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Die Wahrheit der Bilder Die Wahrheit der Bilder: Leipzig mit Klassikern der Dokumentar-Fotografie

Von Mathias Schulze 25.07.2016, 06:21
„1. Mai“, wie Ursula Arnold ihn sah.
„1. Mai“, wie Ursula Arnold ihn sah. Ursula Arnold

Leipzig - Straßenfotografie - das ist ein Beobachten von Menschen im uninszenierten Moment. Straßenfotografie kann Geschichte komprimieren, ein Lebensgefühl konservieren, bestenfalls bietet sie Erinnerungshilfen ohne ideologische Beeinflussung, ein Fühlen ohne Theorie. Die Ausstellung „Gehaltene Zeit“ im Museum der bildenden Künste Leipzig ist hierfür ein wunderbares Beispiel, sie versammelt Fotografien von Ursula Arnold (1929-2012), Arno Fischer (1927-2011) und Evelyn Richter, Jahrgang 1930.

Die Gemeinsamkeiten der drei befreundeten Künstler? Leid in den Kinder- und Jugendjahren, die DDR-Zeit, Schicksalsgabelungen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und die Weigerung, die DDR-Staatspropaganda ins rechte Bild zu setzen. Von direkter Opposition hingegen ist auf den ausgestellten Bildern nichts zu sehen, vielmehr steht oftmals der einsame Mensch im Vordergrund. Und nicht der Held der Arbeit.

In der Eingangshalle befindet sich ein Zeitstrahl, der nicht nur über die Einzelschicksale, sondern auch über eine untergegangene Zeit informiert. Die Formalismusdebatten 1951, das Verbot von Büchern und von Filmen und Theaterstücken 1965. Daneben: Vitrinen mit Originalabzügen. Ein Genuss.

Jeder Künstler hat seine eigenen Räume bekommen. Da die Porträts, dort die Landschaften, hier die DDR, dort die weite Welt, daneben die Prominenten. Zudem läuft, leider mit schlechter Tonqualität, der Dokumentarfilm „Audienzen – Strategien der Selbstbehauptung“ von Tina Bara und Barbara Metselaar. Richter darin über ihre Kunst: „Man sieht mehr, wenn man den Moment erwischt, in dem die Menschen sich nicht zeigen wollen.“

Erinnerungen an die Trümmerlandschaften nach dem Zweiten Weltkrieg, an staatlich verordneten Zwangsoptimismus - obwohl die Wunden der Realität überall zu sehen waren. Die Folge waren dann zwei Fotokisten - eine zum Vorzeigen, eine für den Privatgebrauch. Auftragsarbeiten und Selbstverpflichtungen. Richter in der Dokumentation: „Das Faschistoide war doch noch in den Köpfen drin.“

Ursula Arnold, die 1957 beim Fernsehen begann, hielt heroische Arbeiter mit einem Papageien auf der Schulter fest. Und welche Rolle spielen bei Fischer die Bierkästen am 1. Mai, dem Internationalen Kampf- und Feiertag der Werktätigen? Man schaue sich Arnolds „Hochzeit, 1956“ an. Ein entschlossenes Brautpaar im Mittelpunkt, im Hintergrund Kriegsruinen. Und vorn links steht ein Kind im Schatten. Was für Gleichnis!

Fotografien, die aus dem Rahmen fallen und eben dadurch im Bilde bleiben. Die Ausstellung ist keineswegs nostalgisch, eher hält etwa Richters „Unterwegs“-Zyklus melancholische Menschen fest. „Im D-Zug Leipzig-Berlin“ (1977) oder „Auf einem Bahnsteig“ fanden die großen Reisen im Kopf statt. Ist das heute wirklich anders?

Die Ausstellung zeigt, dass auch realistische Dokumentation ein künstlerisches Verfahren ist. Ebenso zeigt die Kunsthalle der Sparkasse Leipzig bis zum 11. September die Schau „Die Lehre – Arno Fischer. Evelyn Richter.“ Welche Spuren haben die Lehrer hinterlassen? 20 Absolventen der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig stellen dort ihre Arbeiten vor.

Gehaltene Zeit. Ursula Arnold, Arno Fischer, Evelyn Richter. Museum der bildenden Künste Leipzig, bis zum 3. Oktober, Di und Do-So von 10 bis 18, Mi 12-20 Uhr; Die Lehre. Arno Fischer. Evelyn Richter. Kunsthalle der Sparkasse Leipzig, Otto-Schill-Straße 4a, bis zum 11. September, Di und Do-So von 10 bis 18, Mi von 12 bis 20 Uhr

(mz)

Evelyn Richters „Kammgarnspinnerei“
Evelyn Richters „Kammgarnspinnerei“
Evelyn Richter
Evelyyn Richters „Pförtnerin“
Evelyyn Richters „Pförtnerin“
Evelyn Richter
Fischers „Kudamm“
Fischers „Kudamm“
Arno Fischer