1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gräfenhainichen
  6. >
  7. Neue Sex-Vorwürfe gegen Lehrer: Neue Sex-Vorwürfe gegen Lehrer in Gräfenhainichen: Schulamt unter Druck

Neue Sex-Vorwürfe gegen Lehrer Neue Sex-Vorwürfe gegen Lehrer in Gräfenhainichen: Schulamt unter Druck

Von Michael Hübner 24.08.2016, 22:19

Gräfenhainichen - Nach der Entlassung eines 46-jährigen Lehrers des Paul-Gerhardt-Gymnasiums in Gräfenhainichen (Landkreis Wittenberg) wegen der sexuellen Belästigung und des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen geraten jetzt sowohl die Schulleitung als auch das Landesschulamt unter Druck. Ihnen wird vorgeworfen, auf entsprechende Hinweise viel zu spät beziehungsweise gar nicht reagiert zu haben.

Lehrer soll im Jahr 2003 bereits auffällig geworden sein

Nach Informationen der Mitteldeutschen Zeitung ist der Lehrer, der zwischen April und Juli zunächst eine 14- und danach eine 17-jährige Schülerin belästigt und missbraucht haben soll, offenbar bereits im Jahr 2003 auffällig geworden. Drei ehemalige Schülerinnen des Gymnasiums berichteten am Mittwoch unabhängig voneinander, dass der Pädagoge bereits vor 13 Jahren dabei beobachtet worden sei, wie er  „mit einer Schülerin auf dem Schulhof vor dem traditionellen Handwagenumzug Händchen hielt“. Zudem habe er nach Aussage der Zeugen Mädchen  nach dem Unterricht privat nach Hause gefahren.

Eine Abiturientin soll daraufhin sogar  eine Lehrerin informiert haben. Daraufhin sei es zwar zu einem Gespräch mit der Schulleitung gekommen. „Es wurde nicht ernst genommen und unter den Tisch gekehrt.  Wir sollten nicht solche Unwahrheiten erzählen. Es ist traurig, das es nun so weit kommen musste“, sagt die Zeugin von 2003. Der Direktor des Gymnasiums, der die  Schule offenbar bereits vor 13 Jahren leitete, reagierte am Mittwoch bis zum späten Abend nicht auf entsprechende Nachfragen der MZ.

Vorwürfe der Eltern

Ähnliche Vorwürfe erheben auch die Eltern der 14-Jährigen, die jetzt missbraucht worden sein soll, an das Landesschulamt. Sie hatten zufällig eindeutige Whats-App-Nachrichten des Pädagogen an ihre  Tochter entdeckt und meldeten dies sofort - im April 2016 - der Schulleitung. Doch wochenlang - so der Vorwurf - sei nichts passiert. „Was uns in Rage bringt“, sagt der Vater, „ist, dass der Mann unser Kind zunächst weiter unterrichten durfte.“

Was ein Kinderpsychologe zum Fall sagt

Ähnlich schätzt Johannes Nieden-Keste den Fall ein. „Das geht überhaupt nicht“, sagt der Wittenberger Kinderpsychologe. Nach Auffassung des Experten hätte der Pädagoge bis zur Klärung der Vorwürfe die Klasse des Mädchens überhaupt nicht mehr unterrichten dürfen. Dafür hätte durch die zuständigen Behörden sofort eine Vertretung organisiert werden müssen, so der Psychologe. Der Umgang mit Schutzbefohlenen sei sehr sensibel. Der Psychologe empfiehlt Lehrern selbst bei  Vier-Augen-Gesprächen im Unterrichtsraum darauf zu achten, dass die Türen immer geöffnet sind. „So entstehen gar nicht erst Gerüchte“, so Nieden-Keste, der das  Verhalten   der betroffenen Eltern lobt. Es sei richtig, dass Mütter und Väter die Aktivitäten ihrer Kinder in den sozialen Medien beobachten. „Dazu offen das Gespräch suchen und sich auch mal Nachrichten zeigen lassen“, rät der Psychologe.

Kritik, dass die Entscheidungswege im Landesschulamt von der Meldung des Vorfalls im April bis zur Kündigung im Juli viel zu langsam waren und ob bei einer schnelleren Entscheidung der sexuelle Übergriff auf eine 17-Jährige im Juli durch eine schnellere Reaktion  der Behörde hätte verhindert werden können, weist die Behörde zurück. Es sei unmittelbar reagiert und „eine angemessene Entscheidung“ getroffen worden, so ein Sprecher des Amtes. Auch nach Auffassung des Magdeburger Kultusministeriums gibt es nichts zu beanstanden. „Das Landesschulamt hat im Rahmen der Möglichkeiten gehandelt“, so Pressesprecher Stefan Thurmann. (mz)