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Restaurierung eines Kirchenfensters Restaurierung eines Kirchenfensters: Mit Pinsel und Federkiel

Von Diana Dünschel 21.08.2016, 10:00
Der Naumburger Kunstglasermeister Lutz Gärlich zeigt das von ihm gereinigte Kirchenfenster auf einem Lichttisch.
Der Naumburger Kunstglasermeister Lutz Gärlich zeigt das von ihm gereinigte Kirchenfenster auf einem Lichttisch. Peter Wölk

Mücheln/Naumburg - Wenn das der ältere Herr wüsste, der dem Förderverein der Geiseltalsee-Kirche in Mücheln-Neubiendorf im Frühjahr ein stark verschmutztes Fragment eines Bleiglasfensters aus einer der Kirchen der weggebaggerten Geiseltal-Dörfer vermachte. Es war sein letzter Wille, dass dieses Fenster in Neubiendorf restauriert ausgestellt wird. Nun ist der erste Schritt dafür getan.

Das Fenster ist in die Werkstatt der Firma Domglas Naumburg umgezogen. Kunstglasermeister Lutz Gärlich, der auf 50-jährige Erfahrung in seinem Metier blickt, hat mit der Reinigung begonnen. Er präsentiert das gute Stück auf einem Lichttisch. Es ist schon jetzt ein Unterschied wie Tag und Nacht. Nach der Behandlung mit einem Staubpinsel und mit Feuchtkompressen zeigt sich eine farbenfrohe detailreiche Meisterarbeit, die der 72-Jährige trotz fehlender Teile leicht entschlüsselt.

Papyrusrolle mit dem Kirchen-Grundriss

Dargestellt wird ein Gespräch zwischen dem Baumeister einer Kirche und einem Steinmetz. Dabei hält der Baumeister eine Papyrusrolle mit dem Kirchen-Grundriss in der Hand. Seine bürgerliche Kleidung mit dem Pelzbesatz und das Barett auf dem Kopf zeigen seinen höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Der Steinmetz wiederum ist mitsamt seinem Handwerkszeug dargestellt, einem Vorläufer der heutigen Wasserwaage etwa und einem Meterstab. Auch eine Holzleiter und ein Bauaufzug mit Eimer sind zu erkennen. Beide Männer stehen in einer Hütte neben der im Bau befindlichen Kirche mit gotischen Spitzbogen-Fenstern. Leider fehlt das Glasstück, das das restliche Gotteshaus zeigt.

Der Naumburger Fachmann verweist auf das bunte Glas, das zum Teil noch farbig hinterlegt wurde, und die eingebrannte Konturfarbe, durch die erst Falten in den Stiefeln, eine Frisur oder Hell-Dunkel-Kontraste möglich werden. Freilich seien dafür die handwerkliche Kunst eines Glasmalers und unzählige Arbeitsschritte mit unterschiedlichsten Pinseln oder Federkielen nötig.

Fehlendes Gesicht ist kein Problem

Lutz Gärlich lässt keinen Zweifel daran, dass die Firma das Fenster komplett restaurieren kann. Selbst das fehlende Gesicht des Baumeisters sei dabei kein Problem. Er vermutet sogar anhand des Stils, dass das Fenster zwischen 1880 und 1890 in seiner Firmenwerkstatt entstand. Denn Domglas Naumburg übernahm er 1966. Sie ging aus zwei Firmen hervor, die es seit 1858 gab. Freilich fehlt der mögliche Beweis. Der Teil unten rechts, in dem sich eine Signatur befunden haben könnte, ist nicht erhalten. Alte Vorlagen gibt es nicht, weil die Firma im Krieg ausgebombt wurde.

Der Kunstglasermeister möchte auch seinen Teil dazu beitragen, das größte Rätsel um das Fenster zu lösen: Bislang ist nämlich nicht bekannt, aus welcher Kirche es eigentlich stammt. Alle diesbezüglichen Nachforschungen des Fördervereins der Geiseltalsee-Kirche verlaufen seit Monaten im Sand. Doch was, wenn der dargestellte Kirchengrundriss tatsächlich originalgetreu ist? Könnte man so die Kirche und den Ort dazu recherchieren? Er werde Kontakt mit Experten aufnehmen, verspricht Lutz Gärlich.

Derweil benötigt der Verein der Geiseltalsee-Kirche weiter Hilfe bei der Finanzierung der Restaurierung. Eine Spendensammlung hat begonnen. Wer die Aktion unterstützen möchte, kann eine Spende unter der Angabe „Bleiglasfenster“ auf das Konto des Fördervereins Geiseltalsee-Kirche bei der Saalesparkasse einzahlen. Die IBAN lautet: DE 91 8005 3762 3540 0011 81, die BIC lautet: NOLADE21HAL. (mz)