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Paukenschlag im Kulturausschuss Paukenschlag im Kulturausschuss Halle (Saale): Gegen Genscher-Gymnasium!

Von Detlef Färber 01.02.2017, 22:11
Hans-Dietrich Genscher war Bundesinnenminister sowie Bundesaußenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Hans-Dietrich Genscher war Bundesinnenminister sowie Bundesaußenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland. dpa

Halle (Saale) - Annegret Bergner musste schlucken. Als die Vorsitzende des Kulturausschusses und CDU-Stadträtin am Mittwochabend das Ergebnis ihrer Stimmenauszählung zum Tagesordnungspunkt 4.4. verkündete, war die Überraschung groß. Und bei der kleinen Gästegruppe aus dem Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium sprach sogar ungläubiges Staunen aus den Gesichtern.

Schließlich hatten die Schüler jener „Penne“, in der vor 80 Jahren auch der spätere hallesche Weltpolitiker Hans-Dietrich Genscher lernte, ja über die Frage abgestimmt, ob ihre Schule mehr als ein Jahr nach dem Tod des weltberühmten Schülers umbenannt werden soll.

So, wie dergleichen anderswo in der Welt wohl unstrittig wäre. Und auch unter den aktuellen Pennälern des von ihnen „Jo-Go“ genannten Gymnasiums war die Sache ziemlich klar. 21 von 28 Klassen hatten sich mehrheitlich dafür ausgesprochen: Eine Übung in Demokratie! Und auch die für die Sache maßgebliche Gesamtkonferenz der Schule votierte klar in diese Richtung.

Grünen-Stadtrat Christian Feigl: Genscher-Ehrungen von Universität, Halloren und Leopoldina müssten doch ausreichen

Freilich, bei der Sache muss die Stadt noch zustimmen, der Stadtrat besser gesagt. Dem Kulturausschuss lag eine dahingehende Beschlussvorlage am Mittwoch zur Beratung und Empfehlung vor. Ebenso wie die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes zu Ehren Genschers. Eine solche Empfehlung gilt in fast allen Fällen als gutes oder gar sicheres Vorzeichen dafür, dass die Sache auch im Stadtrat beschlossen wird.

Doch, wie sich schon im Laufe der Diskussionen seit dem Tod Genschers andeutete, tat sich der Stadtrat auch mit dieser von den Lesern der MZ vorgeschlagenen Lösung schwer. Mehrheitlich trugen die Kulturausschussmitglieder dann aber die Vorlage (bei einer Gegenstimme und Enthaltungen) mit - was den Bahnhofsvorplatz anging.

Grundlegende Vorbehalte kamen allerdings erneut von Grünen-Stadtrat Christian Feigl, der gegen beide Umbenennungen votierte. Seine oft geäußerte Ansicht, dass bisherige hiesige Genscher-Ehrungen von Universität, Halloren und Leopoldina doch ausreichen müssten, wischte CDU-Ratskollegin Ulrike Wünscher noch mit dem Hinweis vom Tisch, dass es sich dabei nicht um städtische Ehrungen handelt.

Und dass „die wichtigste Ehrung, nämlich die hallesche Ehrenbürgerwürde für Genscher“, mit dessen Tod ja praktisch erloschen sei, musste sich Feigl Linken-Stadtrat Erwin Bartsch erklären lassen.

Etliche Stadträte zeigen Vorbehalte gegen Hans-Dietrich Genscher.

Doch dann wurde deutlich, wie stark die Vorbehalte etlicher Stadträte gegen den Politiker Genscher und wie groß die Zweifel an seinen Verdiensten sind. Etwa, dass er - so wieder Feigl - in der Auseinandersetzung mit Terroristen „überzogen habe“. Das Fazit des Grünen: „Genscher ist nicht der Übervater, ist nicht der Held“.

Fast dramatisch fiel das Votum der Linken aus, die in Gestalt von Stadträtin Katja Müller zunächst auch selbstkritische Töne anschlugen, was die lange ergebnislosen Gespräche in der Arbeitsgruppe anging. Doch dann knallte die Diskussion richtig. Der Gedanke, ein Herdergymnasium umzubenennen, sei „Kulturfrevel“ (Bartsch). CDU-Stadtrat Harald Bartl hielt dagegen: „Hier ist noch so viel Ideologie im Spiel, wir demaskieren uns!“

Linken-Stadträtin Katja Müller: „Ich bin dagegen, Schulen nach Politikern zu benennen. Was machen wir denn, wenn mal eine Gesamtkonferenz beschließt, eine Schule nach Björn Höcke oder Frauke Petry zu benennen?“ Ulrike Wünscher war fassungslos: „Es kann doch nicht sein, dass wir Genscher kleinreden, nur weil sich hier manche nach der DDR zurücksehnen!“

Genscher-Ehrung in Halle: Umbenennung des Herder-Gymnasiums sei „keine Entscheidung gegen Herder“

Am Ende wurde mit Sabine Schwarz noch einer Lehrerin des Herder-Gymnasiums das Rederecht erteilt. Schwarz als Mitinitiatorin der schulinternen Initiative zur Umbenennung des Gymnasiums stellte klar, dass dies ja gerade „keine Entscheidung gegen Herder“ sein solle.

Vielmehr wolle man mit der Umbenennung „ein bisschen Moderne in dessen Ideale bringen“. Doch ihr eindrucksvoll vorgetragenes Votum als letztes Wort in der Debatte nützte nichts mehr: Drei Stimmen für und drei Stimmen gegen ein Genscher-Gymnasium bei einigen Enthaltungen machten das Patt perfekt. Nun hat der Gesamt-Stadtrat das Wort. (mz)

Nicht einstimmig aber immerhin. Für einen Genscher-Platz am halleschen Bahnhof könnte es im Stadtrat reichen.
Nicht einstimmig aber immerhin. Für einen Genscher-Platz am halleschen Bahnhof könnte es im Stadtrat reichen.
Jens Schlüter
Hans-Dietrich Genscher
Hans-Dietrich Genscher
dpa