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Mitteldeutsche Eisenbahn GmbH Seit 80 Jahren für die Chemie auf Achse

Von Michael Bertram 14.09.2016, 09:09
Ein Doppelzug mit Braunkohle fährt in den Kohlebunker ein, der das Kraftwerk in Schkopau mit Rohstoffen versorgt. Die Entladung der Waggons dauert mehr als zwei Stunden.
Ein Doppelzug mit Braunkohle fährt in den Kohlebunker ein, der das Kraftwerk in Schkopau mit Rohstoffen versorgt. Die Entladung der Waggons dauert mehr als zwei Stunden. Peter Wölk

Schkopau - Wie ein Kapitän kurz vor dem Entern eines anderen Schiffes steht Dennis Mitter an der vorderen Brüstung der strahlendgelben Rangierlok. Während das tonnenschwere Schienenfahrzeug majestätisch an den dampfenden Produktionsanlagen im Schkopauer Chemiepark vorbeirollt, richtet sich Mitters Blick aufs andere Ende des Gleises, wo er bereits das Objekt seiner Begierde erspäht.

Die Hände des Rangierlokführers liegen währenddessen locker auf einem umgehängten schwarzen Kasten vor seinem Bauch. Auf dem Gerät bewegt er mit seinen Fingern zwei Joysticks in die gewünschte Richtung. Allein mit dieser Fernsteuerung bringt er die Lokomotive der Mitteldeutschen Eisenbahn GmbH (MEG) ans Ziel. Sie soll eine E-Lok von der Wartungshalle an deren Bestimmungsort schleppen. Denn erst dort gibt es Oberleitungen, die ihr eine Alleinfahrt ermöglichen.

Täglich sind es Dutzende Lokomotiven der MEG, die die Produktion in Schkopau am Laufen halten. Sie befördern wichtige Rohstoffe, darunter vor allem Braunkohle, transportieren aber auch die erzeugten Güter zu weiteren Umschlagplätzen. 2,55 Millionen Zugkilometer zählte das Unternehmen im vergangenen Jahr. In den Zügen wurden dabei 19,13 Millionen Tonnen Fracht transportiert. Die beeindruckenden Zahlen belegen: Auch heute noch, 80 Jahre nachdem der erste Gleisanschluss in Schkopau gebaut wurde, ist die Werkbahn unverzichtbar.

Am 25. April 1936 war in Schkopau der Grundstein für die Buna-Werke gelegt worden. Bereits drei Wochen zuvor begann der Bau der Anschlussbahn, deren erster Zug knappe zwei Jahre später rollte. Als Trasse dienten Teile der 1924 stillgelegten Braunkohlengrubenbahn „Pauline“. Das Gleis mündete am damaligen Bahnhof Knapendorf in die Strecke Merseburg-Bad Lauchstädt ein, wie Hans-Dieter Flader und Jürgen Jahnke berichten. In einer Ausgabe der „Merseburger Beiträge“ haben sie die Entwicklung der Logistik am Standort umfassend dargestellt. Schon von Anfang an gingen die Planer demnach davon aus, dass monatlich 14 000 Tonnen Rohstoffe transportiert werden. Zehn Prozent der Mitarbeiter am Standort waren in der Verkehrsabteilung des Werkes beschäftigt. Zu dieser Zeit erfolgte der Transport von Rohstoffen und Gütern noch zu 100 Prozent auf der Schiene, erst viel später kamen Lastwagen und Pipelines als Versorgungswege hinzu.

Wie sich die Werkbahn vom krassen Einschnitt der Wende erholte

Fischgrätenartig durchziehen die Schienenstränge noch heute den Standort. Allerdings sind es nicht mehr so viele Gleise wie früher. „Wir haben jeden Meter Gleis angefasst“, sagt MEG-Geschäftsführer Jürgen Sonntag über die umfassenden Umbau- und Sanierungsarbeiten in den zurückliegenden Jahren.

Die Erneuerung war auch dringend notwendig. Denn vor allem zu DDR-Zeiten arbeitete die Werkbahn nicht effizient genug. Die Flotte war enorm, genauso wie die Zahl der Mitarbeiter, obwohl diese schon auf einen Bruchteil der Anfangszeit zusammengeschrumpft war.

Den krassesten Einschnitt erlebte die Werkbahn wie so viele Bereiche dann mit der Wende. Von den 500 Mitarbeitern war nur noch ein Zehntel da. So viele Bedienstete wurden auch nicht mehr gebraucht, weil mit dem Aus für die Karbidproduktion auch viele Transporte hinfällig wurden. Hinzu kamen die Schaffung des Pipelineverbunds Schkopau-Böhlen und die Verlagerung von Transporten auf die Straße, weil oftmals brauchbare Gleisanschlüsse fehlten.

Die Entscheidung, am Standort neue Kraftwerke zu bauen, war es am Ende wahrscheinlich, was den Fortbestand der Werkbahn garantierte. Die Perspektive, jedes Jahr Zehntausende Tonnen Kohle befördern zu können, hatte zur Folge, dass 1998 die MEG entstand. Sie ist ein Beteiligungsunternehmen der DB Cargo, die 80 Prozent der Anteile hält, und VTG Rail Logistics. Das Betätigungsfeld geht inzwischen weit über den Schkopauer Chemiestandort hinaus, wie Geschäftsführer Jürgen Sonntag erklärt. „Unsere Kunden sind in den neuen Bundesländern, Bayern und den Seehäfen“, sagt er. Darüber hinaus betreibt die MEG eine Schienenfahrzeugtankstelle und führt Wartungen an Lokomotiven für andere Unternehmen durch. „Seit 2000 gab es bei MEG keine betriebsbedingten Entlassungen“, erzählt Sonntag. Im Gegenteil: Die Zahl der Mitarbeiter konnte über die Jahre sogar gesteigert werden.

Und auch für die Kunden ist die MEG als Auftragnehmer interessant. Denn ihre Lokführer werden nach den Tarifen der Chemischen Industrie bezahlt. Streiks wie bei ihren Kollegen bei der Deutschen Bahn sind hier so gut wie ausgeschlossen. (mz)

Rangierlokfahrer Dennis Mitter bringt eine Weiche in die richtige Position.
Rangierlokfahrer Dennis Mitter bringt eine Weiche in die richtige Position.
Peter Wölk
Techniker Daniel Schulz arbeitet einen Wartungsauftrag ab.
Techniker Daniel Schulz arbeitet einen Wartungsauftrag ab.
Peter Wölk
Angesichts des Verschleißes kann man nie genug Achsen auf Lager haben.
Angesichts des Verschleißes kann man nie genug Achsen auf Lager haben.
Peter Wölk
Felix Gauglitz (l.) und Dennis Diedering machen einen Waggon wieder flott.
Felix Gauglitz (l.) und Dennis Diedering machen einen Waggon wieder flott.
Peter Wölk
MEG-Geschäftsführer Jürgen Sonntag
MEG-Geschäftsführer Jürgen Sonntag
Peter Wölk