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Kandidaten-Check Frank-Walter Steinmeier: Kann Steinmeier ein Bundespräsident sein?

Von Steven Geyer 07.06.2017, 09:12
Frank-Walter Steinmeier
Frank-Walter Steinmeier dpa

Berlin - Gauck will nach eigener Aussage nicht noch einmal Bundespräsident Deutschlands sein. Könnte Steinmeier diese Rolle ausfüllen? Was unsere Autoren dazu denken:

Er kann auch Klartext

Von Steven Geyer

Der nächste Bundespräsident wird kein Schönwetterpräsident sein können: Trump, Putin, Erdogan, Brexit – viel Ego, wenig globale Zusammenarbeit, schlechte Zeiten für die liberale Demokratie. Auch hierzulande droht eine Ära des Populismus, enttäuschte Wähler wenden sich von der Politiker-Kaste und ihrem Bürokratensprech ab.

Das Problem ist nur: Es ist unmöglich, diesen beiden Gefahren für unsere liberale Demokratie mit derselben Lösung zu begegnen. Soll ein Bundespräsident so dumpfe Stärke zeigen wie Putin und Erdogan, auf  Solidarität und Menschenrechte pfeifen wie Trump und AfD? Kann er die politische Kompetenz ausstrahlen, die die Welt von Europas führender Industrienation erwartet – und zugleich volksnah reden und auf verängstigte Deutsche eingehen? Immerhin: Steinmeier hat Talent zu beidem.

Er spricht oft Politjargon, der so verschachtelt wie unverständlich sein kann. Er hat aber auch schon selbsternannte Friedensbewegte angebrüllt, sie machten es sich zu einfach. Er hat als Außenminister westliches Säbelrasseln gegenüber Russland kritisiert und den gewählten Präsidenten Trump „Hassprediger“ genannt.

Wenn es ihm gelänge, seine Haltung zu bewahren und Seriosität und Klartext in Balance zu bringen – etwas Hillary, etwas Trump – wäre er in diesen Zeiten der beste Mann für den Posten. Ein Hoffnungszeichen: Keinen anderen wünschen sich so viele Deutsche an die Staatsspitze.

Teil des Apparats

Von Jochen Arntz

 Wer Frank-Walter Steinmeier einmal in einem Saal voller Menschen erlebt hat, wer ihn auf dem Podium gesehen und seine, nach einem Moment Warmlaufzeit,  zugewandte Sprache gehört hat, der weiß: der Mann kann repräsentieren. Keine Frage.

Die Frage ist nur, was repräsentiert er? Und damit beginnt das Problem. Steinmeier ist eigentlich für jedes wichtige Amt in dieser Republik die richtige Wahl –  seine Kür jetzt ist aber das falsche Signal. Warum? Weil er der beste Kandidat einer ganz großen Politik-Koalition ist und damit der beste Mann aus dem Betrieb. Eines Politik-Betriebes aber, dem viele Menschen – zu Recht oder zu Unrecht – skeptisch gegenüberstehen. Auch deshalb, weil sie zu oft die gleichen Leute in immer neuen Ämtern erleben; Menschen, die ihr ganzes Leben in der Politik verbracht haben.

Das war bei Joachim Gauck anders, und es war damals eine gute Entscheidung, keinen weiteren Referenten der Bundesrepublik zum Präsidenten zu machen. Heute wäre es noch wichtiger, diesem Weg zu folgen.  Denn das, was der neue Präsident vor allem können sollte, kann Steinmeier – bei allem Respekt – nicht. Ein Politiker mit seiner Biografie als Minister, Kanzleramtschef, Geheimdienstkoordinator, ist als Kämpfer gegen Politikverdrossenheit  schwer zu vermitteln.  Er kann dieses Land nicht mit dem Blick von außen bereichern, er kann nicht unabhängig auf die Regierenden blicken, er ist und war ein Regierender. Und dort, in einer Regierung, kann er dem Land mehr geben als im Schloss Bellevue. 

Mann mit Charakter

Von Anja Reich

Das Amt des Bundespräsidenten ist ein Schleudersitz, wie wir seit Köhler und Wulff wissen. Deshalb finde ich es egal, ob Mann oder Frau, Ost- oder Westdeutscher, wer dieses Amt bekleidet, muss vor allem bodenständig und krisenfest sein. So wie Frank-Walter Steinmeier: Er ist Rolling Stones Fan, sein Vater war Tischler, seine Mutter Forstarbeiterin, er ist mit Matthias Platzeck befreundet, sein Wahlkreis ist in Brandenburg an der Havel, er hat seiner Frau eine Niere gespendet, seine Frau ist toll, er raucht heimlich, er baut Ikea-Regale auf, er konnte Donald Trump nicht zum Wahlsieg gratulieren. 

Manche finden das mit Trump schwierig. Ich finde, es hat Charakter. Und Leute mit Charakter braucht man in der Politik. Heute  ganz besonders.

Ich habe Frank-Walter Steinmeier vor ein paar Jahren begleitet, als er  gegen Angela Merkel antrat. In den Umfragen lag er weit hinter ihr, aber ihm machte das nichts aus. Er flog von Termin zu Termin, sagte, wofür er steht und wirkte dabei so gelassen, als gehe es ihm gar nicht um den Sieg, sondern eher um die Erfahrung.

In der Alten Försterei tanzte er gegen rechts. Was heißt tanzen! Steinmeier sieht aus wie ein Bär und tanzt auch so. Von einem Fuß auf den anderen. Ein alter WG-Freund berichtete, er habe immer den Abwasch gemacht. Seine Frau erzählte, wie sie  endlich mal einen Abend für sich hatten, und dann kam eine Steinmeier-Dokumentation im Fernsehen! Alle waren so wunderbar normal, und ich dachte, dass Steinmeier nie Kanzler werden wird. Ich hatte Recht. Jetzt denke ich, Bundespräsident wäre genau das Richtige für ihn. Ich hoffe, ich werde Recht behalten.

Schon wieder keine Frau

Von Maritta Tkalec

Na und? Steinmeier ist beliebt, er kann alles, was ein Präsident können muss. Seine Vorzüge hat Anja Reich  hinreichend beschrieben. Seine hormonelle und körperliche Ausstattung spielt keine Rolle. Frau aus Prinzip ist kein hinreichender sachlicher Grund. Ich denke eben so wenig daran, sexistisch gegen einen Mann zu argumentieren wie ich eine Frau wegen ihres Geschlechtes abgelehnt hätte.

Gab es auch präsidiable  Frauen? Durchaus. Monika Grütters zum Beispiel – aber die wird für Wichtigeres gebraucht. Oder Ursula von der Leyen – aber die glaubt, dass sie für Wichtigeres gebraucht wird.  Es wird für jede Kandidatin Gründe gegeben haben, warum sie als Schlossherrin nicht wollte/ passte. Eine Front gegen eine Frau im Präsidialamt gab es weder im politischen noch im gesellschaftlichen Bereich. Im übrigen  danke allen Beteiligten, dass sie darauf verzichtet haben, einen Pastor oder eine Pastorin  zu wählen.   

In den heraufziehenden aufgeregten Zeiten tut  Steinmeiers Ruhe wohl, irgendwie ist er einem vertraut.  Die Fähigkeit, Leute durch Reden zu sedieren  hat er ebenso wie die Kunst beherrscht, das Publikum bei Bedarf zu wecken.  Muss man beides können.

Interessant finde ich die  Perspektiven, die sich mit Elke Büdenbender als Frau des Präsidenten zeigen. Vielleicht hat sie die Statur, mit den altbackenen Formen zu brechen, die  von der Gattin verlangen, unbezahlt dem Staat zu dienen. Das ist diskriminierend und betraf bislang immer eine Frau. Sie sagt, sie habe ihren eigenen Beruf (Richterin). Will heißen: Charity ist nicht das einzig Mögliche. Merkel-Mann Sauer zeigt, wie das geht.