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DDR-Geschichte  DDR-Geschichte : Ende der Stasi-Unterlagenbehörde besiegelt

Von Markus Decker 16.03.2016, 19:59
Tausende Akten stehen aufgereiht im Stasi-Archiv.
Tausende Akten stehen aufgereiht im Stasi-Archiv. dpa

Berlin - Am Mittwochnachmittag kamen zwei ältere Herren in den Kulturausschuss des Bundestages, um über die Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde zu sprechen: der Vorsitzende der vom Parlament eingesetzten Experten-Kommission, Sachsen-Anhaltseinstiger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU), und sein Stellvertreter Richard Schröder (SPD). Zwar soll die Endfassung ihrer Empfehlungen erst am 31. März verabschiedet und am 12. April Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übergeben werden. Dem könnte eine Pressekonferenz folgen. Die Konturen zeichnen sich aber seit Wochen deutlich ab.

Jahn vorerst nur kommissarisch

Die Stasi-Akten sollen in die Obhut des Bundesarchivs übergehen, das seinen Sitz in Koblenz hat. Zwar würden die Akten physisch an ihren bisherigen Standorten bleiben; auch würde der Zugang für Bürger gewahrt, nicht zuletzt über fünf schon existierende Außenstellen. Doch das Ende der Stasi-Unterlagenbehörde in ihrer bisherigen Form mit 1.600 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 100 Millionen Euro wäre damit besiegelt.

Die Forschungsabteilung würde selbstständig und ihren Sitz voraussichtlich in der früheren Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße finden. Der gesamte Standort würde zu einer Mischung aus Bildungshaus und Museum. Der Stasi-Unterlagenbeauftragte Roland Jahn spricht seit Jahren von einem „Campus der Demokratie“.

Die Funktion des Stasi-Unterlagenbeauftragten würde umgewandelt in einen Beauftragten des Bundestages, zuständig für Belange der SED-Opfer und Aufarbeitungsfragen. Dem Vernehmen nach würde ihm ein Stab von acht bis zehn Mitarbeitern zur Seite gestellt. Das Ganze wäre orientiert am Modell des Wehrbeauftragten, der sich um die Belange der Truppe kümmert.

Zwar hat das Kabinett zuletzt einen Grundsatzbeschluss gefasst, demzufolge der 62-jährige Jahn im Amt bleiben soll. Entscheidend ist jedoch das Votum des Bundestages, in dem die SPD einer Amtszeitverlängerung so lange nicht zustimmen will, wie nicht klar ist, ob, wie und wie schnell die Empfehlungen der Behörde tatsächlich umgesetzt werden. Bis dahin amtiert Jahn, dessen erste Amtszeit soeben ausgelaufen ist, kommissarisch weiter.

Angeblich ist mit einem einstimmigen Beschluss der Kommission zu rechnen. Bis dahin steckt der Teufel im Detail. Offen ist, wie die Übergangsfristen aussehen werden. Offen ist, wie viel Personal in welchem Zeitraum abgebaut wird. Offen ist auch das genaue Profil des Opfer- oder Aufarbeitungsbeauftragten. Letzteres ist keine Kleinigkeit. Denn es gibt bereits seit 1998 die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Vielfalt statt Einfalt

Die Bundesstiftung hat wegen der anhaltenden und sich noch verschärfenden Zinsflaute derzeit jeweils ein Loch von rund einer Million Euro jährlich in der Kasse. „Zwar hat uns der Bundestag in den letzten Jahren jeweils mit einem Sonderzuschuss von 500 000 Euro jährlich gerettet“, sagte Geschäftsführerin Anna Kaminsky der MZ. „Doch wir brauchen eine grundsätzliche Lösung. Aufarbeitung gibt es nicht zum Nulltarif.“ Bei der Einrichtung sind 23 Frauen und Männer angestellt. Sie hatte 2015 einen Haushalt von 5,5 Millionen Euro. Dabei reicht die Stiftung 90 Prozent des Geldes an dezentrale Projekte weiter. Mit anderen Worten: Es geht auch um Geld. Schließlich ist da noch die Bundeszentrale für politische Bildung mit 231 Mitarbeitern und 49 Millionen Euro Etat. Auch deren Präsident Thomas Krüger plädiert für eine „plurale Perspektive auf die DDR-Geschichte und für Trägervielfalt“.

Gibt es nicht doch noch größere Auseinandersetzungen, könnten die Empfehlungen der Kommission rasch in Gesetzesform gegossen werden. Ob es dazu kommt, wird sich bald zeigen.