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DNA-Analysen LKA Sachsen-Anhalt: So analysieren die Spezialisten DNA-Spuren

Von Jan Schumann 24.11.2016, 12:00
Eine spezielle Lampe macht Blutspuren sichtbar. Mehr als 5 000 Fälle wird das LKA in diesem Jahr untersucht haben.
Eine spezielle Lampe macht Blutspuren sichtbar. Mehr als 5 000 Fälle wird das LKA in diesem Jahr untersucht haben. JS

Magdeburg - Als die Polizeiwagen im März 2005 durch Möckern im Jerichower Land fuhren, fühlte sich Sven B. noch sicher. Denn mit diesem Wohnhaus-Einbruch hatte er nichts zu tun, sagte er, und auch nicht mit der gestohlenen Flinte.

Die Polizei suchte Täter, suchte Hinweise. Als die Ermittler Sven B. um eine freiwillige Speichelprobe baten, willigte der 23-Jährige ein. Warum nicht? Nichts als seine Unschuld würde das Ergebnis sein.

Drei Monate nach dem Einbruch landete das Plastikröhrchen samt Probe in den Laboren des Landeskriminalamtes (LKA). Wenige Tage später war aus Sven B. schlagartig der Hauptverdächtige im Mordfall Anja Blum geworden.

Es war einer der grausamsten und spektakulärsten Fälle in Sachsen-Anhalts Kriminalhistorie. Anja Blum, 20, war tot und nackt aus einem See geborgen worden. Vier Kilometer Luftlinie zu ihrem Wohnort. Von einem Discobesuch war sie nicht nach Hause gekommen. Die gefundene Leiche war mit Steinen beschwert, sie sollte am Grund des Sees liegen bleiben.

Dann kam die DNA-Probe im Einbruchsfall. In den Laboren erkannten die Spezialisten in Magdeburg Übereinstimmungen mit Erbgut-Material, das auch an einem Slip von Anja Blum haftete. Sven B. stritt zunächst ab, der Richter urteilte ein Jahr später „lebenslang“. Auf eine Revision verzichtete B.

Ergebnisse von DNA-Analysen werden für Polizeiarbeit immer wichtiger

Gegen die Urteile aus den LKA-Laboren gibt es kaum einen Widerspruch. DNA lügt nicht. „Und die Wichtigkeit der Analyse nimmt in der Polizeiarbeit weiter zu“, sagt Dezernatsleiterin Uta Pich.

Das zeige allein der Anstieg der Fälle, die hier jährlich untersucht werden: 2012 waren es rund 4 200, im Jahr 2016 erwartet sie deutlich mehr als 5 000. Einer der Fälle: der Mord an der Chinesin Yangjie Li in Dessau.

Im Fall Anja Blum wurden Sperma-Spuren untersucht, und auch im Fall Yangjie Li wird dies eine Rolle spielen. Reden dürfen die Experten im Labor darüber nicht. Fünf Sachverständige arbeiten hier, darunter promovierte Biologen, dazu Labormitarbeiter.

„Früher brauchte man noch sehr viel mehr DNA-Material, um eine Spur auswerten zu können“, sagt Andrea Wächter, eine der Experten im Analyseteam. Heute reichen fünf, sechs Körperzellen, um stichhaltige Aussagen zu treffen und Menschen beinahe zweifelsfrei per DNA zu identifizieren, sagt sie.

Um aussagekräftige Gutachten zu schreiben, wird das Analysematerial im LKA-Labor künstlich vervielfältigt. So wird die DNA aus den zuvor isolierten Zellen - Sperma, Blut, Haar- oder etwa Körperzellen - technisch nachgebaut.

Im LKA-Büro stehen dafür Apparate bereit, die quasi mit Erb-Rohmaterial betankt sind und jede erdenkliche Erbgut-Sequenz nachkonstruieren können - so lange sie menschlich ist. „Diese Menge können wir dann analysieren, auslesen und für Datenbank-Abgleiche nutzen“, so Wächter. „Im schnellsten Fall haben wir Ergebnisse in 24 Stunden.“

DNA-Untersuchungen im Landeskriminalamt müssen schnell gehen

Und schnell gehen muss es immer wieder. „Untersucht werden bei uns vor allem Kapitalverbrechen und Fälle, in denen Menschen in Haft sitzen“, sagt LKA-Direktor Jürgen Schmökel. „Oft geht es darum, zügig Entscheidungen fällen zu können.“

Das Geräterepertoire dafür: unter anderem Teststreifen für Menschenblut, Spezial-Licht zur Bestimmung von Sperma und die Computer zum Auslesen der DNA. Dabei reizt die Polizei in Deutschland bei weitem nicht die Möglichkeiten aus, die der Stand der Forschung heute erlauben würde.

„Es gibt hoch entwickelte Verfahren, mit denen man aus DNA theoretisch sehr viele Daten ziehen könnte“, so Wächter, „von Haar- und Augenfarbe zum Alter, der Körpergröße und der Frage, ob derjenige Europäer oder Asiate ist“.

All dies wird jedoch in Deutschland nicht erhoben. „Das sind die ethischen Grenzen, die die Rechtsprechung vorgibt“, sagt LKA-Direktor Schmökel. „Wir hätten ansonsten den gläsernen Menschen.“ Denn was wäre, wenn einfach jeder Mensch schon bei Geburt eine DNA-Probe für die Datenbank abgeben würde?

„Dann hätten wir einen Staat mit Generalverdacht“, sagt Schmökel. Stattdessen werden in der DNA-Datei nur Personen gespeichert, bei denen eine Prognose vorliegt, nach der sie künftig weitere Straftaten begehen könnten. (mz)