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Fall Hannes S. Fall Hannes S.: Innenminister Holger Stahlknecht fordert härtete Strafen für gewalttätige Fußballfans

Von Jan Schumann 20.10.2016, 18:15
Vor dem Spiel gedachten die HFC-Fans dem verstorbenen FCM-Anhänger Hannes S.
Vor dem Spiel gedachten die HFC-Fans dem verstorbenen FCM-Anhänger Hannes S. Holger John / VIADATA Photo

Magdeburg - Für jene, die seit Jahren für so etwas wie Frieden in der Fanszene kämpfen, war der Fall Hannes S. eine Katastrophe. „Grundsätzlich“, so Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), sei der Runde Tisch gegen Fangewalt im Fußball eine Geschichte des Erfolgs, „erfolgreicher als in vielen anderen Bundesländern“. Doch dann starb Hannes S., Fan des 1. FC Magdeburg, an der Bahnstrecke bei Haldensleben. Im Zug war eine Auseinandersetzung mit Anhängern des Halleschen FC vorangegangen, es steht der Verdacht im Raum, dass er in den Tod getrieben wurde.

Unter diesen Vorzeichen wurde Sachsen-Anhalts Innenminister am Donnerstag deutlich. Um Fälle wie diesen künftig zu verhindern, „muss man sich von manch liberaler Vorstellung verabschieden“. Er sei dafür, dass die Justiz künftig „knallharte Zeichen setze“, wenn es um Fangewalt am Rande von Fußballspielen gehe. „Ich bin der Auffassung, dass der Rechtsstaat da fühlbar werden muss.“ Geld- und Bewährungsstrafen würden nicht immer ausreichen, wenn es um Gewalt in und um Fußball-Stadien gehe.

Hergang im Fall Hannes S. weiterhin unklar

Im Vorfeld des Treffens im Ministerium, für das Vertreter von Polizei, Vereinen und Fanszene nach Magdeburg kamen, hatten aktuelle Zahlen für Unruhe gesorgt. Allein in der Saison 2015/16 waren 92 Menschen im Land am Rande von Spielen verletzt worden, darunter 46 Polizisten. Dies war beinahe eine Verdoppelung der Zahlen des Vorjahres. Stahlknecht sagte am Donnerstag, der Anteil der Fans, denen es um Gewalt statt Sport gehe, sei in Sachsen-Anhalt im Promillebereich - die Fan-Landschaft sei „überwiegend friedlich“. Das Innenministerium hatte zuvor auf MZ-Anfrage Zahlen vorgelegt, nach denen es in der Saison 2015/16 ausschließlich bei Spielen des Halleschen FC und des 1. FC Magdeburg zu Verletzten kam.

Mit Blick auf das anstehende Drittliga-Derby zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem Halleschen FC am 26. November hofft Stahlknecht zwar, dass der Fall in großen Teilen geklärt ist. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit wegen schweren Landfriedensbruch und Totschlag. Allerdings wissen die Behörden nach wie vor nicht, wie es zum Tod des Fans kam, so der Minister - wenngleich an mehreren Enden des Falls gearbeitet wird.

Eisenbahn-Bundesamt erstellt Gutachten am Unfallort

Zum einen ermittelte die Polizeidirektion Nord in Magdeburg zuletzt rund 30 Anhänger des Halleschen FC, die in dem Zug fuhren, als Hannes S. stürzte. Die Fans werden in den kommenden Tagen durch Polizisten vernommen. Dabei wird es vor allem und die Frage gehen, was in den Sekunden vor dem Sturz in dem Abteil passierte.

Zum anderen hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg ein Gutachten beim Eisenbahn-Bundesamt in Auftrag gegeben. Dabei geht es um die Frage, ob und wieso es während Fahrt möglich war, die Zugtür zu öffnen. Das Bundesamt teste dies auch vor Ort, wie es auf MZ-Anfrage heißt. Das Gutachten liegt noch nicht vor, das Amt schweigt zu den bisherigen Ergebnissen. Ein Sprecher stellt jedoch klar, dass „das Öffnen von Türen während der Fahrt im Notfall“ grundsätzlich möglich sei. Stahlknecht sagte zudem, es werde derzeit Videomaterial ausgewertet, „soweit dies möglich ist“. Konkreter wurde er nicht. Bisher war bekannt, dass es keine auswertbaren Bilder der Tat gibt.

In Magdeburg verabschiedete der Runde Tisch eine Erklärung, die auch die Vertreter der beiden Drittlige-Vereine mittragen. Die Erklärung lobt den Aufruf der Magdeburger Ultras zur Besonnenheit und die gezeigte Anteilnahme der halleschen Fans nach Hannes’ Tod. „In dieser schwierigen Situation besonnen zu reagieren, ist der richtige Weg und ein Schritt hin zu einer längst notwendigen Deeskalation.“ Der Runde Tisch werde sich für eine „nachhaltige Verhaltensänderung“ zwischen den beiden großen Fanlagern im Land einsetzen. „Die deutschlandweite Reaktion auf das entsetzliche Ereignis zeigt die große Betroffenheit unter allen Fußballfans Deutschlands und macht deutlich, dass ein grundsätzliches Umdenken in den Fanszenen notwendig ist.“

Die Erklärung im Wortlaut

Erklärung des Runden Tisches „Gegen Gewalt beim Fußball“ zum Tod von Hannes S.

Der Runde Tisch „Gegen Gewalt beim Fußball“ nimmt seine 10. Sitzung am 20. Oktober 2016 im Ministerium für Inneres und Sport zum Anlass, an die Fußballfans in Sachsen-Anhalt erneut den Appell zu richten, sich für Toleranz und gegen Gewalt im Fußball sowie im Sport insgesamt einzusetzen.

Der Tod eines jungen Menschen und Fans des 1. FC Magdeburg macht uns tief betroffen. Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt der Familie von Hannes S. und seinen Freunden. Wir hoffen auf eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse um den tragischen Tod.

Der Runde Tisch begrüßt den Aufruf der Magdeburger Ultras zur Besonnenheit und die gezeigte Anteilnahme der Fanszene des Halleschen FC. In dieser schwierigen Situation besonnen zu reagieren, ist der richtige Weg und ein Schritt hin zu einer längst notwendigen Deeskalation.

Der Runde Tisch würdigt den verantwortungsvollen Umgang der Fans mit der aktuellen Situation und setzt sich für eine nachhaltige Verhaltensänderung zwischen den beiden großen sachsen-anhaltischen Fußballfanszenen ein. Die deutschlandweite Reaktion auf das entsetzliche Ereignis zeigt die große Betroffenheit unter allen Fußballfans Deutschlands und macht deutlich, dass ein grundsätzliches Umdenken in den Fanszenen notwendig ist. Diesen Prozess gilt es von allen Beteiligten im Fußballkontext zu unterstützen. Der tragische Tod von Hannes hat schmerzlich gezeigt, dass Gewalt nichts mit Fankultur zu tun hat.

Sport soll Menschen im fairen friedlichen Wettbewerb miteinander verbinden, ihnen freudvolle Gemeinschaftserlebnisse vermitteln und zur Toleranz in unserer Gesellschaft beitragen. Deshalb appellieren wir an die breite Öffentlichkeit, aber ganz besonders an die Fans, gemeinsam mit uns Sorge dafür zu tragen, dass die sportlichen Wettkämpfe in unserem Land Sporterlebnisse bleiben.