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Neues Einwanderungsgesetz Neues Einwanderungsgesetz: Karamba Diaby erklärt, was es für Halle bringen soll

Von Robert Briest 13.12.2016, 13:30
Mitautor des Gesetzes: Karamba Diaby
Mitautor des Gesetzes: Karamba Diaby Ute Langkafel/Maifoto

Halle (Saale) - Die SPD hat jüngst den Entwurf eines Einwanderungsgesetzes präsentiert, mit dem der Zuzug qualifizierter Fachkräfte erleichtert werden soll. Geschaffen wurde das Gesetz zu weiten Teilen in Halle. Nicht nur der Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby war federführend daran beteiligt, sondern auch zwei Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität, die die Vorstellungen der SPD in Rechtsnormen gossen und deren Folgen bewerteten. Im Interview erklärt Diaby, warum auch Halle seiner Meinung nach ein solches Gesetz braucht.

Wir haben in Halle trotz Rückgang noch immer fast zehn Prozent Arbeitslosigkeit. Warum braucht ihr Wahlkreis da ein Einwanderungsgesetz für den Arbeitsmarkt?

Diaby: Es geht darum, branchenspezifischen Fachkräftemangel zu beheben. Fakt ist, dass wir in den nächsten zehn Jahren über sechs Millionen Erwerbsfähige in Deutschland verlieren. Das spüren wir auch in Sachsen-Anhalt. Bis 2030 werden uns nämlich 49.000 Pflegekräfte fehlen. Daher sind wir auf Einwanderung junger und qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen. Gleichzeitig müssen wir natürlich die hier lebenden Arbeitskräfte besser mobilisieren und qualifizieren. Aber auch die systematische Qualifizierung und Ausschöpfung vom inländischen Potenzial wird nicht ausreichen, den Bedarf an Arbeitskräften voll zu decken.

Außer in der Pflege, wo fehlen denn in Halle noch Fachkräfte?

Diaby: Es gibt keine konkreten Zahlen für Halle. Aber in den Gesprächen, die ich mit den hier ansässigen Verbänden und Unternehmen führe, werden immer wieder Mechatroniker und Pflegekräfte genannt.

Aus welchen Ländern werden dann künftig die Arbeitsmigranten kommen, die in Halle arbeiten?

Diaby: Das können wir noch nicht einschätzen. Die Arbeiterwohlfahrt hat aber bereits jetzt Erfahrungen mit philippinischen Pflegekräften gesammelt. Wir fangen mit einer Einwanderungsquote von 25.000 Menschen an, die pro Jahr kommen sollen. Diese Zahl ist aber nicht statisch. Der Bundestag wird unter der Zustimmung des Bundesrates und auf Vorschlag der Bundesregierung eine jährliche Quote festsetzen.

In den vergangenen zwei Jahren sind fast eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. In Halle leben aktuell 6.400. Reicht das nicht aus, um den Bedarf zu decken?

Diaby: Das Asylrecht ist für Menschen da, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Das ist eine humanitäre Pflicht. Mit dem Einwanderungsgesetz, das im Kern ein Punktesystem nach kanadischem Modell beinhaltet, wollen wir dagegen die Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften regeln und steuern. Das ist ein Unterschied.

Fachkräfte für Branchen mit eineinem entsprechenden Personalmangel will die SPD mit ihrem Einwanderungsgesetz nach Deutschland holen. Die qualifizierten Kräfte sollen in Ländern jenseits der EU angeworben werden. Bewerben können sie sich via Internet.

Ein Punktesystem entscheidet am Ende, wer die Chance auf eine Einladung hat. Anhand von fünf Kriterien (Qualifikation, Sprachkenntnisse, Arbeitsplatzangebot, Alter und Integrationsaspekte, wie etwa Berufserfahrung in Deutschland) sollen maximal 100 Punkte vergeben werden. Erreicht ein Bewerber mindestens 65 Punkte wird er in ein Ranking aufgenommen. Je besser die Platzierung dort, desto größer die Möglichkeit in Deutschland zu arbeiten.

Das wichtigste Kriterium ist ein vorliegendes Jobangebot. Es bringt 25 Punkte. Bevor der Bewerber jedoch einreisen darf, wird abgeklärt, ob der Job auch zu seiner Qualifikation passt. (rob)

Ihr Gesetzesentwurf fällt dennoch in eine Phase, in der die Aufnahmebereitschaft von Teilen der Bevölkerung an ihre Grenze gestoßen ist, sich ausländerfeindliche Meinung offen Bahn brechen. Ist in einer solchen Stimmung ein Einwanderungsgesetz überhaupt durchzusetzen?

Diaby: Unsere Aufgabe ist es, die Sachen zu erklären. Es geht bei der Arbeitsmarktintegration nicht um einen humanitären Akt, sondern um unser eigenes Interesse. Aufgrund des demografischen Wandels braucht Deutschland mehr Fachkräfte, um den Wohlstand zu sichern. Die CDU wird das nicht mehr lange ignorieren können.

Zuwanderer tendieren dazu, in die größeren Städte zu gehen, wo es Communitys von Landsleuten gibt. Kämen von den 25.000 Arbeitsmarktmigranten überhaupt welche in Halle an?

Diaby: Dafür müssen wir werben. Wir hatten beispielsweise 40.000 Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt, davon sind bereits 10.000 wieder gegangen. Im Allgemeinen kämpfen wir in Ostdeutschland und insbesondere in Sachsen-Anhalt eher mit Ab- statt Einwanderung. Wir müssen als Ostpolitiker und als Gesellschaft dafür sorgen, dass Fachkräfte, die zu uns kommen, auch bleiben. Dazu gehört auch eine Willkommenskultur. Auf Ereignisse wie Heidenau oder Freital werde ich genauso angesprochen wie sächsische Kollegen. Aber es ist unsere Aufgabe, dagegen vorzugehen. Wir brauchen in der Gesellschaft keine Angst, sondern Menschen, die gemeinsam mit uns nach Lösungen suchen.

(mz)