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Aschersleber heiratet im Fernsehen Aschersleber heiratet im Fernsehen: Ja-Wort auf Probezeit

Von Elisabeth Krafft 22.02.2016, 18:04
Marko Wolfram hat die Frau des Lebens in Jutta nicht gefunden.
Marko Wolfram hat die Frau des Lebens in Jutta nicht gefunden. Frank Gehrmann

Aschersleben - Aufgeregt tritt Marko Wolfram vor seine Familie und Freunde, die bereits auf ihren Stühlen Platz genommen haben. Nur noch wenige Minuten, dann wird seine zukünftige Ehefrau den Gang zum Traualtar entlang schreiten. Beide werden sich ewige Liebe schwören und gemeinsam die Höhen und Tiefen des Lebens bewältigen - oder auch nicht.

Denn Marko und Jutta haben sich nie zuvor gesehen, geschweige denn jemals miteinander gesprochen. Und nein, niemand hat den 34-jährigen Aschersleber und die Münsteranerin dazu gezwungen, sich das Ja-Wort zu geben. Ganz im Gegenteil. Beide haben sich sogar darum beworben, einen völlig fremden Menschen zu heiraten. Ganz romantisch, im Kreise der Liebsten - und natürlich in Begleitung zahlreicher Kameras.

Sechs Wochen Probe-Ehe

Jutta und Marko gehören zu den acht „Glücklichen“, die in der SAT 1-Show „Hochzeit auf den ersten Blick“ getraut werden. Der Clou: Vier Fachkräfte, darunter ein Wohnexperte und eine Paar- und Sexualtherapeutin, haben die Kandidaten zuvor nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt und einander zugeteilt. Dazu gehörte das Ausfüllen verschiedener Fragebögen („Welche Charaktereigenschaften wünschen Sie sich bei Ihrem Partner?“), ein DNA-Test („Können sich die Kandidaten riechen?“) und zahlreiche psychotherapeutische Hintergrundgespräche.

Danach treten die Teilnehmer vor den Traualtar, wobei ihnen jedoch die Möglichkeit gegeben wird, „Nein“ zu sagen. Entscheiden sie sich füreinander, haben sie sechs Wochen, um sich kennenzulernen. Anschließend sollen sie eine Entscheidung treffen: Für die Ehe oder eine Scheidung.

Traumfrau gefunden

„Verrückt“, „absurd“ oder „schwachsinnig“ sind nur einige Adjektive, die Zuschauer gebrauchen, wenn sie nach ihrer Einschätzung zum Format gebeten werden. Trotzdem scheint das Publikum Gefallen an der Serie gefunden zu haben. Die zweite Staffel wurde gerade erst ausgestrahlt. Auch Marko Wolfram, gebürtiger Hallenser und wohnhaft in Aschersleben, sagt mit Überzeugung: „Ich würde es direkt wieder machen!“ Aber wie kommen Menschen dazu, sich mit einer wildfremden Person zu verheiraten und das Ganze auch noch im Nachmittagsfernsehen ausstrahlen zu lassen?

Zuerst einmal hätten Markos Freunde die Anmeldung für ihren Aschersleber Kumpel übernommen. Nachdem der 34-Jährige ausgerechnet am Valentinstag von seiner langjährigen Freundin verlassen wurde, hätten sich diese wohl einen aufmunternden Scherz mit ihm erlauben wollen. Als sich die Produktionsfirma wenig später bei ihm meldet, sei er zwar zuerst perplex gewesen, hätte sich dann aber schnell für das Experiment begeistern können. Was folgte waren zahlreiche Tests und psychologische Gespräche, bis feststand: Markos vermeintliche Traumfrau wurde gefunden. Zwischen Verkündung der freudigen Botschaft und der Hochzeit der einander Unbekannten vergehen gerade einmal zwei Wochen.

Automatisches Ja-Wort

Schließlich steht der Kraftverkehrsmeister, nervös von einem Fuß auf den anderen tretend, vor dem Traualtar und ist „tierisch gespannt“ auf seine Zukünftige. Für den 34-Jährigen folgt jedoch eine herbe Enttäuschung. Sein erster Gedanke, als er Jutta sieht? - „Ich wollte flüchten.“ Tut er aber nicht. Stattdessen sagen beide zögerlich „Ja, ich will“ und werden Mann und Frau. Jutta weint Freudentränen, Marko umarmt sie schüchtern. „Durch die Kameras und das Drumherum sagt man irgendwie ganz automatisch ja“ verteidigt Marko seine Entscheidung.

Spannendes Experiment oder doch ein Tabubruch? Nach Ausstrahlung der ersten Folgen der Serie „Hochzeit auf den ersten Blick“ im Jahr 2014 melden sich zahlreiche Kritiker zu Wort. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki beispielsweise betitelt das Format als „geschmacklos“ und „abstoßend“. Die Show würde pervertieren um Quoten zu erzielen, begründete er damals seine harsche Kritik. Auch die frühere Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Margot Käßmann, ließ kein gutes Haar am TV-Experiment. Ihrer Meinung nach sei die Ehe definitiv kein Spaß zur Unterhaltung eines Fernsehpublikums.

Trotzdem kommt das Format bei den Zuschauern an, was nicht zuletzt der Dreh einer zweiten Staffel bestätigt. Und auch bei Facebook kann die Sendung zahlreiche Fans verzeichnen - 37 084 „Gefällt-mir“-Angaben hat das Format im sozialen Netzwerk gesammelt.

Schließlich fahren die Eheleute nach Rom und verbringen ihre Flitterwochen gemeinsam einsam. Denn der Aschersleber stellt schnell fest, dass sich sein erster Eindruck bewahrheitet. Während der 34-Jährige sehr unternehmungslustig sei, hätte sich seine Angetraute lieber ausgeruht. Zudem sei sie sehr fordernd gewesen, er hingegen eher schüchtern. Am Ende ist das Paar entgegen aller wissenschaftlichen Berechnungen nicht kompatibel und Markos Entscheidung steht nunmehr fest: Er will die Scheidung. Die obligatorische Kennenlern-Phase von sechs Wochen endet für die frisch Getrauten somit bereits nach sechs Tagen. Das TV-Experiment ist offiziell gescheitert.

Positive Bilanz

Nichtsdestotrotz zieht der Aschersleber ein positives Resümee: „Das war schon eine klasse Sache. Mir wurden viele neue Perspektiven aufgezeigt, aber am Ende ist es eben so, dass man Liebe nicht berechnen kann.“ Ein wenig verrückt muss man wohl tatsächlich sein, wenn man sich dazu entscheidet, an einem solchen Experiment teilzunehmen. Dem stimmt auch Marko zu. Gelohnt habe sich die Teilnahme für ihn aber trotzdem.

Zum einen, weil SAT 1 keine Kosten und Mühen gescheut hat, den beiden eine traumhaft schöne Hochzeit zu ermöglichen, Feuershow und feucht-fröhlicher Junggesellenabschied inklusive. Zum anderen, weil er eine Reise nach Rom spendiert bekam, von dem er „nicht dachte, dass man dort so schön Urlaub machen kann.“ Den Glauben an die wahre Liebe hat er eigenen Angaben zufolge auch nicht verloren. Denn der frisch gebackene Junggeselle sucht auch weiterhin nach der „Einen“, mit der er dann wirklich für immer zusammen bleiben will - in guten wie in schlechten Zeiten. (mz)