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Schlägerei bei AfD-Veranstaltung an Uni Schlägerei bei AfD-Veranstaltung an Uni: Dekan stolz, Innenminister empört

Von Hagen Eichler 13.01.2017, 18:12
Ein Antifa-Aktivist zeigt AfD-Chef Poggenburg an der Uni Magdeburg den Mittelfinder, der schimpft über „Linksfaschisten“.
Ein Antifa-Aktivist zeigt AfD-Chef Poggenburg an der Uni Magdeburg den Mittelfinder, der schimpft über „Linksfaschisten“. Eroll Popova

Magdeburg - Trillerpfeifen gellen durch den Hörsaal, Sprechchöre hallen: „Nazis raus! Nazis raus!“ AfD-Landeschef André Poggenburg will sich mit dem Saalmikro Gehör verschaffen - chancenlos.

Ein Dutzend AfD-Anhänger hat 400 wütende Studenten der Uni Magdeburg gegen sich. Dann eskaliert die Situation: Antifa-Aktivisten bauen sich mit einem Transparent direkt vor den AfD-Leuten auf, diese schieben ihre Gegner zurück, zerren am Transparent, schlagen zu. Linke werfen einen Böller, der neben Poggenburg detoniert.

AfD-Veranstaltung in Magdeburg eskaliert: Poggenburg und Professor Gerald Wolf kommen nicht zu Wort

Dass ein akademischer Vortrag in einer Schlägerei endet: Das ist neu an der Universität Magdeburg. Die AfD-nahe „Campus-Alternative“ hatte Gerald Wolf eingeladen, einen emeritierten Magdeburger Biologie-Professor mit umstrittenen Ansichten zur Gleichberechtigung.

Im Hörsaal 6 kommt er ebenso wenig zu Wort wie AfD-Chef Poggenburg. Nach einer Viertelstunde müssen sie von Polizisten aus dem Saal geleitet werden - die Studenten kommentieren es mit dem Sprechchor „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“.

Die Bilanz des Abends: Fünf Strafanzeigen, unter anderem wegen des Böllerwurfs und wegen eines gestohlenen Handys. Ein Mitglied der Campus-Alternative wird mit einer Platzwunde behandelt, die Feuerwehr rückt an, weil der Feueralarm ausgelöst wurde.

AfD-Chef André Poggenburg sauer: „Das ist das Gleiche, was die Nazis gemacht haben.“

AfD-Chef Poggenburg schimpft über „Linksfaschisten“, die andere Meinungen unterdrücken wollten. „Das ist das Gleiche, was die Nazis gemacht haben.“

Der Studierendenrat (Stura) hatte aus Protest einen Vortrag zu Strategien der Gleichberechtigung organisiert, dem sogenannten Gender Mainstreaming - passenderweise unmittelbar vor der Veranstaltung der Campus-Alternative und im gleichen Hörsaal.

Während der Stura-Veranstaltung gingen anonyme Flugblätter durch die eng besetzten Reihen. Darin wurden die anwesenden Studenten aufgefordert, den Saal nicht zu räumen, um so die AfD zu blockieren.

Der Stura selbst will für die Hörsaal-Besetzung nicht verantwortlich sein. Schuld an der Randale ist aus seiner Sicht die AfD, weil Poggenburg sich den Zugang mit Personenschützern aus der rechten Szene erzwungen habe.

„Grob fahrlässig und verantwortungslos“ nennt Stura-Sprecher Alexander Hönsch das - angesichts des besetzten Hörsaal hätte die AfD ihre Veranstaltung absagen müssen, findet er.

In der Fakultätsleitung stößt die Hörsaal-Besetzung auf Sympathie. Als die AfD mit Polizeibegleitung abziehen muss, reißt Dekan Michael Dick jubelnd die Arme empor. „Unsere Studierenden zeigen Flagge und Haltung. Darauf bin ich stolz“, sagt er der MZ unmittelbar danach.

Innenminister Stahlknecht kritisieren Tumult bei Protest gegen AfD-Veranstaltung

Dicks Aussagen stoßen am Freitag in der Uni-Leitung wie auch in der Landespolitik auf Kritik. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte der MZ, er habe für den Dekan „überhaupt kein Verständnis“. Dick solle seine Rolle überdenken. „Gerade die Elite dieses Landes ist aufgefordert, sich argumentativ auseinanderzusetzen. Ausgrenzung und Gewalt haben da keinen Platz.“

Auch Magdeburgs Uni-Rektor Jens Strackeljan macht sich Dicks Einschätzung von einem erfolgreichen Abend nicht zu eigen. „Das war kein Erfolg. Das war ein Misserfolg“, sagte Strackeljan. Handgreiflichkeiten und Rangeleien seien nicht hinnehmbar. Es müsse möglich sein, einen Vortrag zu einem gesellschaftlich relevanten wissenschaftlichen Thema zu halten. „Wir müssen dazu kommen, dass wir einander zuhören.“

Magdeburgs Uni-Rektor kündigt Maßnahmen an, um auch AfD-nahen Studenten Veranstaltungen zu ermöglichen

Strackeljan kündigte an, die Uni werde künftig dafür sorgen, dass eine studentische Gruppierung einen gemieteten Saal auch tatsächlich nutzen könne. „Notfalls setzen wir das mit der Polizei durch, auch wenn ich mich damit schwertue“, so der Rektor.

Der Landeschef der Afd-Nachwuchsorganisation Junge Alternative, Jan Wenzel Schmidt, kündigte bereits weitere Veranstaltungen an. „Wir werden das notfalls jeden Monat und jede Woche machen. Beim nächsten Mal bringen wir auch eigene Lautsprecher mit.“

Gleichzeitig fordert er die Exmatrikulation von beteiligten Studenten. Rektor Strackeljan hält Sanktionen zwar grundsätzlich für denkbar, sollte es Beweise gegen Hochschulangehörige geben. „Aber an diesem Punkt sind wir noch lange nicht.“ (mz)