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Interview mit Frank Bannert Interview mit Frank Bannert: Bereuen Sie, Herr Landrat?

03.01.2017, 06:00
Landrat Frank Bannert steht seit 2007 an der Spitze des Kreises. Der 60-Jährige muss sich im neuen Jahr um mehrere Baustellen kümmern.
Landrat Frank Bannert steht seit 2007 an der Spitze des Kreises. Der 60-Jährige muss sich im neuen Jahr um mehrere Baustellen kümmern. Peter Wölk

Merseburg - Nahverkehr, Rettungsdienst, Flüchtlingsbetreuung: Der Saalekreis hat derzeit gleich mehrere Baustellen. MZ-Redakteur Dirk Skrzypczak hat mit Landrat Frank Bannert (CDU) über die Brennpunkte gesprochen. Dazu zählte auch der Festempfang zum 60. Geburtstag des Politikers.

Sie haben mit Ihrem 60. Geburtstag öffentlich für Diskussionen gesorgt. Würden Sie noch einmal einem Festempfang, zur Hälfte aus Steuermitteln finanziert, zustimmen? Immerhin brachte Ihnen die Feier eine Strafanzeige ein.

Bannert: Wenn ich sage, dass ich gar nichts bereue, würde das arrogant klingen. Der Staatsanwalt hat die Ermittlungen gegen mich eingestellt, weil nichts dran war. Ich habe aber gelernt, dass gewisse Medien zwar alles wissen wollen, aber nicht alle Fakten berichten.

Rechtlich mag es in Ordnung gewesen sein, aber war es auch moralisch richtig, öffentliches Geld für die Feier einzusetzen?

Bannert: Es war doch nicht mein privates Vergnügen. Ich würde doch keine 250 Leute privat einladen, so viele Freunde habe ich gar nicht. Mir hat mein Anwalt gesagt, dass es falsch war, dass ich privat die Hälfte der Kosten übernommen habe. Ich sehe das anders, gerade weil es auch um Steuermittel geht. Verschiedene Stellen haben die Rechtmäßigkeit geprüft. Es war wie ein Neujahrsempfang, bei dem mehrere Minister anwesend waren und die Leute miteinander ins Gespräch gekommen sind.

Und doch sprachen Kritiker von Personenkult. Haben Sie der etablierten Politik, die seit den Wahlerfolgen der AfD zunehmend in der Schusslinie steht, damit nicht einen Bärendienst erwiesen?

Bannert: Ich bin nicht bereit, mich für den Mainstream zu verbiegen. Der Kreistag hat mich geehrt, dafür bin ich sehr dankbar. Als mein Vorgänger Tilo Heuer 60 wurde und einen Empfang bekam, hat sich niemand aufgeregt. Die Zeiten mögen andere sein, ich bleibe mir jedenfalls treu und bin mir bewusst, dass ich es nicht jeden Recht machen kann.

Es war ein heißer Herbst, auch nach Ihrem Geburtstag. Im Internet war ein unvollständiger Leistungsbescheid für eine Flüchtlingsfamilie aufgetaucht. Auch hier ermittelt der Staatsanwalt. Gibt es Erkenntnisse, wer dahinter steckt?

Bannert: Mir sind keine Ermittlungserfolge bekannt. Und ich habe auch wenig Hoffnung, dass der Verursacher gefunden wird. Wir leben in einer Zeit, in der mit anonymen Anzeigen Stimmung gemacht wird. Ich finde das schäbig.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder soll gegen Flüchtlinge gehetzt werden. Oder jemand wollte zeigen, wie mit Flüchtlingen das große Geschäft gemacht werden kann.

Bannert: Wir reden jetzt in einer Zeit der Zufriedenheit, weil wir den Druck der Flüchtlingskrise nicht mehr haben. Vor einem Jahr standen wir noch Kopf. Was wäre denn gewesen, wenn wir weiter monatlich 500 bis 600 Menschen hätten aufnehmen müssen? In den Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen steckt immer eine Betreuungspauschale drin. Natürlich kann man sich streiten, ob diese Summe zu hoch ist.

Es heißt, dass der Kreis bei den Flüchtlingskosten nicht genau genug prüfen würde, welche Rechnungen er vorgelegt bekommt.

Bannert: Wir haben Ämter und den Eigenbetrieb, die für die Prüfung aller Bescheide und Rechnungen zuständig sind. Die Betreuungs- und Integrationshilfe GmbH steht ja nicht zum ersten Mal in der Kritik. Unsere Verträge mit der Gesellschaft laufen bis Ende 2017. Gemeinsam mit dem Kreistag werden wir überlegen, ob die BIH unser Partner bleibt, wir die Betreuung der Flüchtlinge selbst übernehmen oder ob eventuell sogar eine Mischform sinnvoll ist.

Der grüne Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel hatte Ihnen unlängst auf einer Demo wieder vorgeworfen, sich der Verantwortung zu entziehen, weil Sie die Aufgabe der Flüchtlingsbetreuung an einen Dritten übergeben haben.

Bannert: Wir wissen doch, wie es auf Demos läuft. Da entsteht auch eine gewisse Eigendynamik. Ich habe aber etwas dagegen, wenn Leute so tun, als ob sie die Spielregeln der Demokratie für sich gepachtet haben. Andererseits habe ich die Gelassenheit eines 60-Jährigen, Herrn Striegel zu ertragen.

Die Stunde der Wahrheit schlägt ohnehin an anderer Stelle. Für 2015 haben Bund und Land alle Flüchtlingskosten übernommen, die im Landkreis entstanden waren. Nun will das Land aber weniger zahlen. Und nach einer Statistik gehört der Saalekreis zu jenen Kommunen, in denen die Flüchtlingskosten besonders hoch sein sollen. Droht dem Kreis damit ein finanzielles Fiasko, weil er auf einem Teil der Kosten sitzenbleibt?

Bannert: Nein, das ist nicht die Stunde der Wahrheit. Wir reden vor allem über Kosten, die durch den Leerstand angemieteter Wohnungen und das Personal für die Betreuung entstehen. Dafür will das Land gar nichts zahlen. Aber kein Mensch kann heute eine Wohnung für einen Monat anmieten und dann wieder abstoßen, wenn er sie nicht mehr braucht. Wir wissen doch, was das Maritim in Halle dem Land kostet. Ich erwarte daher, dass wir eine Einigung mit der Landesregierung erzielen. Die Kommunen können nicht im Regen stehengelassen werden.

Es brennt auch an einer anderen Stelle, beim Rettungsdienst im Südkreis. Die Frage ist, ob die Vergabe der Leistungen zum 1. Januar 2015 richtig gewesen ist, weil der Kreistag in das Verfahren möglicherweise nicht genug eingebunden war. Was passiert eigentlich, wenn Sie vor Gericht scheitern?

Bannert: Wir haben ein Urteil des Verwaltungsgerichts, das gegen uns entschieden hat. Nun lassen wir vom Oberverwaltungsgericht prüfen, ob eine Revision zulässig ist. Wir sehen eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage, wann welches Gremium zu beteiligen ist. In einem anderen Landkreis hatte über die Vergabe des Rettungsdienstes der Vergabeausschuss des Kreistages entschieden. Das war nicht angezweifelt worden.

Wo kein Kläger, da kein Richter, könnte man sagen. Fürchten Sie Schadensersatzansprüche von den jetzigen Partnern DRK und ASB, wenn Sie vor Gericht verlieren?

Bannert: Wer in einem Rechtsstaat lebt, der muss auch seine Regeln akzeptieren. Über alles andere reden wir, wenn es soweit ist.

Aus der Linkspartei kommen Stimmen, die im Falle einer juristischen Niederlage Ihre persönliche Verantwortung beleuchtet sehen wollen. Was das auch heißt. Rücktritt?

Bannert: Das wäre völlig weit hergeholt. Ich sitze doch nicht in meinem stillen Kämmerlein und treffe einsam meine Entscheidungen, so wie sie mir passen. Wir haben Berater und anwaltliche Hilfe. Andererseits sage ich, dass niemand im Kreistag ein Interesse daran haben kann, dass wir den Prozess verlieren. Zumal die Frage der Kreistagsbeteiligung auf die Entscheidung für die Vergabe keinen Einfluss hatte. Das Votum wäre nicht anders ausgefallen. Aber noch mal, ich hoffe, dass unser Antrag auf Berufung Erfolg haben wird.

Die medizinische Versorgung ist ein elementar wichtiger Eckpfeiler der Gesellschaft. Die Mobilität gehört ebenfalls dazu. Und hier erleben wir bei der Straßenbahn ein Déjà-vu. Was ist da los zwischen Ihnen und der Havag, die 200.000 Euro mehr pro Jahr an Zuschuss verlangt?

Bannert: Havag-Chef Vinzenz Schwarz hat gesagt, er sei kein Staubsaugerverkäufer. Nun, wir sind es auch nicht. Was mir machen, ist eine genaue Prüfung aller Unterlagen, die uns die Havag vorgelegt hat. Ist 1 plus 1 wirklich 2? Im Januar werden wir es wissen. Ich habe außerdem das Land angeschrieben und hoffe, dass wir für die Linie 5 die Landesbedeutsamkeit hinbekommen, weil sich Sachsen-Anhalt dann auch an den Kosten beteiligt. Hier setze ich auf die Unterstützung unserer Landtagsabgeordneten. Wir haben eine Verantwortung den Bürgern gegenüber und dürfen nicht leichtsinnig werden, nur weil es finanziell derzeit gut für den Kreis läuft. Wir haben schon andere Zeiten erlebt. Da mussten wir 1 Million Euro im Museumsbereich sparen. Solche unpopulären Entscheidungen haben uns dorthin gebracht, wo wir heute sind. Wir könnten es uns leicht machen und das Geld an die Havag einfach zahlen. Dann hätten wir unsere Ruhe. Aber wir müssen auch den Menschen in Rothenburg oder in Ziegelroda, die nicht an der Linie 5 wohnen, erklären, warum die Investitionen sinnvoll sind.

Und wenn die Prüfung ergibt, dass die Havag-Zahlen korrekt sind?

Bannert: Wir werden die Straßenbahn nicht an 200.000 Euro sterben lassen, auch die Havag wird das nicht tun. Wir brauchen jetzt aber eine langfristige Verbindlichkeit. Ich ärgere mich, dass sich die Stadt Halle nicht in die Debatten einmischt. Auch Halle profitiert von der Linie. Wenn wir Partner sind, Halle und der Saalekreis, dann doch auf allen Ebenen. Beim Thema Havag vermisse ich das.

Täuscht der Eindruck, dass die Beziehung zur Stadt Halle eher ein Zweckbündnis ist? Von großen gemeinsamen Projekten ist jedenfalls nichts mehr zu hören.

Bannert: Wir arbeiten auf vielen Ebenen gut zusammen, haben aber genügend Luft nach oben. Nehmen wir die Metropolregion. Wenn jeder glaubt, er lebt in seinem eigenen Königreich, dann kommen wir nicht weiter. Nur zusammen werden es Halle und der Saalekreis erreichen, als Partner etwa gegenüber Leipzig ernst genommen zu werden. Dazu gehören auch gemeinsame Projekte, da ist mir zuletzt zu wenig passiert. Halle und der Saalekreis können aufeinander nicht verzichten.

Noch eine Frage mit Blick auf 2017: Wo sehen Sie die Schwerpunkte?

Bannert: Wir investieren unter anderem in unsere Schulen, in Straßen, den Breitbandausbau - alles wichtige Projekte. Und wir hoffen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen im Landkreis positiv bleibt. Nur so behalten wir unseren Gestaltungsspielraum und können uns beispielsweise unsere drei Musikschulstandorte mit 2.200 Schülern leisten. So etwas fällt nicht vom Himmel.

(mz)