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Aktionstag am städtischen Klinikum Aktionstag am städtischen Klinikum: Kampf um Lebensqualität

Von Danny Gitter 21.02.2016, 18:18
Chefarzt Christos Zouboulis ganz in seinem Element.
Chefarzt Christos Zouboulis ganz in seinem Element. Lutz Sebastian

Dessau - Christos C. Zouboulis schaut sich um und ist zufrieden mit dem, was er sieht. Das Foyer und die Cafeteria des Städtischen Klinikums sind gut besucht an diesem Sonnabend. Dicht an dicht drängen sich 40 Informationsstände. Menschen kommen ins Gespräch. Es werden Informationen ausgetauscht, Ratschläge erteilt und Visitenkarten weitergegeben. „Es gelingt nicht immer im Leben, aber das hier kann man guten Gewissens als Erfolg verbuchen“, sagt Zouboulis, Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Städtischen Klinikum und Mitinitiator des Aktionstags der seltenen Erkrankungen in Dessau.

Zum bereits sechsten Mal präsentierten sich hier am Sonnabend Vertreter von Selbsthilfegruppen zu Krankheiten, die sonst kaum eine Lobby haben. Oft braucht es Jahre bis zur richtigen Diagnose. Abgestimmte Therapien und Medikamente gibt es kaum, weil sich die Forschung aus monetärer Sicht für die Industrie kaum lohnt. Oft muss selbst nach einer gesicherten Diagnose um die Bewilligung von Hilfsmitteln und Therapien mit den Krankenkassen gerungen werden - nicht selten auch gerichtlich.

Wenn statistisch nicht mehr als 5 Menschen pro 10000 Einwohner an einer Krankheit leiden, gilt sie als selten. In der Summe sind sie es wiederum nicht. Vier Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer seltenen Erkrankung. Bis zu 8000 der 30 000 bekannten Krankheiten zählen zu dieser Kategorie.

Viele Jahre Forschung

Dem Morbus Adamantiades-Behcet, einer Erkrankung, bei der meist die Haut und die Schleimhäute mit feinen Knötchen oder Thrombosen befallen sind, widmet Zouboulis seit 26 Jahren seine Aufmerksamkeit und Forschung. Statistisch gesehen, gerade einmal neun von einer Million Menschen in Deutschland haben diese seltene Erkrankung. Vor 26 Jahren erblindete noch mindestens jeder zweite Patient durch Morbus Adamantiades-Behcet, bei jedem 14. verlief sie tödlich. Heute erblinden nur noch sieben Prozent der Patienten und einer von hundert stirbt durch den Krankheitsverlauf. „Große Fortschritte sind auch bei seltenen Erkrankungen möglich“, konstatiert Zouboulis. Erst in Berlin, seit zehn Jahren in Dessau behandelt er Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet, die an Morbus Adamantiades-Behcet leiden. „Zu erleben, dass die Lebensqualität von solchen Menschen sich durch gezielte Behandlungen erheblich verbessern kann, motiviert mich“, sagt der Chefarzt.

Er will das auch für andere seltene Erkrankungen erreichen. Deshalb hob er mit anderen Mitstreitern vor fünf Jahren den regionalen Tag der seltenen Erkrankungen aus der Taufe. Bereits vor acht Jahren initiierte die Allianz chronisch seltenerer Erkrankungen (Achse e.V.), in der über 100 Selbsthilfegruppen und Interessenverbände in einem Netzwerk organisiert sind, bundesweit diesen Aktionstag, um die Öffentlichkeit auf seltene Erkrankungen aufmerksam zu machen.

Recht schnell konnten die Dessauer Organisatoren Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff als Schirmherr für ihren Aktionstag gewinnen. Auch am Sonnabend schaute er im Klinikum vorbei, richtete Grußworte an die Teilnehmer, führte zwischendurch in seinem Dienstwagen eine Telefonkonferenz mit der Bundeskanzlerin und kam anschließend bei einem Rundgang mit Betroffenen und Patientenvertretern ins Gespräch. „Von hier aus sind schon viele wichtige Impulse für Verbesserungen für Menschen ausgegangen“, lobte Haseloff den Dessauer Aktionstag. An einem runden Tisch kommen auf Landesebene mittlerweile regelmäßig Vertreter von Patientengruppen, Mediziner, Vertreter von Krankenkassen und Politiker zusammen, um Probleme zu erörtern und Lösungen zu finden. In Magdeburg wurde vor kurzem eine Lotsenstation für seltene Erkrankungen eingerichtet, die auch Hausärzten Hilfen bei der Diagnose bieten soll.

Betroffene kommen zu Wort

Zu dem Aktionstag sind die wichtigsten Botschafter immer noch die Betroffenen selbst. Sie klären auf und machen Mut. „Man muss für Lebensqualität kämpfen. Der Rollstuhl muss aber nicht das unbedingte Schicksal sein“, sagt Andrea Bahr, ehemalige Lehrerin am Philanthropinum, die mit Multiple Sklerose (MS) lebt. Ganz selten ist die Erkrankung des zentralen Nervensystems nicht. 15 von 10000 Menschen in Deutschland haben MS. Die Schicksale sind trotzdem so individuell, wie bei vielen anderen seltenen und seltensten Krankheiten. (mz)

Auch die Dessauer Selbsthilfegruppe MS war vor Ort.
Auch die Dessauer Selbsthilfegruppe MS war vor Ort.
Lutz Sebastian
Schirmherr Ministerpräsident Reiner Haseloff beim Rundgang.
Schirmherr Ministerpräsident Reiner Haseloff beim Rundgang.
Lutz Sebastian