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Mordfall Yangjie Li Chinesische Studentin Yangjie Li in Dessau ermordet: Sebastian F. soll seinen Stiefsohn misshandelt haben

Von Ralf Böhme 31.01.2017, 14:35
Der Angeklagte Sebastian F. verbarg auch heute im Gerichtssaal wieder sein Gesicht.
Der Angeklagte Sebastian F. verbarg auch heute im Gerichtssaal wieder sein Gesicht. Lutz Sebastian

Dessau-Roßlau - Mit einem beklemmenden Psychogramm des mutmaßlichen Mörders der Chinesin Yangjie Li geht der Prozess am Landgericht in Dessau-Roßlau planmäßig in eine dreiwöchige Verhandlungspause. Eine 50-jährige Gartennachbarin beschrieb Sebastian F., der die Studentin  im vergangenen Mai  gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin Xenia I.  sexuell missbraucht und umgebracht haben soll, als aufbrausenden und brutalen Machtmenschen.

Mordfall Yangjie Li: Angeklagter Sebastian F. soll seinen Stiefsohn misshandelt haben

Den Zuhörern im voll besetzten Großen Saal stockte der Atem, da  die Zeugin  erschütternde Beispiele beschrieb.  So soll Sebastian F. seinen dreijährigen Stiefsohn mit menschenunwürdigen Strafen drangsaliert haben. Dazu gehörte nach Darstellung der Mutter von drei Kindern, die als Reinigungskraft erwerbstätig ist, das Ertränken zum Schein. Der Angeklagte habe das Kind an den Beinen gepackt und es kopfüber in eine mit Wasser randvoll gefüllte Regentonne gesteckt. Eine weitere Strafe, von der die  Frau berichtete, war tagelanges Einsperren in einem Zimmer.  Die Zeugin: „Ich hörte den Jungen schreien und weinen.“ Offenbar musste das Kind auch seine Notdurft in dem Raum verrichten, „denn es stank im ganzen Haus“.

Auf Nachfragen erklärte die Zeugin, dass sie  danach das Jugendamt über diese schlimmen Ereignisse im Sommer 2015 informiert hätte. Jedoch sei  später nach ihrer Kenntnis keine  konkrete Reaktion der Behörde erkennbar gewesen. Prozessbeteiligte kündigten am Rande des Verfahrens an, prüfen zu lassen, ob es  tatsächlich zu folgenschweren Versäumnissen durch das Jugendamt gekommen ist. Der Junge lebt gegenwärtig mit einem weiteren Geschwisterkind in der Obhut der Mutter von Xenia I.

Mordfall Yangjie Li: Angeklagte Xenia I. wurde angeblich selbst Opfer von Sebastian F.

Die Angeklagte, die  zwar ein Teilgeständnis abgelegt hat und seitdem keine weiteren Fragen beantwortet, ist der Zeugin zufolge selbst Opfer von Übergriffen durch Sebastian F. geworden. Als sie sich nach einer körperlichen Misshandlung von ihm fernhalten wollte, soll der Mann mit den Worten gedroht haben: „Komm zu mir oder ich steche euch alle ab!“

Diesen allumfassenden  Machtanspruch, der sich auch in Arroganz und Überheblichkeit gegenüber Dritten ausdrückte, konnte ein weiterer Zeuge bestätigen - ein Kriminalbeamter, der die erste Vernehmung von Sebastian F. leitete. Ihm zufolge tischte der damals noch 20-Jährige selbstbewusst eine Version auf, nach der es mit der chinesischen Studentin zu einvernehmlichen Sex gekommen sei. Daran hielt sich auch seine damalige Lebensgefährtin Xenia I. Sie sei jedoch sehr unsicher gewesen und habe extrem kurz auf Fragen geantwortet.

Mordfall Yangjie Li: Sebastian F. brach in Untersuchungshaft in Tränen aus

Nachdem sich die beiden Beschuldigten in Widersprüche verwickelten, wurden sie in Untersuchungshaft genommen. Sebastian F. reagierte darauf jedoch völlig anders, als man es von ihm erwarten könnte. Der Polizist berichtete, dass der  eben noch so  starke junge Mann plötzlich in Tränen ausbrach und sofort nach seiner Mutter rief. Psychologen sprechen in solchen Fällen nicht selten von einer gespaltenen Persönlichkeit. Der Volksmund kennt dafür den  Begriff des verzogenen Muttersöhnchens.

An diesem Punkt der Verhandlung wurde im Publikum sofort die Frage laut, wann die Mutter des Angeklagten vor Gericht aussagen werde. Die Frau, von Beruf Polizistin in Dessau-Roßlau, ist allerdings  seit Monaten krankgeschrieben. Ein ärztliches Attest soll bescheinigen, dass sie vorerst nicht aussagen könne. Nächster Verhandlungstag ist der 20. Februar.

Mordfall Yangjie Li: Nebenkläger rechnet nicht mit einem raschen Ende des Verfahrens

Rechtsanwalt Sven Peitzner, der als Nebenkläger die Eltern der getöteten Chinesin vertritt,  rechnete im Gespräch mit der MZ nicht mit einem raschen Ende des Verfahrens. Auch wenn die Grundannahme  sich zu bestätigen scheine, glaubt der Jurist, dass der Prozess bis in den April hinein dauert. Die Liste der Zeugen reiche  bis in den März hinein. Dann würden Gutachter zu Wort kommen. Bei weitgehend schweigenden Angeklagten sei die Beweisaufnahme immer sehr aufwendig. So müsse weiter hinterfragt werden, wem welcher Tatbeitrag konkret zugeordnet werden könne.

Die beiden Angeklagten, die die chinesische Studentin im Mai 2016 missbraucht und getötet haben sollen, wurden aufgrund widriger Verkehrsverhältnisse verspätet zugeführt. Sebastian F. sitzt in Raßnitz. Xenia I. im Roten Ochsen in Halle. (mz)