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Kulturhauptstadt Halle? Kulturhauptstadt Halle?: Vorsichtige Zustimmung und deutliche Kritik der Stadträte

19.08.2016, 14:00
In üppiger Blüte stehen die Beete vor dem Opernhaus in Halle. Die Stadt möchte gerne die Kulturkrone, aber auch Magdeburg macht sich Hoffnung auf den Titel.
In üppiger Blüte stehen die Beete vor dem Opernhaus in Halle. Die Stadt möchte gerne die Kulturkrone, aber auch Magdeburg macht sich Hoffnung auf den Titel. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Halles Bewerbung um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt ist bisher vor allem eine Idee des Oberbürgermeisters Bernd Wiegand (parteilos). Um Wirklichkeit zu werden, bedarf sie der Zustimmung des Stadtrates. Ob der allerdings, wie vom Stadtoberhaupt gewünscht, tatsächlich auf seiner Septembersitzung das Rathaus mit der Erstellung eines Grobkonzeptes beauftragt, dahinter muss nach den ersten Reaktionen aus den Ratsfraktionen zumindest ein Fragezeichen gesetzt werden, denn vorsichtige Zustimmung mischt sich darin mit deutlicher Kritik.

Die kommt vor allem von Seiten der SPD und CDU, die nach eigenen Aussagen am Donnerstagnachmittag von Wiegands Vorstoß überrascht worden seien. „Ich halte diese reflexartige Reaktion des OB für suboptimal, aber sie überrascht mich nicht. Diese Art vordemokratischer Alleingänge zu unternehmen, kennen wir seit Beginn seiner Amtszeit“, kritisiert SPD-Chef Johannes Krause und sieht die Bewerbungsankündigung damit als Reaktion auf die jüngste Diskussion zwischen Magdeburg und Halle um die kulturelle Vorherrschaft im Land. Er hätte sich gewünscht, dass Wiegand seine Idee vorab schon einmal zumindest mit den Fraktionsvorsitzenden besprochen oder im Hauptausschuss in der kommenden Woche zur Diskussion gestellt hätte, um politische Positionen einzuholen, bevor er an die Öffentlichkeit geht: „Instrumente dafür habe es genug gegeben.“

Krause stört auch, dass Wiegands Vorstoß weder mit dem Land noch mit Magdeburg, das eine Bewerbung seit Jahren vorbereitet, abgesprochen sei. Er fürchtet, dass eine Konkurrenzbewerbung die Zwietracht mit der Landeshauptstadt wiederbeleben könnte.

CDU: Schlechte Chancen auf Landesunterstützung

Ähnlich äußert sich auch CDU-Fraktionschef Bernhard Bönisch: „Ich halte es für nicht richtig, gegen eine Stadt aus dem eigenen Land anzutreten.“ Er rechnet sich schlechte Chancen auf eine Unterstützung der Bewerbung durch das Land aus, da man nun eben die Zweiten seien. Auch er hätte sich eine Absprache mit den Ratsfraktionen gewünscht, bevor man die Idee in die Welt setzt: „Aber wir werden das jetzt im Rat diskutieren.“

Dort erklärt sich zumindest die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion Katja Müller der Bewerbungsidee gegenüber aufgeschlossen. „Ich finde sie nicht ganz unsympathisch. Allerdings muss man fragen, was das konkret bedeutet, welche Kosten damit etwa verbunden sind.“ Eine Frage zu der sich Wiegand bisher nicht konkret äußern mochte. Eine Vergleichszahl liefert jedoch Magdeburg. Für die Vorbereitung der dortigen Bewerbungskampagne sind bis 2019 vier Millionen Euro veranschlagt.

Linke: Halle hat das Zeug zur Kulturhauptstadt

Doch auch Müller nennt die am Donnerstag vom Rathaus per Pressemitteilung verkündete Bewerbungsidee einen Schnellschuss. Allerdings habe die Reaktion von Lutz Trümper auf diesen, bei ihr dafür gesorgt, das Thema zu befeuern. Magdeburgs Oberbürgermeister hatte in einer ersten Reaktion erklärt: „Was diese selbst ernannte Kulturhauptstadt Halle da macht, interessiert mich überhaupt nicht.“ Müller ist sich sicher, dass es zu Kappelleien führen könnte, wenn sich beide großen Städte um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt bewerben sollten. Aber die Debatte können ja auch ganz erfrischend sein. Die Linkenpolitikerin schlägt sich hierbei eindeutig auf die Seite der Saalestadt. Die habe kulturell mehr zu bieten als Magdeburg, sei vielfältiger und: „Hat qualitativ auf jeden Fall das Zeug zur Kulturhauptstadt.“

Auch Grünenfraktionschefin Inés Brock sieht durchaus Vorteile einer Bewerbung: „Es kann immer positive Energie freisetzen, sich in den Wettbewerb mit anderen Städten zu stellen.“ Dies habe die Begeisterung in Bevölkerung für die Bewerbung um den Unesco-Welterbetitel für die Franckeschen Stiftungen. Allerdings käme die Initiative überraschend, da Versuche ihrer Fraktion, Fördermittel für den Kulturbereich zu erhöhen, von der Verwaltung stets abgelehnt worden seien. Mit Blick auf den für September erwarteten Haushaltsentwurf 2017 sagt Brock daher: „Kulturförderung in den nächsten Jahren in den Mittelpunkt zu stellen, das kann der OB in den nächsten Haushaltsberatungen beweisen.“

Mitbürger-Fraktion: Schlechter Zeitpunkt

Tom Wolter, Vorsitzender der Mitbürger-Fraktion, ist inhaltlich von der Idee, dass sich Halle als Kulturhauptstadt bewerben könnte begeistert. „Grundsätzlich finde ich es toll, aber der Zeitpunkt ist schlecht.“ Er bezweifle, dass man ohne die Unterstützung des Landes eine Bewerbung umsetzen könne. „Vor zwei, drei Jahren hätte der OB die Idee bringen können, aber jetzt ist es nur hinterherspringen.“ Auch Wolter hält es für „ungünstig“, dass Wiegand mit dem Projekt an die Öffentlichkeit gegangen ist, ohne vorher mit den Ratsfraktionen zu sprechen. (mz)

CDU-Fraktionschef Bernhard Bönisch: „Ich halte es für nicht richtig, gegen eine Stadt aus dem eigenen Land anzutreten.“
CDU-Fraktionschef Bernhard Bönisch: „Ich halte es für nicht richtig, gegen eine Stadt aus dem eigenen Land anzutreten.“
Lutz Winkler