1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Trendwende?: Trendwende?: Wittenberg freut sich wieder über mehr Bewohner

Trendwende? Trendwende?: Wittenberg freut sich wieder über mehr Bewohner

Von Irina Steinmann 16.12.2016, 05:00
Es zieht wieder mehr Menschen in die Stadt. Wittenberg hat aktuell wieder genau so viele Einwohner, wie 1992.
Es zieht wieder mehr Menschen in die Stadt. Wittenberg hat aktuell wieder genau so viele Einwohner, wie 1992. Baumbach

Wittenberg - Der viel beklagte Schrumpfungsprozess hat in der Stadt Wittenberg deutlich an Fahrt verloren. Tatsächlich liegt die Zahl der Einwohner sogar fast wieder auf dem Niveau von 1992 - freilich nur dank der Eingemeindungen, durch die sich das Stadtgebiet nahezu verdoppelt hat, nämlich auf mehr als 240 Quadratkilometer.

Stadtflucht aus Wittenberg ist vorüber

48.409 Menschen waren laut aktueller Stadt-Statistik per 31. Dezember 2015 in der Kernstadt und ihren zwölf Ortsteilen gemeldet; zieht man die in dieser Zahl enthaltenen Zweitwohnsitze ab, bleiben noch immer 47.591 Wittenberger.

Deutlich drastischer als in der Kernstadt fällt der anhaltende Einwohnerschwund in den Ortsteilen aus: Nimmt man als Vergleichsjahr 2009 - und das macht die Stadt in ihrer aktuellen „Informationsvorlage zur Einwohnerentwicklung“ - so sank die Zahl der Hauptwohnsitze in dem Zeitraum auf dem Wittenberger Lande um fast sechs (5,9), in der eigentlichen Stadt aber lediglich um zwei Prozent.

Nach anfänglichen „Suburbanisierungsgewinnen“ (Stadtflucht) wiesen die Ortschaften bereits seit der Jahrtausendwende Verluste von mehr als einem Prozent auf, Tendenz wie gesagt steigend. Insgesamt war für die Lutherstadt über die genannten sieben Jahre laut Kommunalverwaltung ein Schwund von 3,1 Prozent zu verzeichnen.

Uneinheitliches Bild bei einzelnen Stadtteilen von Wittenberg

Betrachtet man die einzelnen Stadtteile, so zeichnet sich ein durchaus uneinheitliches Bild ab, es gibt Gewinner und Verlierer: Hohe Verluste verzeichnen im Vergleich zum Jahr 2009 Stadtrandsiedlung (minus 8,9) und Lerchenbergsiedlung (minus 6,9).

Doch auch das sehr zentrumsnahe Lindenfeld hat seither vier Prozent verloren - ungeachtet der Tatsache, dass sich die Stadt seit vielen Jahren um eine Entwicklung dieses Viertels mit einem hohen Anteil an Gebäuden aus der Gründerzeit bemüht, welches mit Krankenhaus und Bildungszentrum, Kino und Theaterhaus zudem über eine ganze Reihe infrastrukturell bedeutsamer Einrichtungen verfügt.

„Kleinteilige Eigentümerstrukturen“ führt die Stadt hier als einen der Gründe ins Feld und konstatiert auch „unsanierte Altbausubstanz“. Zum Teil bestehe „Sanierungsstau“ und auch teilsanierte Objekte verzeichneten „wachsenden Leerstand“, heißt es auf MZ-Nachfrage aus dem Fachbereich Stadtentwicklung. Denn: „Besserverdienende mit ihren Wohnansprüchen interessieren sich nicht für das Angebot an un- bzw. teilsanierten Beständen“, während andererseits „für Haushalte mit bescheidenen Einkommen in diesen Wohnungen allein die Nebenkosten kaum bezahlbar sind“.

Trotz der leichten Abschwächung des Abwärtstrends sieht die Stadt die Entwicklung weiter als „große Herausforderung“ an, insbesondere da die auch bei weniger Bürgern „vorzuhaltenden Infrastruktureinrichtungen“ (Abwasser, Wasser, Straßen etc.) auf eine angespannte Haushaltslage treffen.

Bei der Weiterentwicklung der Stadt und zur Auslastung bestehender Infrastruktur setzt man im Wittenberger Rathaus auf „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“; dies gelte sowohl für die Kernstadt als auch innerhalb der Ortsteile. Im Baubereich etwa bedeutet das die Nutzung von Brachen und Lücken. Ziel auf dem Lande sei die Stabilisierung der Ortskerne. Frisches Bauland sei „nicht die Lösung“, hieß es dazu aus dem Fachbereich Stadtentwicklung, wohl aber eine „gute Anbindung“ der Ortsteile an die Kernstadt und deren Angebote und Infrastruktur. Die restriktive Ausweisung von Flächen für Häuslebauer ist ein alter Zankapfel zwischen der Stadt und ihren Orten. „In jeder Ortschaft steht ein angemessenes Flächenpotenzial zur Befriedigung des Flächenbedarfs für die Eigenentwicklung zur Verfügung“, konstatiert die Verwaltung.

Ein Großvermieter plant demnächst im Lindenfeld zu investieren: Die kommunale Wiwog kündigte an, das Objekt Heubnerstraße 35/36 zu sanieren. Der Gründerzeitbau mit 16 Wohnungen bekommt dann auch einen Aufzug.

Die vielen verschiedenen Eigentümer wiederum würden eine „koordinierte Sanierung von ganzen Wohnblöcken“, wie sie demgegenüber mit Großvermietern möglich sind, logischerweise erschweren. Die größten Verluste sind allerdings auch im Lindenfeld lange her (2009/2010), in den letzten drei Jahren war dort kaum mehr als ein Prozent minus zu verzeichnen.

Piesteritz und Kleinwittenberg verlieren Bevölkerung

Dies gilt im Übrigen noch weitaus stärker für Piesteritz und Kleinwittenberg, die beide - gegenüber 2009 - als Verlierer geführt werden. Piesteritz ist seit 2013 sogar gewachsen, von 3857 auf 3910 Einwohner, und Kleinwittenberg erscheint in der jüngeren Statistik zumindest stabil: 901 Menschen waren dort 2013 gemeldet, 2014 und 2015 je 888.

Andererseits befindet sich der eine oder andere „Gewinner“ im 2009-Vergleich (plus 3,6) auf dem leicht absteigenden Ast: Die Altstadt etwa schrumpft seit dem Höchststand 2013 (2 215) wieder, zuletzt waren nur noch 2148 Personen gemeldet. Es gibt dort derzeit allerdings auch diverse Baustellen.

In Apollensdorf wiederum, für das als einzigem Ortsteil gegenüber 2009 ein Anstieg (+3,2 Prozent) hervorgehoben wird, ist das Plus ausschließlich auf Apollensdorf-Nord zurückzuführen - und liegt ebenfalls schon ein wenig länger zurück: 2014 jedenfalls wurden in Nord 645 Bewohner gezählt, 2015 waren es 649. Ziemlich stabil also.

Die mit Abstand meisten Wittenberger sind übrigens Friedrichstädter. 7 582 wurden Ende 2015 gezählt in dem Viertel aus Platten- und anderseits eher dörflichen Strukturen, das waren 134 oder 1,7 Prozent weniger als 2009.

In den Jahren 2013 und 2014 lag die Zahl der Einwohner konstant bei exakt 7628. Rang zwei der hinsichtlich der Einwohnerzahl größten Stadtteile gebührt dem bereits genannten Lindenfeld, wo zuletzt 6101 Wittenberger gemeldet waren.

Auf Wittenberg als Ganzes bezogen wird sich der deutlich verlangsamte Einwohnerschwund nach Auskunft der Stadt in den kommenden Jahren fortsetzen. 40.429 Personen (inklusive Nebenwohnsitze) würden es dieser Prognose zufolge 2030 dann nur noch sein. Wenn sich die Bedingungen bessern, allerdings auch mehr. (mz)

Nachlesen lässt sich die Statistik im Detail auf der Stadt-Homepage.