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Mordfall Yangjie Li Mordfall Yangjie Li: Videos zeigen heimtückische Falle

Von Lisa Garn 15.12.2016, 09:37
Warum haben die Ermittler nicht sofort alle Überwachungsaufnahmen aus der Johannissstraße ausgewertet?
Warum haben die Ermittler nicht sofort alle Überwachungsaufnahmen aus der Johannissstraße ausgewertet? Lutz Sebastian

Dessau - Die Aufnahmen sind manchmal schemenhaft und unscharf. Und dennoch lassen sie erahnen, was am 11. Mai vor dem Haus in der Johannisstraße 7 geschehen ist.

Yangjie Li joggt am Abend an dem Antiquitätengeschäft vorbei, sie trägt die dunklen Haare zum Zopf und Sportkleidung. Gegen 21.30 Uhr kehrt sie zurück und wird auf dem Gehweg von einer Frau gestoppt. Man sieht sie gestikulieren, nach oben zeigen.

Yangjie Li wirkt unschlüssig, blickt sich auf der Straße um - folgt der Frau aber dann ins Haus und geht damit offenbar in die Falle. Etwa fünf Stunden später ist auf einer anderen Aufnahme zu sehen, wie ein Mann zügig um das Haus herum geht und zurück kommt.

Die Anklage geht davon aus, dass auf den Videos die beiden 21-Jährigen Sebastian F. und Xenia I. zu sehen sind. Dem Paar wird am Landgericht Dessau wegen gemeinschaftlichen Mordes und Vergewaltigung der Prozess gemacht. Am fünften Verhandlungstag am Mittwoch waren fünf Zeugen geladen.

Mordfall Yangjie Li: Verteidigung widersprach Nutzung der Videobilder als Beweismaterial

Die Aufnahmen stammen aus dem Antiquitätengeschäft im Erdgeschoss der Johannisstraße 7, zwei Etagen darüber hatte damals das Paar gewohnt.

Bevor die Videos am Landgericht gezeigt wurden, hatte ein Verteidiger seine Rechtsposition deutlich gemacht: Die Aufnahmen seien rechtswidrig entstanden und damit als Beweis nicht verwertbar. Weil die privaten Kameras nicht nur das Geschäft, sondern auch den Bereich des Gehweges und damit öffentlichen Raum filmten. Damit würden Persönlichkeitsrechte, auch die seines Mandanten, verletzt.

Die Staatsanwaltschaft widersprach: Die Aufklärung einer Straftat wiege höher als Persönlichkeitsrechte. Die Richterin im Prozess entschied, die Beweisaufnahme fortzusetzen. Die Verwendung der Videos sei rechtlich geprüft worden.

Ermittlungspanne im Mordfall Yangjie Li?: Polizei sicherte entscheidende Videobilder verspätet

Die Bilder belasten Sebastian F. und Xenia I. schwer. Sie machen aber auch Versäumnisse bei den Ermittlungen deutlich.

Denn die wichtigsten Videodateien waren erst am 25. Mai gesichert worden. Zwei Tage, nachdem Sebastian F. und Xenia I. festgenommen worden waren. Und zwölf Tage nach dem Fund der Leiche.

Der Besitzer des Antiquitätengeschäfts sagte am Mittwoch vor Gericht aus, dass Polizeibeamte zwar am 18. Mai Aufnahmen aus seinen Überwachungskameras gesichert hätten, allerdings nur eine von insgesamt vier Kameraperspektiven.

Diejenige mit Blick auf die Hausmannstraße, in der am 13. Mai die Leiche von Yangjie Li entdeckt wurde. Videos von der Johannisstraße wurden nicht zur Auswertung mitgenommen.

„Wenn man sich detaillierter damit befasst hätte, hätte man vielleicht nach fünf Minuten ein Ergebnis haben können“, sagte der Antiquitätenhändler und macht damit auf eine möglicherweise schwere Panne der Polizei aufmerksam.

Dass es insgesamt vier Kameras am Geschäft gibt, habe er den Beamten mitgeteilt. „Es wurde aber nicht viel kommuniziert. Die Polizisten waren nach 20 Minuten wieder raus.“

Ladenbesitzer will Sebastian F. und Xenia I. auf Videomaterial gesehen haben - und ging damit zur Polizei.

Die Verhandlung am Mittwoch hatte mit einer jungen Zeugin begonnen, die am Tattag bei der Bank gegenüber dem Haus Geld abgehoben hatte. Sie berichtete vor Gericht, dass sie etwa gegen 21.30 Uhr zwei Frauen vor dem Haus gesehen habe. Genau diese Szene wurde später im Gericht gezeigt.

Sie habe im Vorbeigehen die Worte „Warte kurz“ gehört. Eine der Frauen habe fuchsrote, die andere schwarze Haare gehabt. Ob es sich um Yangjie Li und Xenia I. handelte, könne sie nicht sicher sagen.

Nach der Festnahme der beiden Angeklagten waren am 25. Mai erneut Ermittler im Geschäft des Antiquitätenhändlers. „Das war ein völlig anderes Kaliber.“ Sie nahmen das restliche Material mit.

Parallel dazu sah auch der Ladenbesitzer die Aufnahmen durch und entdeckte entscheidende Sequenzen. „Für mich stand zweifelsfrei fest, dass da Herr F. zu sehen war“, sagte er vor Gericht. „Ich habe ihn an seiner Statur erkannt, an seinem besonderen Gang und am Schlüsselband, das immer aus der Hose heraushing.“

Auch Xenia I. meinte er, erkannt zu haben. Als Nachbarn sah man sich fast täglich, mit dem Angeklagten habe er mehrfach gesprochen. „Ich habe den Notruf gewählt und der Polizei gesagt, was ich habe. Mit dem USB-Stick bin ich dann hingefahren.“ Die Bedeutung des Materials sei sofort erkannt worden. Am selben Abend begann die Auswertung.

Gutachterin wertet Video aus

Eine Sachverständige der Videoauswertung stützte am Mittwoch die Annahme der Anklage in Teilen. Die junge Chinesin identifizierte sie zweifelsfrei.

Ob es sich bei dem Mann und der Frau auf dem Video um die Angeklagten handelt, konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Gesichter seien nicht eindeutig zu erkennen, ausgewertet wurden aber unter anderem Statur, Körperhaltung und Proportionen.

Auf den Angeklagten träfen mehrere körperliche Merkmale zu, sagte die Gutachterin. Bei der weiblichen Person sei keine abschließende Aussage möglich. Die Verhandlung wird am Montag kommender Woche fortgesetzt. (mz)