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Mord in Dessau Yangjie Li: Bringt der Prozess nach dem Mord in Dessau Gerechtigkeit

Von Lisa Garn 24.11.2016, 11:45
Mit Kerzen und Blumen ist der Fundort der Leiche geschmückt.
Mit Kerzen und Blumen ist der Fundort der Leiche geschmückt. Sebastian

Dessau-Rosslau - Dieser Mordfall hat die Öffentlichkeit weit über die Region hinaus erschüttert: Vor sechseinhalb Monaten ist die Leiche der 25-jährigen Studentin Yangjie Li in Dessau in einem Gebüsch gefunden worden. Die Chinesin war vergewaltigt und so schwer misshandelt worden, dass sie zunächst nicht identifiziert werden konnte.

Angetan haben soll der jungen Frau dies ein Pärchen: Der damals 20-jährige Sebastian F. und die gleichaltrige Xenia I. Sie sind nun wegen gemeinschaftlichen Mordes und Vergewaltigung angeklagt. Wird es Gerechtigkeit geben für Yangjie Li? An diesem Freitag beginnt vor dem Landgericht Dessau der Prozess. Die MZ gibt dazu einen Überblick:

Das Opfer: Am Abend des 11. Mai verließ Yangjie Li ihre Wohngemeinschaft, um joggen zu gehen. Die sportliche junge Frau ging fast täglich laufen. Doch an diesem Abend kehrt sie nicht zurück. Eine riesige Suchaktion mit Hubschraubern, Hunden und hunderten Polizisten beginnt am Folgetag.

Aber erst am 13. Mai wird Yangjie Li gefunden. Schwer misshandelt, teils unbekleidet: Wie achtlos weggeworfen liegt die Leiche der jungen Frau hinter einem Gebüsch nicht weit von ihrer Wohnung. Yangjie Li starb 7 500 Kilometer entfernt von ihrer ostchinesischen Heimat Henan. Dort hatte sie bereits erfolgreich studiert.

Die zusätzlichen Architekturstudien in Dessau sollten ihr dank der Verbindung zum berühmten Bauhaus Türen öffnen. Statt dort eine verheißungsvolle Zukunft zu begründen, wird sie grausam ermordet.

Die Tatverdächtigen: Ein Dessauer Paar, das in der Nähe von Yangjie Li gewohnt hat, soll sie getötet haben: Sebastian F. und Xenia I., heute 21 und 20 Jahre alt. Sebastian F. ist wie Yangjie Li ein Polizistenkind.

Im Unterschied zu Yangjie Li soll Sebastian F. aber auch schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein. Er soll bereits zuvor eine Frau vergewaltigt haben, die sich aus Angst aber nicht an die Behörden wandte.

Außerdem sollen gegen den jungen Mann in der Vergangenheit Ermittlungen unter anderem wegen Körperverletzung und Brandstiftungen geführt worden sein. Von Xenia I., sie ist Mutter zweier kleiner Kinder, ist derlei nicht bekannt. Die Anklage geht davon aus, dass Yangjie Li unter Vortäuschung eines Notfalls in die Falle gelockt, missbraucht und getötet wurde.

Das Paar war ins Visier der Ermittler geraten, weil an Yangie Lis Leichnam fremdes Genmaterial gefunden worden war. Sebastian F. räumte gegenüber den Ermittlern ein, dass die DNA-Spur von ihm stammen könnte: Weil Yangjie Li angeblich freiwillig mit dem Paar Sex gehabt - und danach lebend deren Wohnung verlassen habe. Die Ermittler halten diese Version für unglaubwürdig.

Die Richterin: Die Wahrheit herausfinden soll die Vorsitzende Richterin Uda Schmidt. Sie hatte bereits zuvor mit spektakulären Verfahren zu tun. Für einen erkrankten Kollegen hat sie Anfang 2013 den Prozess gegen fünf Litauer übernommen, die angeklagt waren, von einem Parkplatz an der A 9 den Münchner Ulf M. entführt und später getötet zu haben.

Sie hatte es damals mit gleich zehn Verteidigern zu tun, die im Gegensatz zu ihr mit großen Verfahren vertraut waren - und auf Konfrontation gingen. Vermeintliche Verstöße gegen die Strafprozessordnung wurden gerügt, Beweise angezweifelt: Eine Zermürbungstaktik, durch die das Gericht erkennbar zu Fehlern verleitet werden sollte, um eine eventuelle Revision vorzubereiten.

Am Ende stand ein Urteil, das als Kompromiss interpretiert wurde, als Angebot an beide Seiten. Vergeblich, der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil.

Die Anklage: Bisher sollen die Tatverdächtigen geschwiegen haben. Zwei Staatsanwälte müssen nun Indizien, Zeugenaussagen und Beweise zu einer lückenlosen Kette zusammenfügen.

Heike Kropf gehört zu den Staatsanwältinnen, die hartnäckig sein und ungemütlich werden können, wenn sie meinen, ein Zeuge mauert. Ihr Kollege Ulf Lenzner, erst vor einigen Monaten von Halle nach Dessau gekommen und hier nun stellvertretender Behördenchef, hatte in Dessau vor allem mit aufwendigenWirtschaftsverfahren zu tun.

Die Verteidigung: Auf der Gegenseite nehmen vier Verteidiger Platz: Marko Bennewitz, Klaus Rumpf, Rüdiger Klose und Christine Inselmann. Sie kommen aus verschiedenen Kanzleien, sind allesamt aber sehr erfahrene Strafverteidiger.

Mandate in Kapitalverbrechen übernehmen diese Rechtsanwälte seit Jahren nicht nur in der Region. So vertritt ein Anwalt gerade die Interessen eines überlebenden Opfers im Sexmord-Prozess von Höxter. Ein weiterer kann auf Erfahrungen als Verteidiger in einem Mauerschützen-Prozess verweisen.

Im Fall Yangjie Li fungiert das Quartett als Pflichtverteidiger. Um auf Nummer sicher zu gehen, bestellt das Gericht für jeden Angeklagten zwei Verteidiger. Wenn einer verhindert ist oder erkrankt, kann das Verfahren weiter gehen.

Die Nebenklage: Der erfahrene Strafrechtler Sven Peitzner vertritt den Vater Yangjie Lis. Der 48-jährige Anwalt hat 2014 die Eltern der 14-jährigen getöteten Alyssa in Brandenburg vertreten, war Nebenklage-Vertreter im U-Bahnschubser-Fall, bei dem Anfang dieses Jahres eine 20-Jährige in Berlin vor eine U-Bahn gestoßen worden war.

Doch der Mord an Yangjie Li hat in seiner Brutalität auch Peitzner entsetzt. „Wir wollen, dass die Täter bei einem Nachweis der Schuld angemessen bestraft werden. Bei dieser Beweislage sehe ich eine Verurteilung als wahrscheinlich.“ Die Höchststrafe für Mord liegt im Jugendstrafrecht – die Angeklagten gelten als Heranwachsende - bei einer besonderen Schwere der Schuld bei 15 Jahren, im Erwachsenenstrafrecht bei lebenslang.

Die Angeklagten sollen brutal und hinterhältig vorgegangen sein, sagt Peitzner. „Und man hat nicht den Eindruck, dass das aus der Situation heraus geschehen ist, sondern geplant war.“ Es sei allem Anschein nach gezielt ein Notfall vorgetäuscht und Hilfsbereitschaft von Yangjie Li ausgenutzt worden.

Der Anwalt will auch die Rolle der Polizei und der Eltern des Angeklagten hinterfragen. Dessen Stiefvater war Chef des Dessauer Polizeireviers, die Mutter hat in der Polizeidirektion gearbeitet. Beiden war vorgeworfen worden, Ermittlungen beeinflusst zu haben.

Der Verdacht einer Strafvereitelung im Amt hat sich laut Staatsanwaltschaft Magdeburg aber nicht bestätigt. „Es ist ein Nebenaspekt“, sagt Peitzner. Aber die Eltern des Opfers „wollen wissen, ob es eine versuchte Strafvereitelung gegeben hat oder ob bei den Ermittlungen schlampig gearbeitet wurde.“ (mz)

Der grausame Mord an der chinesischen Studentin Yangjie Li hat die Öffentlichkeit schwer erschüttert.
Der grausame Mord an der chinesischen Studentin Yangjie Li hat die Öffentlichkeit schwer erschüttert.
Ruttke/MZ