1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gräfenhainichen
  6. >
  7. Sex-Vorwürfe in Gräfenhainichen: Sex-Vorwürfe in Gräfenhainichen: War Lehrer am Gymnasium tickende Zeitbombe?

Sex-Vorwürfe in Gräfenhainichen Sex-Vorwürfe in Gräfenhainichen: War Lehrer am Gymnasium tickende Zeitbombe?

Von Michael Hübner 27.01.2017, 06:00

Gräfenhainichen - Gräfenhainichen atmet auf: Die Staatsanwaltschaft klagt einen bereits fristlos gekündigten Lehrer des Paul-Gerhardt-Gymnasiums wegen „sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen“ an. Die zwei Taten, die dem 46-Jährigen zur Last gelegt werden, sollen sich bei einer Klassenfahrt im Mai 2016 in Berlin ereignet haben. Das mutmaßliche Opfer, das psychologisch betreut werden musste, ist in beiden Fällen eine 17-Jährige.

Konsequenzen gab es am Gymnasium in Gräfenhainichen nicht

„Ich habe mich immer geärgert, weil es da nie Konsequenzen gab, aber damals war die Aufmerksamkeit einfach nicht so stark wie heute“, kommentiert Patrick P. (Name geändert), „der hat schon mit Mädels in der Abstellkammer rumgemacht, als wir noch in der neunten Klasse waren.“ Auf MZ-Nachfrage datiert der Gräfenhainichener seine Beobachtungen ins Jahr 1998.

Damit hätten Verantwortliche an der Bildungseinrichtung die Hinweise auf eine offensichtlich tickende Zeitbombe schon Jahre früher erkennen können oder müssen. „Es wurde banalisiert, und nun ist es eskaliert. Das ist traurig und war abzusehen. Wer weiß, wie viele Opfer es noch gibt“, sagt eine Schülerin von 2003. Aus diesem Abi-Jahrgang bestätigen gleich drei Frauen gegenüber der MZ das ungewöhnliche Verhalten des Lehrers.

Demnach gibt es schon seit der Jahrtausendwende Gerüchte, die den Pädagogen betreffen. „Er hat gern mit Mädchen geflirtet“, sagt eine Frau heute und erklärt: Er habe die notwendige Distanz zu den Schülerinnen nicht gehalten.

Zwei der drei Frauen, die sich über die sozialen Medien melden, sind bereit, mit der Polizei über ihre Erfahrungen zu reden. Doch es passiert nichts. Rein gar nichts. „Nach einer gemeinsamen Einschätzung von Staatsanwaltschaft und Polizei liegt Verjährung vor“, sagt Staatsanwalt Olaf Braun auf MZ-Anfrage. Und so stützen sich die Ermittler allein auf die Darstellung des mutmaßlichen Opfers.

Die Jugendliche erzählt bei der Polizei, dass es schon vor ihr durch den jetzt Angeklagten „zu versuchten Übergriffen“ auf andere Schülerinnen gekommen sei. Und dass dies hinter vorgehaltener Hand die Runde gemacht habe, aber nicht zeitnah reagiert worden sei. Der Direktor stellt daraufhin Strafanzeige gegen seine Schülerin wegen Verleumdung. Doch woher kannte der Schulleiter die Details aus der Ermittlungsakte? „Er wurde zuvor bei seiner Vernehmung mit der Aussage der jungen Frau konfrontiert“, erklärt Braun auf Anfrage der Presse.

Noch im August hat der Schulleiter gegenüber der MZ bestätigt, dass es bereits 2003 Sex-Vorwürfe gab. Die Gerüchte damals - es betrifft den gleichen Lehrer - habe er geprüft. „Es ist nichts gewesen“, so das Ergebnis seiner Recherchen vor 14 Jahren. Dabei vertraut er offensichtlich auf ein Sechs-Augen-Gespräch mit dem Mann und seiner Schülerin. Beide haben die Vorwürfe bestritten.

Die nun nach Jahren an die Öffentlichkeit gedrungenen Indizien überzeugen den Direktor nicht vom Gegenteil. Zumal die Staatsanwaltschaft die Akten in einem weiteren Strafverfahren gegen den 46-jährigen Angeklagten bereits geschlossen hat. Auch dabei geht es zumindest um verbale sexuelle Belästigung einer 14-Jährigen der gleichen Schule vom gleichen Lehrer aus dem Jahr 2016. Er schickte Nachrichten pornografischen Inhalts und Liebesbotschaften noch nach Mitternacht auf das Smartphone des Mädchens.

Bei einer Handy-Kontrolle entdeckten die Eltern das kaum Fassbare und stellten Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft antwortete mit einem Standardbrief. Die Empfänger übersetzen das Juristendeutsch: Das Verfahren wird wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Vater von Schülerin aus Gräfenhainichen verlangt Aufklärung

Das sehen die Erziehungsberechtigten aber ganz anders und schicken jetzt ihre Tochter auf ein anderes Gymnasium. Der Vater fordert bei Facebook trotzdem Aufklärung. „Wenn Sie entsprechende Hinweise zu Fällen am Gymnasium Gräfenhainichen kennen, sind Sie bitte so nett und wenden Sie sich doch vertraulich an die Polizei“, schreibt er. Der Mann wird dabei auch zum Hobby-Detektiv.

„Ich, als betroffener Elternteil, bin sehr an einer Aufklärung interessiert. Insbesondere interessiert es mich, ob in der Vergangenheit Vorfälle vertuscht oder versucht wurde, diese zu ignorieren beziehungsweise unter den Teppich zu kehren“, postet er und erhält eine Reaktion. Sie stammt nach seinen Angaben von einer Frau in Leipzig, die jetzt in leitender Position in einer Bank arbeitet. „Als junges Mädchen stand plötzlich der Lehrer hinter ihr und hat ihr den Rücken massiert“, berichtet der Privat-Ermittler. Die Polizei dagegen hat nach dem Aufruf des Vaters in den sozialen Medien keine neuen Hinweise erhalten, erklärt Sprecher Maik Strömer. (mz)