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Universitätsklinik Forscher aus Halle entdecken: Blutkrebs kann vererbt werden

Von Walter Zöller 14.07.2016, 16:58
Stammzellen werden im Zimmer eines Patienten unter sterilen Bedingungen angehängt.
Stammzellen werden im Zimmer eines Patienten unter sterilen Bedingungen angehängt.  Fotos (2): Universitätsklinik Halle

Halle - Am Anfang stand der Zufall, dann zogen Forscher der Universitätsklinik Halle die richtigen Schlüsse und entdeckten, dass eine bestimmte Form von Leukämie erblich bedingt sein kann. Dies brachte Carsten Müller-Tidow, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV, und seinem Team hohe Anerkennung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein. Und für ältere Patienten, die an dieser besonderen Ausprägung von Blutkrebs erkrankt sind, gibt es möglicherweise in absehbarer Zeit ein weiteres Medikament.

So machten die Ärzte in Halle ihre Entdeckung

Die Entdeckung geht zurück auf einen Patienten, der im Jahr 2014 an akuter Leukämie erkrankt war und im Uniklinikum Halle behandelt wurde. Der Mann berichtete den Ärzten damals, dass bereits seine Schwester, sein Vater und seine Großmutter an dieser großen Bedrohung für das Blutsystem gelitten hatten. „Bei uns wuchs der Verdacht, dass das Krankheitsbild erheblich ist“, sagt Müller-Tidow.

Doch ein Verdacht alleine reicht natürlich nicht. Der renommierte Arzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie sowie seine Mitarbeiter sicherten das Gen-Material, das noch von den Verwandten des Patienten vorhanden war. Und sie führten eine Gensequenzierung durch. Dabei stießen sie auf das mutierte Gen DDX41, das für die Leukämie-Erkrankung in der Familien verantwortlich ist.

Zusammenarbeit mit Spezialisten in den USA

Müller-Tidow nahm Kontakt mit anderen auf diesem Gebiet spezialisierten Hochschulen auf, es entstand eine weltweite Zusammenarbeit. Arbeitsgruppen in Cleveland und Chicago (USA), in Japan und von der Universität im westfälischen Münster trieben die Forschung voran. Und dies mit konkreten Ergebnissen. „Bisher haben wir weltweit fünf Familien gefunden, bei denen Leukämie-Erkrankungen auf dieses Gen zurückgeführt werden können“, sagt Müller-Tidow.

Nach der Veröffentlichung in einer der führenden Fachzeitschriften reagierte auch die Weltgesundheitsorganisation. Sie nahm die Entdeckung der halleschen Onkologen und Hämatologen in ihrer neuen Klassifikation von Leukämie-Erkrankungen als Untergruppe auf. Eine solche Klassifizierung der Leukämie - also im Grunde die Anerkennung eines neu entdeckten Krankheitsbildes - hatte die WHO zuletzt im Jahr 2008 vorgenommen.

Augenmerk auf Menschen über 40

Was sperrig klingt, wird sich weltweit im Klinikalltag auswirken. Denn bestimmte Leukämie-Patienten können nun konkret auf diese Genmutation hin untersucht werden. Dabei wird das Augenmerk auf Menschen gelegt, die mindestens 40 Jahre alt sind. Und dies aus gutem Grund: Denn die Patienten, bei denen das mutierte Gen bisher gefunden wurde, waren alle älter.

Nun steigt die Wahrscheinlichkeit, bei der Diagnose die Ursache für die lebensbedrohliche Erkrankung zu finden. Das ist eine wichtige Etappe auf dem Weg hin zu einer erfolgreichen Behandlung. „Wir erhoffen uns, dass unsere Entdeckung dazu beiträgt, neue Forschungsansätze und Therapiemöglichkeiten bei akuter Leukämie zu finden“, sagt Müller-Tidow. Gesucht wird jetzt ein Medikament, das den Gendefekt ausschalten kann. Erste Forschungsergebnisse gibt es nach Angaben von Müller-Tidow bereits.

Der Erfolg der halleschen Leukämieforscher bei der Identifizierung des Gens DDX41 ist kein Einzelfall. Im Gegenteil. Es gibt weitere vielversprechende Forschungsprojekte, an denen sich die Mediziner des Universitätsklinikums beteiligen. So wird an rund 25 deutschen Kliniken und auch in Halle nach einem Medikament gesucht, das gezielt Leukämiezellen und Leukämie-Stammzellen angreift.

Dabei geht es um die akute myeloische Leukämie - eine besonders schwer zu bekämpfende Krebserkrankung. Mediziner beobachten immer wieder, dass die Therapie zunächst gut anschlägt, es dann aber oft zu schweren Rückfällen kommt. Verursacher sind Leukämiestammzellen, die sich im Knochenmark verstecken und denen die Chemotherapie bislang nichts anhaben kann.

Mit dem neuen Medikament soll die Chemo besser greifen

Mit Hilfe eines neuen Medikaments sollen die Leukämiezellen nun gezielt aus dem Knochenmark herausgelöst werden. Die Chemotherapie kann dann, so die Überlegung, besser greifen.

Insgesamt werden deutschlandweit derzeit 196 Patienten so behandelt. Mit welchem Erfolg wird sich wahrscheinlich in spätesten drei Jahren zeigen: Dann endet die klinische Prüfung. (mz)