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Kriminalfall von 1988 Nach Aktenzeichen XY: Mörder von Daniela aus Querfurt gesucht

Von Katrin Löwe 11.10.2016, 06:00
Eveline Gabert, die Mutter der 1988 ermordeten Daniela, hofft bis heute, dass der Fall aufgeklärt wird. Das Foto mit ihrer Tochter und dem Familienhund entstand zwei Wochen vor ihrem Tod.
Eveline Gabert, die Mutter der 1988 ermordeten Daniela, hofft bis heute, dass der Fall aufgeklärt wird. Das Foto mit ihrer Tochter und dem Familienhund entstand zwei Wochen vor ihrem Tod. Peter Wölk

Obhausen - Als die kleine Christina 1987 auf dem Schulweg in Osnabrück umgebracht wird, ist Uwe Hollmann Streifenbeamter in dem Bereich. Er ist nicht in die Mord-Ermittlungen involviert. „Aber das hat hier jeden beschäftigt“, betont er noch heute.

Was Hollmann damals wohl nicht ahnt: Der Fall wird ihn auch nach fast 26 Jahren, dann als Ermittler, nicht loslassen. Bis moderne Untersuchungstechnik und ein Hinweis nach der ZDF-Fahndungsreihe „Aktenzeichen XY...ungelöst“ 2013 endlich den Durchbruch bei der Suche nach dem Mörder bringen. Es sind wohl Fälle wie dieser, welche die Polizei nicht aufgeben lassen.

Mutter von Daniela hofft in Obhausen nach 28 Jahren weiter auf eine Klärung des Mordfalls

Der Durchbruch - auf den wartet mehr als 300 Kilometer entfernt in Obhausen (Saalekreis) auch Eveline Gabert. „Ich möchte endlich einen Abschluss haben“, sagt die 70-Jährige. „Ich sehe nicht ein, dass einer weitermacht, als hätte er nur eine Fliege getötet.“

1988, ein Jahr nach dem Verbrechen an Christina, wird ihre Tochter Daniela ermordet. Ein Mädchen, wie Christina neun Jahre alt. Dani, erzählt ihre Mutter, hat immer gelacht, war die beliebtere ihrer beiden Töchter. Unkompliziert. Sie verschwindet am 25. Juni 1988 auf dem Rückweg von einem Rummelplatz zur 1100-Jahrfeier in Querfurt.

Ein Foto von Daniela mit dem Familienhund steht heute unter anderem in der Diele ihres Elternhauses. Das Bild haben vergangene Woche mehr als fünf Millionen Menschen bei „Aktenzeichen XY...ungelöst“ gesehen, wo der Fall vorgestellt wurde. Schon damals, 1988, hat die Polizei es zur Fahndung genutzt. Entstanden ist es zwei Wochen vor dem Mord.

Der Film, erinnert sich Eveline Gabert, war noch in der Kamera, als die Polizei fragte. Er ist dann offenbar so hastig entwickelt worden, dass die Fotoqualität selbst für damalige Verhältnisse eher dürftig ist.

Der Mörder muss Daniela zwischen Querfurt und Obhausen getroffen haben

Daniela muss ihrem Mörder auf dem so genannten Stadtweg zwischen Querfurt und Obhausen begegnet sein, damals nur ein Feldweg. Eveline Gabert ist mit ihren Töchtern an jenem Tag zunächst auf einem Mittelaltermarkt in Querfurt. Auf dem Rückweg wollen die Mädchen unbedingt noch am Festplatz halt machen. Walzerbahn, Geisterbahn, Autoscooter: Es ist viel los dort, was die Kinder magisch anzieht. Gabert lässt sie dort - verbunden mit der Aufforderung, später gemeinsam über den Stadtweg nach Hause zu kommen. „Hier passierte doch nichts, schon gar nicht auf dem Dorf“, sagt sie.

Die Mordermittlungen zu Daniela sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft Halle im Laufe der Jahre von mehreren Staatsanwälten geprüft worden. Die Jacke des Mädchens mit Anhaftungen von Faserspuren und andere Spuren liegen noch in der Asservatenkammer. Die Akten würden immer auch mit aktuellen Fällen verglichen werden, so die Staatsanwaltschaft. Falls es neue Spuren oder Indizien gäbe, die mit dem Mordfall in Zusammenhang stehen könnten, würden sofort auch wieder neue Ermittlungen aufgenommen.

In dem Fall ein tragischer Irrglaube. Daniela will länger bleiben als ihre zwei Jahre ältere Schwester Sandra, macht sich erst gegen 17 Uhr allein auf den Rückweg. Sie kommt aber nie zu Hause an. Ihre Eltern suchen sie, rufen schließlich die Polizei.

Die findet den Leichnam des Mädchens am nächsten Abend auf einer Wiese nur wenige hundert Meter vom Elternhaus entfernt im hohen Gras.

In den Polizeiakten steht später, dass im Bauchbereich die Kleidung etwas hochgeschoben, der Bauch teilweise unbedeckt war. Und dass „der Fundort wahrscheinlich nicht identisch mit dem Tatort des Verbrechens ist“.

Darauf deuten auch Schleifspuren, Schmutz auf den Rückseiten ihrer Jeanshose, der hellblauen Windjacke und der Socken. Daniela wurde erwürgt. Eine Mischspur aus Blut, Speichel und Sperma am Ärmel ihres T-Shirts deutet auf ein sexuelles Motiv hin.

Kurz nach dem Mord an Daniela wird ein Verdächtiger verhaftet

Kurz darauf meldet die Polizei, dass ein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft sitzt. Monate später kommt er aber frei. Er hat sich in Widersprüche verstrickt, mal gestanden, dann widerrufen. Was er präsentiert hat, sagt Staatsanwalt Klaus Wiechmann bei XY, sei kein Täterwissen. Ein DNA-Abgleich, der Jahre später mit Spuren von der Jacke vorgenommen wird, bringt keine Übereinstimmung.

Eveline Gabert überzeugt das alles nicht, aber Wiechmann sagt bei Aktenzeichen XY: „Dieser Mann war nicht der Täter.“ Der soll nun mit der neuen Fahndung über die ZDF-Reihe gefunden werden. Ob das gelingen kann?

Im Osnabrücker Fall ist es 2013 gelungen. „Ich hatte schon Hoffnung“, erinnert sich Ermittler Hollmann heute. Zum Zeitpunkt der Sendung, fast 26 Jahre nach der Tat, liegt dank moderner Technik immerhin eine DNA-Spur vor. Hollmann selbst ist nun leitender Ermittler in dem Fall. Nach der Sendung erhalten die Beamten einen Hinweis auf einen Mann, der schon in den Akten steht, aufgrund eines vermeintlichen Alibis aber nie in Verdacht geraten ist.

Der Hinweis kommt von einem Zeugen, der in dem Fall noch nicht ausgesagt hat. Das lässt die Ermittler aufhorchen. Es ist ein Treffer. Die DNA stimmt mit der an der Leiche überein, der 45-Jährige gesteht, wird ein Jahr später wegen Mordes verurteilt. Das Gefühl am Tag des Geständnisses zu beschreiben, fällt Hollmann schwer - da war auch viel Erschöpfung, sagt er. „Aber natürlich waren wir froh. Dafür waren wir angetreten.“ Hollmann ist selbst Vater.

Aktenzeichen XY: Oft werden nach der ZDF-Sendung auch alte Verbrechen gelöst

Es ist nicht der einzige Fall, in dem nach langer Zeit eine Klärung gelingt. Als Riesen-Erfolg verbucht die ZDF-Reihe auch die Klärung des Verbrechens an Lolita Brieger. 29 Jahre ist die 17-Jährige verschwunden - bis ein Zeuge 2011 nach einer Aktenzeichen-Sendung erklärt, dem Täter bei der Beseitigung ihrer Leiche geholfen zu haben.

Darauf setzt die Polizei auch nach so vielen Jahren: Dass sich jemand meldet, der doch etwas weiß und sein Gewissen erleichtern will. Oder jemand, dem sich der Täter inzwischen anvertraut hat.

Und Eveline Gabert? „Man hofft immer, aber richtig dran glauben kann ich nicht“, sagt sie heute. Zu viel sei passiert. Zu viele Fragen sind für sie unbeantwortet. Auch die, welche Rolle möglicherweise die Stasi in den Ermittlungen gespielt hat – „wir waren keine linientreuen Bürger“.

Dass das T-Shirt mit den Spermaspuren bei den damals noch viel aufwändigeren Untersuchungen „aufgebraucht“ wurde, sie glaubt es nicht. Ihre Schreiben an die Staatsanwaltschaft habe sie irgendwann eingestellt, sagt Gabert. Sie habe sich abgewimmelt gefühlt. 2006 hat ihr die Behörde noch einmal geschrieben, die Ermittlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft.

Die Tat müsse auch nachweisbar sein, sagt Wiechmann und betont mit Blick auf die XY-Sendung: „Wir lassen keine Ruhe.“ Dass die Situation bisher unbefriedigend sei, „sehen wir auch so“. Mehr als 20 Hinweise seien nun eingegangen, ein Teil bei der Polizei, ein Teil im Studio. „Das hat mich schon erstaunt“, so der Staatsanwalt. Sie reichten bis zu allgemeinen Behauptungen oder gar der Empfehlung, sich an ein Medium zu wenden. Noch würden die Hinweise aber ausgewertet.

Gabert lebt heute noch in dem Haus, das sie damals „für die Kinder gebaut“ hatten, wie sie sagt. Wegziehen sei keine Option. „Und wenn man dreimal um die Erde fährt: Das nimmt man doch alles mit.“ Es blieb für sie zudem nicht bei einem Drama. Ihre ältere Tochter ist drei Jahre nach Danielas Ermordung durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen, ihr Mann starb plötzlich 2002.

Manchmal, wenn sie den großen Garten pflege, frage sie sich schon: „Für wen tust du das eigentlich? Was hast du verbrochen, dass du so gestraft bist?“ Sie sagt aber auch, sie könne nicht Tag und Nacht weinen. „Ich lebe noch und muss das Beste daraus machen.“ Sie lebe durch Verdrängen, so Gabert. Und vielleicht halte sie auch die Hoffnung aufrecht, die Klärung des Mordes noch zu erleben. (mz)

Mit einem Verdächtigen stellte die Polizei den Mord an der Neunjährigen nach, sucht mit einem Plakat Hinweise. Doch Beweise für die Tat wurden nie ermittelt.
Mit einem Verdächtigen stellte die Polizei den Mord an der Neunjährigen nach, sucht mit einem Plakat Hinweise. Doch Beweise für die Tat wurden nie ermittelt.
Repro: T. Krippendorf
Mit diesem Aufruf versuchte die Polizei im Jahr 1988, an Hinweise aus der Bevölkerung zu kommen.
Mit diesem Aufruf versuchte die Polizei im Jahr 1988, an Hinweise aus der Bevölkerung zu kommen.
 Repros: T. Krippendorf