Mord an Yangjie Li Ermordete Chinesin: Dessauer Tatverdächtiger soll Kind missbraucht haben
Halle (Saale) - Der Tatverdächtige im Mordfall Yangjie Li soll in der Vergangenheit doch mit einschlägigen Delikten der Polizei aufgefallen sein. Gegen den heute 20-Jährigen soll es nach MZ-Informationen vor sieben Jahren ein Ermittlungsverfahren wegen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gegeben haben. Er soll einen Jungen aus dem familiären Umfeld missbraucht haben.
Trotz des offenbar schweren Sexualdeliktes kam es jedoch zu keiner Verurteilung, weil der Tatverdächtige damals noch nicht 14 Jahre alt - und damit nicht strafmündig war. Ob es andere Konsequenzen gab, blieb am Montag offen. Die Staatsanwaltschaft wollte sich auf MZ-Anfrage nicht äußern.
Aus Ermittlerkreisen hieß es, man sei gerade dabei, die kriminelle Vorgeschichte des in Untersuchungshaft sitzenden Mannes zu prüfen. Die Hoffnung: Möglicherweise finden sich in dieser Entwicklung neue Ansatzpunkte, die das Geschehen im Mordfall Yangjie Li erklären können. Die Architekturstudentin war laut Obduktionsbericht mit extremer Gewalt misshandelt und bis zur Unkenntlichkeit verletzt worden. An der Leiche wurde die DNA des Tatverdächtigen gefunden. Nach seiner Version rührt sie her von einvernehmlichem Sex. Es gibt bislang kein Geständnis.
Noch in der vergangenen Woche hatte der Leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann lediglich mitgeteilt, dass der dringend Tatverdächtige für die Polizei kein unbeschriebenes Blatt sei. Allerdings habe es sich nicht um einschlägige Delikte gehandelt. Nach MZ-Informationen soll der 20-Jährige in den vergangenen Jahren wegen einer ganzen Reihe von Delikten ins Visier der Polizei geraten sein. Neben dem schweren Sexualvergehen geht es unter anderem um Beleidigungen, Körperverletzungen, Diebstähle und Brandstiftungen. Nach Zeugenaussagen soll der junge Mann eine Neigung zu gewalttätigem Jähzorn haben.
Mit seiner Verlobten und mutmaßlichen Komplizin, die gleichfalls in Untersuchungshaft sitzt, ist ebenfalls ein dunkles Geheimnis verbunden. Die 20-Jährige soll als Kind sexuelle Gewalt durch ihren Stiefvater erfahren haben.
Unterdessen prüft die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost ihr weiteres Vorgehen gegen die Mutter und den Stiefvater des Tatverdächtigen. Beide sind bei der Polizei in Dessau tätig und haben gegenüber der MZ in einem Interview bestritten, in irgendeiner Form in die Ermittlungen eingegriffen zu haben. Ihre Interview-Äußerungen könnten dennoch disziplinarrechtliche Folgen haben. Aus Behördenkreisen hieß es, dass die beiden mit ihren Äußerungen die Ermittlungen beeinflusst haben könnten.
Unter den chinesischen Studenten in Deutschland schlägt der Fall auch wegen dieser Vorwürfe hohe Wellen. So wird zu Demos am 5. und 11. Juni in Berlin, Stuttgart, München und Frankfurt (Main) aufgerufen. Auf der Facebook-Seite „Mordfall Yangjie Li“ sehen Kommentatoren das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit erschüttert. Die Eltern von Yangjie Li haben eine Erklärung an die Botschaft gesandt, die veröffentlicht werden soll, um die Lage zu beruhigen. Der Vater der getöteten Studentin hat sich nun einen Anwalt genommen, der Akteneinsicht will. (mz)