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AfD-Wahlkampf Frauke Petry beim AfD-Wahlkampf im Mansfelder Land: Glück auf, die Petry kommt

Von Jan Schumann 05.12.2016, 07:00
Mit Bergmanns-Tradition und Blazer: Frauke Petry
Mit Bergmanns-Tradition und Blazer: Frauke Petry Klaus Winterfeld

Helbra - Nur noch fünf Minuten. Frauke Petry verspätet sich. In der alten Schachthalle in Helbra warten fast vierhundert Leute auf die Bundeschefin der Alternative für Deutschland. Eine neue Kanzlerin - viele hier trauen Petry Großes zu, wenn 2017 der Bundestag gewählt wird.

„Wir brauchen einen Neuanfang, niemanden aus dem Politik- und Wirtschaftsfilz“, lässt ein Ehepaar aus dem Salzlandkreis wissen, auf dem Tisch stehen Kaffee- und Bierbecher. Doch Petry lässt am Samstag auf sich warten, und so bleibt der Platz neben Gastgeber und AfD-Kreischef Jens Diederichs zunächst leer. Er beginnt also ohne seine Bundesvorsitzende und stimmt ein altes Volkslied der Bergarbeiter an: das Steiger-Lied.

„Glück auf, Glück auf. Der Steiger kommt.“ Zuvor hat Diederichs Textblätter verteilen lassen. Diejenigen, die in der alten Halle einen Sitzplatz bekommen haben, stehen auf einmal wieder. Und sie singen. „Der Steiger kommt.“

Petry will 2017 Spitzenkandidatin der AfD werden

Eine bemerkenswerte Episode. Zum einen hat das Volkslied in der Bergbau-Region im Mansfelder Grund gute Tradition, es geht um Heimatstolz. Zum Anderen: Das Lied ist eigentlich eine klassische SPD-Hymne. Auf Parteitreffen wird sie gesungen - und immer dann, wenn Sachsen-Anhalts Ex-Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) im benachbarten Ahlsdorf zum Frühjahrsempfang einlud, gehörte das Steigerlied dazu wie „O Tannenbaum“ zum Weihnachtsfest. An diesem Nachmittag besetzt die AfD diese Tradition. Eine junge politische Kraft, die sich selbst auf dem Weg zur Volkspartei sieht.

2017 soll das nächste große Jahr der AfD werden, deswegen reist Petry mitten ins Herz des Mansfelder Grunds. Als sie mit weißer Bluse und schwarzem Blazer in der kühlen Halle eintrifft, setzt sie zu einer 60-Minuten-Rede an, die sie im Stehen und beinahe frei hält.

Das Publikum macht es ihr leicht. Es gibt an diesem Tag keine Proteste vor der Halle, drinnen sind nur Petry-Freunde. Eine 65-jährige Rentnerin aus Bornstedt sagt, „ich will sehen, in welche Richtung sich die Partei entwickelt – man kann ja nicht wählen, ohne sich selbst ein Bild zu machen“.

Wie sie es denn fand, als Petry im September sagte, der Begriff „völkisch“ müsse wieder positiv besetzt werden? „Gut“, sagt die Seniorin, „ich möchte, dass wir wieder ein normales Volk werden. Wir sind doch überfordert mit den Ausländern“. Aber die Partei solle nicht ins Rechtsradikale abdriften, „das will ich nicht“. Warum glaubt sie, dass diese Gefahr bei der AfD besteht? Das stehe oft in der Zeitung, sagt die Seniorin.

Die 41-jährige Petry will 2017 Spitzenkandidatin der AfD werden. In Helbra will sie zeigen, dass sie keinesfalls Chefin einer Ein-Themen-Partei ist. Sie spricht über ein wackeliges Euro-System, das nicht zur wirtschaftlichen Entwicklung in den verschiedenen EU-Regionen passe. Über Familienpolitik, schwache Geburtenzahlen. Über eine verwaschene Asylpolitik, die geltende Gesetze in einem „großen verbalen Brei“ aufweiche. Über eine Täuschung der Bevölkerung durch Statistiken, die gar nicht das wahre Ausmaß des Flüchtlingszuzugs aufzeigten.

Frauke Petry gibt Einblicke in den Maschinenraum der AfD

Die Klammer, mit der Petry all diese Themen zusammenhält: Sie beschwört immer wieder eine Kluft zwischen Regierenden und Bevölkerung. „Es ist die verdammte Pflicht der Politiker, Politik so zu erklären, dass sie verstanden wird“, ruft sie. Das finden auch die Menschen in der Schachthalle. Petry versteht es, in kurzen Sätzen kräftige Aussagen zu machen – das Publikum erkennt problemlos jede Klatschpause.

Es applaudiert auch, als Petry Einblicke in den Maschinenraum der AfD gibt. „Wir brauchen eine komplette Staatsreform“, um Probleme der Rente, der Krankenversicherungen, der Familienpolitik zu lösen, sagt sie. „Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass wir noch nicht mit jeder Idee an die Öffentlichkeit gehen, die wir gerade entwickeln.“ Es ist eine Haltung, mit der AfD-Politiker auch in Sachsen-Anhalt oft kokettieren: Landeschef André Poggenburg hatte im Landtag gesagt, die AfD müsse als Opposition glücklicherweise vorerst keine Lösungen präsentieren.

Poggenburg fehlt in Helbra - was zur Lesart passt, dass er als Verbündeter des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke eher zum Petry-kritischen Lager gehört. Auch sonst bleiben innerparteiliche Streitigkeiten an diesem Tag außen vor. Manipulierte Wahllisten in Nordrhein-Westfalen? Verbindungen zur neuen Rechten? Die Bürger in Helbra haben an diesem Tag keine Fragen dazu, in welche Richtung sich die Partei entwickeln wird.  (mz)