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Schreck lass nach Grusel-Clowns: So kam der Trend aus den USA nach Deutschland

Von Oliver Müller-Lorey 29.10.2016, 08:00

Leipzig - In einer alten Kürbiskiste, die langsam Moos ansetzt, liegt ein Skelett und schaut den Besuchern geradewegs in die Augen. Ein paar Hundert Meter weiter bilden etwa 50 orangefarbene und grüne Kürbisse in allen Größen ein Grusel-Gesicht.

Über eine kindshohe Hexenhütte klettert eine überdimensionale haarige, braun-schwarze Vogelspinne, die sich auf die Besucher zu stürzen scheint - 25 Tage lang haben Mitarbeiter den Freizeitpark Belantis bei Leipzig für die große Halloween-Party geschmückt: 850 Kürbisse und 350 Quadratmeter Spinnennetze säumen die Wege zwischen Achterbahnen, Karussells und Pyramiden. Strohpuppen und Zombies sollen die Besucher in Grusel-Stimmung bringen.

Nur eines ist diesmal anders. Erstmals gibt es eine Grusel-Grenze: Horror-Clowns. Kurz vor Beginn eines der umsatzstärksten Wochenenden - dem Halloween-Fest - haben Clowns striktes Hausverbot!

„Halloween ist ein absolut wichtiger Termin und einer der stärksten Tage im Jahr. Wir wollen einen krönenden Saisonabschied“, sagte Parkmanager Bazil El Atassi. „Angesichts der bundesweit wachsenden Besorgnis vor sogenannten Grusel-Clowns erteilt Belantis vorerst ein Verbot für Clown-Kostüme auf dem Gelände“, erklärt die Parkleitung.

Der Oktober sei verregnet gewesen, am Halloween-Wochenende erwarte El Atassi  bis zu 20 000 Besucher. An einem gewöhnlichen Tag würden bis zu 6 000 Gäste kommen. Außerdem wolle der Park sie mit positiven Erinnerungen in den Winter schicken. Umso wichtiger ist es El Atassi, dass Horror-Clowns am Halloween-Wochenende nicht die Besucher verschrecken.

Trend Grusel-Clowns: Auch in Mitteldeutschland treten die bösen Clowns auf

Bis zuletzt hatte der Parkmanager gehofft, dass der Trend - wie zunächst geschehen - nur in Metropolen auftritt. Doch nun ist er auch in Mitteldeutschland angekommen. Mindestens 35 Meldungen registrierte die Polizei allein in Sachsen-Anhalt. In Gardelegen (Altmarkkreis Salzwedel) erschreckten Jugendliche mit Kunstblut und Kettensäge eine Mutter mit ihrem Kind. In Bad Dürrenberg (Saalekreis) lauerte ein als Clown verkleideter Unbekannter einer 22-Jährigen auf einem Parkplatz auf. Sie erlitt einen Schock und wurde medizinisch behandelt. Die Polizei ermittelt wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Deutschlandweit zählte die Polizei zuletzt 370 Zwischenfälle mit Horror-Clowns.

Um zu gewährleisten, dass keine Masken in den Freizeitpark geschmuggelt werden, kontrollieren Sicherheitsmitarbeiter an den Eingängen stichprobenartig die Taschen der Besucher. Dafür hat der Park sein Sicherheitsteam um sechs Mitarbeiter aufgestockt. „Wir haben aber keine Angst, dass etwas passiert“, sagt El Atassi vor dem bevorstehenden Wochenende. Ihm geht es vor allem um die Signalwirkung.

Wegen Horror-Clowns: Läden verkaufen keine Clowns-Masken mehr

Indes reagiert auch der Handel auf den nicht enden wollenden Horror-Clown-Trend. Die beiden großen Kaufhausketten Karstadt und Kaufhof haben Clownsmasken aus ihrem Sortiment gestrichen.

Und auch in kleinen Läden ist die Problematik angekommen. Bettina Thüm, die einen Kostümhandel in Leipzig betreibt, beklagt sich über wegbleibende Kunden. Clownskostüme seien immer gut verkauft worden bevor die Medien über den Trend berichtet haben. „Aber seitdem nicht mehr. Hier im Laden fühlen sich die Kunden so, als würden sie sich outen, wenn sie nach einer Clownsmaske fragen“, sagt sie.

Der Trend verschrecke die Kunden mehr, als dass er ihr zusätzliche Besucher beschere. Halloween-Freunden bietet sie Ausweich-Kostüme, wie Zombie oder Vogelscheuche an. Seit dem Jahr 2005 verkauft Bettina Thüm Kostüme „aber so etwas“, sagt sie „hatten wir auch noch nicht.“

Die ersten Meldungen über Horror-Clowns machten in Nordrhein-Westfalen vor zwei Wochen die Runde. Schnell breitete sich das Phänomen wie ein Flächenbrand in ganz Deutschland aus - auch in Sachsen-Anhalt.

Warum erschrecken Menschen als Grusel-Clowns unschuldige Passanten?

Was Täter dazu bringt, andere Menschen zu erschrecken und teilweise sogar anzugreifen, darüber sind sich Experten einig: Sie haben ein gesteigertes Geltungsbedürfnis, meint Thomas Bliesener, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Er sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Clowns und der Berichterstattung.

„Für viele Leute ist das Motiv, in den Medien aufzutauchen“, so der Kriminologe. Er vergleicht Menschen, die sich als Horror-Clown verkleiden, mit Brandstiftern und Steinewerfern, für die es eine Befriedigung sei, in der Zeitung von ihren Taten zu lesen. Sobald die Berichterstattung abebbt, werde sich auch das Phänomen wieder legen, ist Bliesener sich sicher.

Dabei springen Nachahmer in Deutschland auf einen Zug auf, der seinen Ursprung in den USA hat. Lars Koch, Professor für Medienwissenschaft und Experte für amerikanische Popkultur kennt das Horror-Clown-Phänomen aus Amerika. „Im Genre des Horrorfilms und durch Stephen Kings Roman ’Es’ finden diese Leute ein reiches Bilderreservoir“, so Koch.

Den Roman aus den 80er-Jahren sieht er als möglichen Startpunkt für den Trend, Clowns mit Furcht und Schrecken in Verbindung zu bringen. „Aber man müsste auch schauen, ob ein Clown mit seinen maskierten Gesichtszügen und nicht lesbarer Mimik nicht schon immer unheimlich war.“

Im Jahr 2012 hatte ein als „Joker“, der Gegenspieler der Comicfigur Batman, verkleideter Amokläufer in einem amerikanischen Kino zwölf Menschen erschossen. „Spätestens da ist die Fiktion in echte Gewalkt umgeschlagen“, sagt Koch.

Politik warnt wegen Horror-Clowns vor Sittenverfall

Unterdessen hat sich auch das Innenministerium, das gar von einem „punktuellen Sitten- und Werteverfall“ spricht, eingeschaltet und warnt potenzielle Nachahmer aber auch mögliche Opfer.

„Aus unserer Sicht ist es wünschenswert, wenn Bürger dieses Phänomen nicht nachahmen oder im schlimmsten Fall Selbstjustiz üben“, sagte Ministeriums-Sprecher Christian Fischer.

Der bisher dramatischste Fall, in dem ein Clown selbst verletzt wurde, ereignete sich Anfang der Woche in Berlin, als ein kostümierter 16-Jähriger mit einem Messer niedergestochen und lebensbedrohlich verletzt wurde.

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) warnt deshalb vor einer weiteren Eskalation. „Vermeintlicher Humor ist auch in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht grenzenlos“, sagte er der MZ. Wer Mitmenschen in Angst und Schrecken versetze, bedrohe oder verletze, dem werde das Lachen bald vergehen. Polizei und Justiz würden keinen Spaß verstehen, bekräftigte er am Freitag noch einmal im Landtag.

Und auch die Polizei verliert langsam die Geduld mit den Horror-Clowns. „Ich halte das für einen gefährlichen Trend, wenn Leute bedroht werden“, sagte Uwe Petermann, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er sehe die Gesellschaft aufgerufen, sich dem Trend entgegenzutreten und fordert, die „Auswüchse zu bekämpfen.“

Das scheint tatsächlich langsam zu funktionieren: Im Internet erntete Belantis mit seinem Hausverbot für Clowns viel Zustimmung. Auf der Facebook-Seite des Parks sprachen Nutzer von einer „guten Entscheidung“ und davon, dass ihre Kindern nun wieder beruhigt seien. Kürbisse, Vogelspinnen und Zombies warten schon. (mz)

Grusel-Clowns sind inzwischen nicht mehr gern gesehen.
Grusel-Clowns sind inzwischen nicht mehr gern gesehen.
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