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Proteste vor Asylheim Die Polizei sei provoziert worden. Mit diesen Worten verteidigt der Polizeipräsident von Chemnitz das umstrittene Vorgehen gegen ankommende Flüchtlinge. Der rigorose Einsatz sei "absolut notwendig gewesen".

20.02.2016, 16:38
Polizeipräsident Uwe Reißmann, spricht am 20.02.2016 auf einer Pressekonferenz über den Einsatz der Polizei an der Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz.
Polizeipräsident Uwe Reißmann, spricht am 20.02.2016 auf einer Pressekonferenz über den Einsatz der Polizei an der Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz. dpa-Zentralbild

Clausnitz - Nach ihrem umstrittenen Einsatz bei fremdenfeindlichen Protesten vor einer Asylbewerberunterkunft im sächsischen Clausnitz hat die Polizei die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Flüchtlinge verteidigt. Diese sei „absolut notwendig“ und „verhältnismäßig“ gewesen, sagte der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann am Samstag. Er räumte zugleich ein, dass die Polizei personell nicht in der Lage gewesen sei, die Versammlung von rund 100 aufgebrachten Protestierern aufzulösen.

Derzeit geht die Polizei 14 Anzeigen etwa wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht oder Nötigung nach. Reißmann rechnete damit, dass die Zahl in den nächsten Tagen noch steigen wird. Außerdem seien mehr als 50 Online-Anzeigen wegen des Polizeieinsatzes eingegangen.

In dem kleinen Erzgebirgsort hatten Demonstranten am Donnerstagabend versucht, die Ankunft des Busses mit den ersten Bewohnern einer neuen Asylbewerbereinrichtung zu verhindern. Auf einem Internet-Video ist zu sehen, dass ein Polizist einen Jungen im Klammergriff aus dem Bus in die Unterkunft zerrt. Laut Reißmann kam der überwiegende Teil der Protestierer aus dem Ort selbst.

Solidaritätkundgebung geplant

Das ZDF berichtete, der Leiter der Unterkunft gehöre der rechtspopulistischen AfD an. Die AfD weist ihn im Internet aber als Mitorganisator von Parteiveranstaltungen aus.

Am Ankunftsabend hatten die Flüchtlinge augenscheinlich aus Angst vor den Protesten und der chaotischen Situation den Bus zunächst nicht verlassen wollen. Die Flüchtlinge berichteten am Samstag, dass nicht nur der im Internet-Video zu sehende Jungen von einem Bundespolizisten aus dem Bus gezerrt wurde: Auch einer Frau habe die Polizei die Arme auf den Rücken gedreht und sie zwangsweise aus dem Bus geholt.

Der betreffende Junge ist nach eigenen Angaben 14 Jahre alt und stammt aus Tripoli im Libanon. Er ist mit seinem Bruder und seinem Vater seit drei Monaten in Deutschland und war zunächst in Dresden untergebracht. Der Bruder ist auf dem Video zu sehen, wie er freiwillig, aber weinend den Bus verlässt.

Für den Abend war in Clausnitz, einem Ortsteil von Rechenberg-Bienenmühle, eine Solidaritätskundgebung geplant.

„Beschützer des Grundgesetzes“

Der sächsische Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek sagte mit Blick auf die Vorfälle vom Donnerstagabend: „Das sind keine Bilder, die wir hier in Deutschland sehen wollen. Das, was am Donnerstagabend passiert ist, darf nie normal werden.“

Grünen-Bundeschef Cem Özdemir betonte: „Jeder, der eine Uniform unseres Landes trägt, vertritt und schützt unser Grundgesetz.“ Wer damit ein Problem habe, müsse sie ablegen. Da dürfe es kein Pardon geben. „Der leitende Polizeibeamte des Einsatzes von Clausnitz wurde dieser Verantwortung nicht gerecht und sollte suspendiert werden.“

Die Grünen wollen den Polizeieinsatz am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags thematisieren. Die Fraktion bestätigte auf Anfrage eine entsprechende Meldung des MDR.

Linke-Landtagsfraktionschef Rico Gebhardt betonte: „Menschen, die Busse blockieren, die hilflose Kinder, Frauen und Männer zusammenschreien, kann ich nur als Rassisten bezeichnen.“ Zudem müsse das Verhalten einzelner Polizisten aufgeklärt werden. Ein rabiater Umgang mit Kindern sei nicht zu entschuldigen. (dpa)