelt.
Im Saal 118 des Dessauer Landgerichts wird seit Ende November im Mordprozess Yangjie Li verhandelt.
Lutz Sebastian