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Direktkandidaten im Wahlkreis 24 Direktkandidaten im Wahlkreis 24: Frank Scheurell tritt für die Christdemokraten an

Von Irina Steinmann 21.02.2016, 11:31
Zeigt sich geschichtsinteressiert: Frank Scheurell wählte als Hintergrund das Melanchthonhaus.
Zeigt sich geschichtsinteressiert: Frank Scheurell wählte als Hintergrund das Melanchthonhaus. Thomas Klitzsch

Wittenberg - „Ich bin doch pünktlich, oder?“, sagt er, als er, Handy am Ohr, pünktlich im „Best Western“ eintrifft. Er hat es selbst vorgeschlagen als Gesprächsort, die Lobby ist sein zweites Wohnzimmer und deshalb kommt keine der Damen Mitarbeiterinnen, die hier zwischen Küche und Theke hin und her huschen, grußlos an ihm vorbei. „Ich kenne sie alle mit Namen“, sagt Frank Scheurell und das glaubt man ihm sofort.

Frank Scheurell, Jahrgang 1962, ist gebürtiger Wittenberger, der Geburtstag des Katholiken fällt ausgerechnet auf den Reformationstag. Scheurell hat einen Bruder und eine Schwester (Karin Scheurell führte lange Jahre einen Schuhladen in der Wittenberger Altstadt) und sagt, er sei dankbar, dass seine Eltern wohlauf sind.

Als Ausgleich für seine beiden Berufe, Landtagsabgeordneter und Firmenchef, schätzt er klassische Musik (ja, Opern, ja, auch Wagner) und Kulturreisen, hier vor allem Budapest und Prag. In den Städten geht’s dann auch in die Oper oder in den Botanischen Garten. Außerdem sei er sehr geschichtsinteressiert und suche am Tag der Deutschen Einheit gerne wechselnde Orte von nationaler Bedeutung auf, etwa den Kyffhäuser. Ja, Vorbilder habe er auch. „Aber die nenne ich nicht.“ Kein Geheimnis ist dagegen, dass Scheurell Mitglied im Förderverein Berlin-Anhaltische Eisenbahn ist.

Da ist wieder dieser schillernde Kontrast zwischen Scheurell, dem gern mal polternden Provokateur auf politischem Parkett, und dem Politiker, der sich den Menschen zuwendet. Klar, das sind immer auch Wähler in spe, doch hat Scheurell in der Vergangenheit mehr als einmal bewiesen, dass er auch dorthin geht, wo es wehtut. „Mein Kosename ist ,Buh’“, sagt er nicht ohne Sündenstolz über seine Begrüßung auf Gewerkschaftsveranstaltungen. Und grinst.

Welche Maßnahmen würden Sie treffen, um die hohe Zahl von Flüchtlingen gut zu integrieren?

Umgehend landesweit mit Sozialpartnern kooperieren und Programme für Integration und Bildung umsetzen für diejenigen, die eine Bleibeperspektive im Land haben, um ihnen die Leitkultur in Deutschland zu vermitteln. Wer nicht schutzbedürftig ist und daher keine Bleibeperspektive hat, muss Deutschland umgehend verlassen.

Es fehlt  im Land vor allem an hoch qualifizierten und gut bezahlten Jobs. Wie soll das geändert werden?

Solche Jobs können im Landtag nicht einfach beschlossen werden. Wir müssen stattdessen die Rahmenbedingungen verbessern, damit sich Unternehmen im Land ansiedeln. Schwerpunkte setzen und fördern bei der Infrastruktur, in der Bildung, durch Stärkung des Mittelstandes und niedrige Steuern als Anreiz für Neugründungen.

Wofür wollen Sie sich - im Falle Ihrer Wahl - als Landtagsabgeordneter ganz besonders einsetzen?

In meinem Wahlkreis für Kontinuität und nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur: Bahnhöfe/Ortsumfahrungen, ÖPNV- Bauvorhaben zum Reformationsjubiläum, das sind die Herausforderungen, denen ich mich  stellen will. Zum Denkmalrecht-Mitsprache der Eigentümer und Kommunen, für eine Novellierung vom Denkmalschutzgesetz.

Was ist nötig, damit  erwartete positive Effekte über das Jubiläumsjahr 2017 hinaus anhalten?

Die Bedeutung für unsere Stadt 2017 in der „Oberliga“ zu spielen ist bekannt. Der Ausbau der Infrastruktur schafft Impulse für die Stadt und höhere Lebensqualität. Mit der neuen Qualität und Betreuung unserer Gäste wird ein nachhaltiger Effekt geschaffen. Es muss gelingen das Niveau zu halten, um auch den Effekt in der Region zuhalten.

Wittenberg drängt  auf Ortsumfahrungen. Sehen Sie  Möglichkeiten, die Realisierung zu beschleunigen?

Ja, unter der Bedingung dass, die neue Regierung die Planverfahren für die B 187n (NOU) unverzüglich einleitet und erfolgreich abschließt, denn nur wo Baurecht herrscht, kann auch gebaut werden. Das trifft auch zu für die Maßnahmen B 2n, OU Coswig-Griebo, und die L 126n, die mit hoher Dringlichkeit zu  befördern sind.

Am 13. März möchte der Wittenberger Christdemokrat, der auch dem Stadtrat angehört, wieder in den Landtag gewählt werden, es wäre seine vierte Legislaturperiode seit dem Ersteinzug 2001. „Die ersten vier Jahre ist man Student“, blickt er zurück und legt seine Stirn flankierend in seriöse Falten. Und, komisch, oder?, Hochwasser war eigentlich immer, 2002, 2006, 2013..., das erste Mal war er selbst betroffen. Da merkt man dann, sagt Scheurell, dass es ein Riesenunterschied ist, einen Überschwemmungsort zu besuchen - oder eben im eigenen Haus bis über die Knie im Dreckwasser zu stehen. Der Landtag sei über die Jahre aber routinierter geworden im Umgang mit solchen Katastrophen. Und er selbst? Wurde Sprecher seiner Fraktion für Entwicklung und Verkehr und ist es bis heute. Dort liegen auch seine inhaltlichen Ziele. „Ich möchte erreichen, dass die Region von der Bahn und eines Tages auch von der Straße her erschlossen ist.“ Der Bau des Wittenberger Hauptbahnhofs sei eine Erfolgsgeschichte. Aber die Nordumfahrung? „Ich setze mich dafür ein“, sagt Scheurell, „aber ich sehe sie noch nicht. Da mache ich den Leuten nichts vor.“

Rund 1,9 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Bei der Landtagswahl 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 51,2 Prozent. Es treten landesweit 15 Parteien zur Wahl an. Insgesamt 423 Kandidaten wollen ins Parlament einziehen. Sachsen-Anhalts Landtag hat künftig nach einer Parlamentsreform mindestens 87 Abgeordnete.

Jeder Wähler hat zwei Stimmen. In den 43 Wahlkreisen wird per Erststimme je ein Abgeordneter direkt gewählt. Die übrigen Mandate werden entsprechend der Zweitstimmen über die Landeslisten verteilt.

Bislang sind vier Parteien im Landtag. Zuletzt gehörten 68 Abgeordnete der Regierungskoalition (CDU 42, SPD 26) an. Die Linke stellte 28 und die Grünen 9 Abgeordnete. Zu Beginn der Wahlperiode war die Sitzverteilung noch leicht anders, weil eine Linke-Abgeordnete zwischenzeitlich zur CDU wechselte.

Spitzenkandidat der CDU ist Ministerpräsident Reiner Haseloff (61). Die Linkspartei stellte ihren Fraktionsvorsitzenden Wulf Gallert (52) auf Platz eins. Die SPD zieht mit Fraktions- und Parteichefin Katrin Budde (50) in den Wahlkampf. Bei den Grünen ist Fraktionschefin Claudia Dalbert (61) das Aushängeschild. Die Alternative für Deutschland (AfD) tritt mit Landeschef André Poggenburg (40) an, die FDP mit Frank Sitta (37).

Das Flüchtlingsthema dominiert zahlreiche Debatten. Aber auch die Wirtschaftslage, die Personalausstattung bei der Polizei oder Kosten für die Kinderbetreuung sind wichtige Themen.

Das letzte ZDF-„Politbarometer“ sah die CDU bei 33 Prozent, Linke und SPD jeweils bei 19 Prozent. Die AfD käme auf 15 Prozent, die Grünen müssten mit 5 Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, die FDP würde scheitern.

Keine Partei will mit der rechtspopulistischen AfD zusammengehen. Daher wäre eigentlich nur die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition möglich. Linke, SPD und Grüne zusammen hätten keine Mehrheit im Landtag.

Bei den vorangegangenen Wahlen auf Landesebene hat er sich stets mit Abstand und Ergebnissen über 40 Prozent gegen seine Kontrahenten durchgesetzt. Jetzt nippt er an seinem Tee und mag nicht im Kaffeesatz lesen. Die Unbekannte, die sein Abschneiden trüben könnte, heißt natürlich AfD.

Dabei ist es gar nicht leicht, Frank Scheurell rechts zu überholen. „Ich bin national eingestellt“, sagt er (und zeigt dies nicht nur am Tag der Deutschen Einheit, dann ist sein Haus beflaggt), „ich bin ein Konservativer.“ Asyl? Nur „nach Notwendigkeit“, soll heißen, Grenze erstmal zu und dann sorgfältig prüfen, wer herein darf. Das entscheidet freilich nicht das Land. Trotzdem darf man aber doch erschüttert sein über das „Staatsversagen“? „Dass das System so ins Wanken gerät...“

Der 53-Jährige ist kein Berufspolitiker. Seine Dachdeckerfirma hat der Bauingenieur nie aufgegeben. Dies sei freilich nur möglich dank der (sieben) Mitarbeiter, auf die er sich verlassen könne. In dem Moment klingelt sein Handy, einer seiner Leute ist dran. Scheurell entschuldigt sich, es sei wichtig. (mz)