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Ingmar Knop Ingmar Knop: Von der rechtsextremen Führungsfigur zum Chef in öffentlichem Auftrag

21.05.2016, 14:00
Ingmar Knop (Mitte) ist neuer Chef der B&A Strukturförderungsgesellschaft Zerbst. Der Bürgermeister von Zerbst, Andreas Dittmann (links), und Uwe Schulze, Landrat in Anhalt-Bitterfeld, stellen ihn in Köthen vor.
Ingmar Knop (Mitte) ist neuer Chef der B&A Strukturförderungsgesellschaft Zerbst. Der Bürgermeister von Zerbst, Andreas Dittmann (links), und Uwe Schulze, Landrat in Anhalt-Bitterfeld, stellen ihn in Köthen vor. Heiko Rebsch

Köthen/Halle (Saale) - Er stand jahrelang an der Spitze rechtsextremer Parteien, war ideologischer Vordenker der Szene und vertrat Neonazis vor Gericht. Dann, Ende 2014, entschied sich Ingmar Knop auszusteigen. So öffentlichkeitswirksam wie wenige Andere kehrte er dem Milieu den Rücken. Sein berufliches und privates Leben ging dadurch in die Brüche.

Eine zweite Chance

Nun wird Knop Geschäftsführer der B&A Strukturförderungsgesellschaft, einer Firma, die  Eingliederungsmaßnahmen für Arbeitslose anbietet und eine hundertprozentigen Tochter des Jobcenters Anhalt-Bitterfeld ist. Am 1. Juni beginnt Knop. Er ist dann Leiter eines  Unternehmens, das sich aus Steuern finanziert. Von der rechtsextremen Führungsfigur zum Chef in öffentlichem Auftrag: Geht das? Verdient jemand wie Knop eine zweite Chance? Kann man ihm vertrauen?

Ein Anruf bei dem 41-Jährigen. Knops Stimme ist sanft und ruhig. „Ich bin total glücklich, die Stelle bekommen zu haben“, sagt er. Die Zeit seit dem Ausstieg sei nicht einfach gewesen. Seine Frau, die aus einer stramm rechten Familie  kommt, trennte sich von ihm. Seine Anwaltskanzlei in Dessau hatte mit einem Schlag keine Kunden mehr.

Die "politischen Jahre"

„Meine Mandaten waren ja fast ausschließlich aus der Szene“, sagt Knop. In seinen „politischen Jahren“, wie er die Zeit bis 2014 nennt, vertrat der Jurist die DVU und die NPD auf Landes- und Bundesebene. Außerdem verteidigte er Neonazis vor Gericht, wenn die etwa ihren Job aufgrund ihrer Ansichten verloren hatten. Es waren Prozesse, die er oft gewann.

„All diese Mandate legte ich mit meinem Ausstieg nieder“, sagt Knop. Ein harter Schnitt. Eben noch hatte er, der an der Uni Halle Rechtswissenschaften studierte, Fälle mit bundesweiter Beachtung ausgefochten. Und nun war er wieder Berufseinsteiger. „Ich musste neue Kunden akquirieren.“ Das gelang ihm nur schlecht. „Jeder kann mich und meine Geschichte im Internet finden“, sagt Knop. Da falle es schwer, wieder Fuß zu fassen. 90 Bewerbungen habe er in den eineinhalb Jahren geschrieben. „Wenn da mal etwas zurückkam, dann meistens: Wir finden es gut, dass Sie ausgestiegen sind, aber einstellen möchten wir Sie lieber nicht.“

Freunde rieten ihm, lieber ins Ausland zu gehen. „Mit deiner Vita kommst du in Deutschland nicht mehr auf die Beine“, sagten sie zu ihm. Doch Knop wollte nicht weg. „Dessau ist meine Heimat.“ Und für ihn ist die schwere Zeit nach dem Ausstieg auch Teil des Ausstiegs: „Wenn man, wie ich, erkannt hat, dass man jahrelang komplett auf dem falschen Weg war, dann muss man diese Durststrecke auch durchmachen.“

Die deutsche Volksunion war eine rechtsextreme Partei. Sie entstand 1971 als Verein und wurde 1987 als politische Partei gegründet. Markenzeichen waren Fremdenfeindlichkeit, die Revision der Oder-Neiße-Grenze zu Polen und die zumindest teilweise Leugnung von Naziverbrechen. Über den Zeitraum von 38 Jahren wurde sie vom Verleger Gerhard Frey, der von der Gründung im Jahr 1971 bis 2009 Vorsitzender war, autoritär geführt.

Bei der Wahl zum Landtag in Sachsen-Anhalt 1998 erzielte sie mit 12,9 Prozent der Stimmen das höchste Ergebnis einer rechtsextremen Partei auf Landesebene. Bereits Anfang 1999 traten in der Landtagsfraktion erste Zerfallserscheinungen auf. So traten mehrere Abgeordnete aus der Fraktion aus, die für die DVU nicht mehr haltbar gewesen waren. Im Jahr 2000 spaltete sie sich endgültig. 2006 scheiterte die DVU an der Fünf-Prozent-Klausel. 2011 fusionierte man mit der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD).

Politische Karriere in der rechtsextremen Szene

Wenn er das so sagt, klingt Knop wie ein Geläuterter. Doch wie glaubwürdig ist das? „Ich kann nicht in seinen Kopf hineinschauen“, sagt Sebastian Striegel. Der Fraktionschef der Grünen im Landtag kennt die rechtsextreme Szene Sachsen-Anhalts. „Und Knop“, sagt er, „war eine ihrer wichtigsten Figuren.“ 2004 kam der damals noch nicht einmal 30-Jährige in die DVU. Dort stieg er bis zum Bundesvize auf und verhandelte 2010 maßgeblich die Fusion mit der NPD. In der neuen Partei wurde er Mitglied im Bundesvorstand. In dieser Zeit war er nicht nur Anwalt der Rechten, sondern auch einer ihrer Vordenker. „Er hat damals auch die Grundlagen für eine Ideologie gelegt, die andere dann mit Gewalt ausgefüllt haben“, sagt Striegel. Er betont aber auch: „Wenn sich so einer dann lossagt, ist das erst einmal etwas Gutes.“ Die Frage sei nur, ob er sich wirklich von der rechten Szene getrennt habe.

Dass das so ist, davon ist Bernd Wagner überzeugt. Er ist Gründer und Chef von Exit, einer Initiative, die seit 2000 rund 530 Mitgliedern der rechten Szene beim Ausstieg geholfen hat. „Ingmar Knop kam nach seinem Austritt auch zu uns“, sagt Wagner.

Damals habe man ihn intensiv überprüft: Hat er die Ideologie wirklich abgelegt, hat er alle Verbindungen zur Szene aufgegeben? „Wir haben jahrelange Erfahrung mit solchen Leuten und machen es uns bei der Überprüfung nicht leicht“, erklärt Wagner. Doch bei Knop ist er sich sicher: „Er ist raus aus der Szene, hat den Absprung geschafft.“

Die zweite Chance sei wichtig

Für Wagner ist es deswegen auch wichtig, dass Knop eine zweite Chance bekommt: „Das ist auch ein Zeichen an die rechtsextreme Szene.“ Es gebe dort viele, die nicht aussteigen, weil sie fürchten, nicht aufgefangen zu werden. Und oft sei das auch der Fall.
Insofern hatte Ingmar Knop Glück, dass man bei der B&A und beim Jobcenter nicht, wie viele andere, vor seiner Vergangenheit zurückschreckte. Bei seiner Vorstellung am Donnerstag wurde betont, dass man Knop aufgrund seiner Kompetenz ausgesucht habe. Die Gespräche im Vorfeld hätten aber länger gedauert, als bei anderen Kandidaten. „Wir haben drei Stunden miteinander gesprochen“, sagt etwa Anhalt-Bitterfelds Landrat Uwe Schulze, der auch Vorsitzender des Jobcenter-Verwaltungsrates ist. „Ich wollte schauen, ob ich ihm auf der persönlichen Ebene vertrauen kann“, so der CDU-Politiker. „Und ich denke, das kann ich.“
Und Ingmar Knop, beginnt für ihn jetzt ein normales Leben? „Was heißt das schon“, fragt er. Nachdem er sich jahrelang belogen habe, sei für ihn nun nur noch eines wichtig: „Ich will endlich wieder ein authentisches Leben führen können." (mz)