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Düsseldorfer Attentat Düsseldorfer Attentat: Ralf S. stellte seine tief verwurzelten Aggressionen zur Schau

Von Peter Berger 01.02.2017, 18:54

Düsseldorf/Köln - Sie waren keine Zufallsopfer. Im Gegenteil. Ralf S., ein gescheiterter Militaria-Händler und ehemaliger Zeitsoldat der Bundeswehr hat sie sich ganz bewusst ausgesucht. Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion und Russlanddeutsche, die in unmittelbarer Nähe seines Ladens einen Kursus besuchten, um die deutsche Sprache zu lernen.

Er hat acht Monate vor der Tat eine Wohnung gemietet, um die Rohrbombe zu bauen und den Vertrag am Tag nach dem Anschlag gekündigt. Zwei Neonazis, die ständig vor seinem Laden herumlungerten, haben Besucher eben jener Sprachschule im Herbst 1999 bedroht. „In Ledermänteln und Springerstiefeln haben sie eine Schülergruppe über 14 Tage lang eingeschüchtert, sich mit Kampfhunden vor die Schule gestellt und sie Spalier laufen lassen“, berichtet Chef-Ermittler Udo Gerhard Moll. „ Sie haben sich nach zwei Wochen zu einer Gegenaktion formiert und sind vor dem Fenster des Militaria-Ladens mit verschränkten Armen aufgetaucht. Danach hörten die Bedrohungen auf.“

„Fremdenfeindliche Motive mit tief verwurzelter Aggression“

Die Neonazis sind noch nicht identifiziert, sie haben mit dem Anschlag wohl auch nichts zu tun. Doch sie sind wichtig für das Motiv von Ralf S. „Er hat eine Ausbildung zur Verarbeitung von Sprengmitteln bei der Bundeswehr genossen, besaß zur Tatzeit ein Schweißgerät, hatte Räumlichkeiten angemietet, um eine Bombe zu bauen und fremdenfeindliche Motive mit tief verwurzelter Aggression. Er machte so ziemlich alles verantwortlich für seine finanziell desolate Lage. „Er hatte einen Offenbarungseid geleistet und konnte seine Miete nicht mehr bezahlen“, sagt Moll.

All das sei den Ermittlern schon damals bekannt gewesen, bestätigt Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück. „Wir haben das wegen der großen räumlichen Distanz zum Tatgeschehen aber nicht zur Kenntnis genommen.“

Wende durch eine Knast-Prahlerei

Die Wende kommt durch den Zeugen aus dem Knast in Castrop-Rauxel, vor dem sich Ralf S. im Jahr 2014 mit der Tat brüstet. Die Ermittlungen werden neu aufgerollt und angesichts der vielen neuen Indizien fällt am Ende eine Hauptzeugin um, die Ralf S. ein Alibi gegeben hat. „Er hatte sie massiv unter Druck gesetzt und behauptet, dass er zur Tatzeit zu Hause war.“ Heute kann die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass das nicht stimmt.

Ein Telefonat, das er um 15.03 Uhr von zu Hause aus geführt haben will, hat laut Telefondaten vier Minuten später stattgefunden, so die Ermittler. Trotz all dieser Erkenntnisse ist die Staatsanwaltschaft sicher, dass Ralf S. Einzeltäter ist.

„Ausbilder“ mit Bundeswehr- und Polizeierfahrung

Doch wer ist dieser Mann eigentlich genau? Ralf S. war nach eigenen Angaben zuletzt im Sicherheits- und Detektivgewerbe tätig. Er hält „Überlebenstrainings“ ab, nennt sich im Internet „Ausbilder“ mit Bundeswehr- und Polizeierfahrung, „Trainer“ und „Berater“, an anderer Stelle „Sergeant“ oder „Ralfinator“. Die Einträge lesen sich teilweise wirr. Auf Facebook wirbt der dreifache Vater für ein Selbstschutztraining am kommenden Samstag: Für 55 Euro – mit Verpflegung und Urkunde.

In einem Video preist er in Kampfanzug, Schutzweste und Sonnenbrille eine offenbar selbst konstruierte Stichwaffe zur Selbstverteidigung an – einen hohlen Metallstab, der an einer Seite spitz zuläuft und „deren Verwendung ich Ihnen wohl, glaube ich, nicht weiter erläutern muss“. Weitere Facebook-Einträge, offenkundig von Ralf S. verfasst, lassen auf einen verlorenen Sorgerechtsstreit mit der Mutter seiner Kinder schließen.

Düsseldorfs Polizeipräsident Norbert Wesseler bat die Opferfamilien um Nachsicht. Sie seien am Dienstag über die Festnahme informiert worden. „Wir haben die Akte nicht zugemacht, auch wenn wir erst jetzt, mehr als 16 Jahre nach der Tat, einen Haftbefehl erwirken konnten.“

Fritz Behrens, von 1998 bis 2005 NRW-Innenminister, zeigte sich erleichtert: „Ich persönlich wäre froh, wenn das Attentat, das zu den großen ungelösten Fällen meiner Amtszeit gehört, nun aufgeklärt wäre. Das war die Polizei den Opfern schuldig.“