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Wirtschaft in Halle Wirtschaft in Halle (Saale): Wie Kammern ein drohendes Firmensterben verhindern wollen

Von Silvia Zöller 20.02.2017, 13:10
Im Baugewerbe werden Nachfolger gesucht
Im Baugewerbe werden Nachfolger gesucht dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Die Situation ist dramatisch: In Halle und dem Saalekreis werden gut ein Drittel aller Betriebe und Unternehmen von über 55-Jährigen geführt. Doch Gedanken darüber, wie es mit einer Unternehmensnachfolge aussieht, machen sich viel zu wenige der Inhaber und Geschäftsführer. „Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass dieses Thema zu lange aufgeschoben wird. Viele unterschätzen, wie komplex und emotional der Prozess tatsächlich ist“, sagt Antje Bauer, Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK).

Betriebe in Halle und Saalekreis: Nachfolger in Metallbaubranche, bei der Kfz-Technik, im Baubereich und bei Frisören und Bäckern gesucht

Auch die Handwerkskammer Halle nennt die bedenklichen Zahlen: In Halle und dem Saalekreis werden von insgesamt rund 4.350 Handwerksbetrieben genau 1.440 von Männern und Frauen im Alter von über 55 Jahren geführt. Nachfolger werden vor allem in der Metallbaubranche, bei der Kfz-Technik, im Baubereich und bei Frisören und Bäckern gesucht.

Auch in der Dienstleistungsbranche und im Handel werden händeringend junge Leute gesucht, die einen bestehenden Betrieb weiterführen. Der IHK liegen dazu jedoch keine repräsentativen Zahlen für Halle und den Saalekreis vor. Nach IHK-Berechnungen stehen im Kammerbezirk bis zum Jahr 2020 mehr als 1 800 IHK-Unternehmen zur Nachfolge an.

Der Präsident der Handwerkskammer, Thomas Keindorf, hat eine Erklärung, warum gerade jetzt so viele Betriebe von über 55-Jährigen geführt werden: „Viele davon gehören zu jenen Handwerkern, die nach der Wende den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben und nun vor dem Ruhestand stehen.“ Für diese Unternehmen werden Nachfolger gesucht nicht nur, um auch weiter frisches Brot oder die Reparatur von Autos anbieten zu können - Keindorf meint vielmehr: „Ohne diese Angebote sind Städte und Dörfer wenig lebenswert. Ich kann junge Menschen nur ermutigen, den Weg zu uns ins Handwerk zu suchen. Die Chance, in ganz wenigen Jahren erfolgreich selbstbestimmt arbeiten zu können, ist so gut wie selten zuvor.“

Netzwerk Unternehmensnachfolge startet Offensive

Das hört sich gut an, hat jedoch noch in viel zu wenigen Fällen Erfolg. Deswegen hat jetzt das Netzwerk Unternehmensnachfolge, das die beiden Handwerkskammern und die beiden IHK im Land gegründet haben, eine Offensive gestartet.

Noch bis zum 1. März läuft eine Online-Umfrage zur Unternehmensnachfolge, in der unter anderem erfragt wird, welche Informationen Betriebe zum Thema benötigen, ob sie für einen Notfall bereits vorgesorgt haben oder was die größten Hindernisse sind. Die Resonanz darauf sei groß, ist aus der Handwerkskammer zu erfahren. Weiter geht es dann ab 6. März mit einer Nachfolgerwoche, bei der IHK und Handwerkskammer zu Foren, Sprechtagen und Aktionstagen einladen.

Dabei soll dafür sensibilisiert werden, dass man sich nicht erst mit 65 Jahren mit der Unternehmensnachfolge beschäftigen sollte. „Selbst wenn in der Familie ein Nachfolger gefunden wird, muss man zwei Jahre Zeit einrechnen. Bei Externen sogar bis zu fünf Jahre“, sagt Antje Leuoth, Beraterin des Netzwerks Unternehmensnachfolge. Denn es gebe sehr viel zu klären, angefangen von rechtlichen und steuerrechtlichen Fragen bis hin zur Bewertung des Betriebs. Gerade dabei gehe oft die Vorstellung vom Alt-Inhaber und seinem potenziellen Nachfolger weit auseinander.

40 Prozent aller Handwerksbetriebe der Region sind Ein-Personen-Unternehmen

Außerdem sei nicht jeder Betrieb für eine Übergabe geeignet - über 40 Prozent aller Handwerksbetriebe der Region seien Ein-Personen-Unternehmen. Das zu übergeben, klappt in den seltensten Fällen. „Einen neuen, eigenen Betrieb aufzumachen, ist oft für das gleiche Geld möglich“, sagt Antje Leuoth. Ein Handicap könne es auch sein, einen Traditionsbetrieb veräußern zu wollen, der sehr stark mit dem bisherigen Inhaber verbunden ist. Oder es sind auch bürokratische Hürden möglich: „Vereinzelt ist es ein Problem, dass die Kommune einer Übergabe nicht zustimmt, wenn der Betrieb im Innenstadtbereich ist und bisher Bestandsschutz hatte, so dass keine neue Betriebsgenehmigung erteilt wird“, erläutert die Expertin.

Betriebe in der Region, die einen Nachfolger suchen, sind in der bundesweiten Betriebsbörse der Handels- und Handwerkskammern und des Wirtschaftsministeriums zu finden: www.nexxt-change.org

(mz)