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Malerin Marielies Riebesel  Malerin Marielies Riebesel : Heimweh nach dem Ursprung

Von Andreas Montag 29.07.2016, 17:12
Marielies Riebesel: „Sommer“, Gobelin, 1976, entstanden für den Palast der Republik in Berlin, Verbleib unbekannt
Marielies Riebesel: „Sommer“, Gobelin, 1976, entstanden für den Palast der Republik in Berlin, Verbleib unbekannt BADV/Magnor

Halle (Saale) - Marielies Riebesel? Vielen wird der Name erst einmal gar nichts sagen. Dabei ist in unserer Kultur des flott geschlagenen Schaums der Name doch wichtiger als alles andere geworden, das Vorpreschen natürlich, das Werben um „Follower“, die Dir von den Lippen (oder besser: aus dem Handy) lesen sollen, was Dich bewegt. Egal, wie banal das auch sei.

Trotzdem - oder gerade deshalb hat es Marielis Riebesel verdient, dass ihr Name mit mit einem Ausrufezeichen geschrieben und ausgesprochen wird - in Erinnerung an eine bedeutende Künstlerin.

Notorisch bescheiden und sehr zurückhaltend

Notorisch bescheiden und sehr zurückhaltend ist sie gewesen, wie man es bei Ostdeutschen ihrer und der folgenden Generation noch häufiger trifft, nicht aber menschenscheu oder abweisend. Oft traf man sie auf Vernissagen in Halle, in der Moritzburg und im Kunstverein Talstraße. Sie sprach leise, klug und freundlich, wenn man ihr zuhören wollte und ging durchaus auch auf andere Menschen zu, sofern sie Interesse an ihnen fand.

Wenn sich nun einer die Mühe machen will, wenigstens posthum etwas über die 2015 in Halle Verstorbene in Erfahrung zu bringen - es gibt demnächst gute Gelegenheit dazu. Die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt und das Kunstmuseum Moritzburg werden Ausstellungen aus dem Nachlass von Marielies Riebesel präsentieren, um dessen Bewahrung sich Bettina Riebesel, die Tochter der Weberin und selbst Künstlerin, gemeinsam mit Freunden wie dem Grafiker und Bühnenbildner Helmut Brade sowie dem Berufsverband Bildender Künstler in Sachsen-Anhalt verdient gemacht hat.

Buch über das Leben und Werk

Ein schmales, aber sehr liebevoll gestaltetes Buch aus dem halleschen Hasenverlag gibt es jetzt, das Leben und Werk der Wahl-Hallenserin vorstellt, die 1934 in Bombeck (Altmark) geboren worden war und 1953 zum Studium an die Burg Giebichenstein kam. „Halle war mir sehr fremd, die Häuser hoch, und die Straßen eng. Ich hatte oft Heimweh“, hat die Künstlerin um 2012/13 notiert.

Nach vielversprechenden Anfängen in der Klasse für Malerei bei Kurt Bunge wechselte Marielies Riebesel im zweiten Studienjahr in die von Willi Sitte neu gegründete Fachrichtung der Bildweberei, hier sollte sie sich schnell heimisch fühlen. Der Weberei, die seit Bauhaus-Tagen eine bedeutende Tradition in Mitteldeutschland besaß, fühlte sie sich lebenslang verbunden.

Verschiebung der Achsen zwischen Welt und Kunst

Die renommierte hallesche Schmuckkünstlerin Dorothea Prühl schrieb im Jahr 2005 voller Respekt für die Kollegin von der textilen Zunft, sie kenne wenige Menschen wie Marielies Riebesel, „die über Jahre so selbstverständlich und beständig gearbeitet haben und dabei in ihrer Sache noch immer besser geworden sind“. Das, so Prühl, sei um so erstaunlicher, „als die Textilkunst seit der Wende in unseren Breiten ein Schattendasein führt“.

Auch Helmut Brade weist auf die Verschiebung der Achsen zwischen Welt und Kunst hin, 2014 hat er der geschätzten Kollegin und Freundin eine schöne Rede anlässlich einer Ausstellung in der halleschen Galerie Nord gehalten. „Marlis (wie sie gerufen wurde) die eigentlich Berge versetzen könnte, findet die Berge nicht, die sie versetzen müsste.“

Kunstwege in Halle

Das spricht vor allem die Beliebigkeit an, die dem immer eiligeren Zeitgeist verschwistert ist: Da fragt keiner mehr nach Dir, wenn Du nicht laut genug krähst. Aber, wie Helmut Brade konstatiert: „Inszenierung liebt sie nicht. Das ist gut und auch ein bisschen schade.“

Auch Inge Götze lobt die Freundin und deren eigenständige Kunstsprache. Mit den Götzes war Marielis Riebesel sehr verbunden. Und ihre Tochter Bettina, die am Theater Luzern engagiert ist, hat seinerzeit für die hallesche Punkband „Größenwahn“ des heute so erfolgreichen Pop-Art-Malers Moritz Götze gesungen.

Auch das sind Kunstwege in Halle, von denen man heute nicht mehr viel weiß. Viele der Arbeiten von Marielies Riebesel sind nicht mehr auffindbar und vielleicht zerstört, darunter ihr großer Teppich für den längst geschredderten Palast der Republik in Berlin.

Dem „Sommer“ war das Werk gewidmet, es hätte in seiner Schönheit, Lebensfreude und Unschuld immer noch einen würdigen öffentlichen Platz verdient.

Nachlass in Halle

Immerhin, es wird die Ausstellungen in Halle geben. Und der Nachlass hat, zu großen Teilen, einen bleibenden Platz in der Moritzburg und im Stadtarchiv von Halle gefunden. Das ist zu loben und durchaus keine Selbstverständlichkeit, da die Zahl der Künstlernachlässe nicht gerade klein ist. Was aber darüber von Marielies Riebesel bleiben wird, ist die weitergesagte Erinnerung - einschließlich der Beschreibung, die sie über sich selbst gegeben hat:

„Ich gehöre zu den langsam und stetig arbeitenden Materialfetischisten in der Kunst. Ich pflege meine Sensibilität und brauche mein Umfeld.“ Worte, an denen aber auch gar nichts auszusetzen ist. Schon gar nicht, dass eben nicht von jener Schnelligkeit die Rede ist, die einen manchmal schwindlig macht. (mz)

Ausstellung in der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt, Halle, Neuwerk 11 vom 14. August bis zum 4. September, Mi-So 14-18 Uhr; Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle, Friedemann-Bach-Platz 5 vom 10. Oktober bis zum 6. November, Do-So und feiertags (außer Mi) 10-18 Uhr

Marielies Riebesel: „Menschen II“, Gobelin, 2003, Kunstmuseum Moritzburg, Halle, Dauerleihgabe von Bettina Riebesel
Marielies Riebesel: „Menschen II“, Gobelin, 2003, Kunstmuseum Moritzburg, Halle, Dauerleihgabe von Bettina Riebesel
Christoph Sandig
Aufmerksam und von großer Freundlichkeit: die hallesche Künstlerin Marielies Riebesel (1934-2015)
Aufmerksam und von großer Freundlichkeit: die hallesche Künstlerin Marielies Riebesel (1934-2015)
Unbekannt