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Kommentar nach dem Terror von Ankara Kommentar nach dem Terror von Ankara: Der Albtraum der Türkei ist auch unserer

Von Thomas Kröter 18.02.2016, 18:33
Am Mittwochabend wurde die türkische Hauptstadt Ankara von einem Terroranschlag heimgesucht.
Am Mittwochabend wurde die türkische Hauptstadt Ankara von einem Terroranschlag heimgesucht. Getty Images Europe

Einen „360-Grad-Albtraum“ hat der US-Journalist Thomas L. Friedman die außen- und sicherheitspolitische Lage der Türkei genannt – weil sie mittendrin steckt in jenem explosiven Schlamassel, der vom Balkan über Syrien und den Irak bis zum asiatischen Teil Russlands reicht. Vor zehn Jahren war das. Damals war vom „Islamischen Staat“ noch nicht die Rede. Von der internationalen Flüchtlingskrise erst recht nicht. Nun beweisen die neuen Anschläge von Ankara, wie aktuell der Befund ist. Heute müssen wir hinzufügen: Es ist unser Albtraum.

Mag die EU den Mitgliedschaftsavancen des Landes noch so konsequent die kalte Schulter zeigen – seine Probleme sind europäische Probleme. Und ihr aktuelles Problem Nummer eins kann die Gemeinschaft nicht ohne die Türkei lösen: die Flüchtlingskrise. Leider gibt die Politik des „kranken Mannes am Bosporus“, wie schon ihr osmanischer Vorgänger genannt wurde, zu wenig Hoffnung Anlass. Denn Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich gern als starker Mann inszeniert, trägt durch seine Konfrontationspolitik zur eigenen Schwächung bei.

Nahrung für Erdogangs innenpolitisches Feindbild

Ein Teil der Anschläge in der Türkei geht auf das Konto des „Islamischen Staates“. Nicht ausgeschlossen, dass diesmal Kräfte organisierter Kurden diesseits oder jenseits der Landesgrenzen zugeschlagen haben. Die PKK weist diesen Vorwurf von sich. Aber weil am Tatort offenbar Spuren eines jungen Mannes gefunden wurden, der dem syrischen PKK-Ableger „nahegestanden“ habe, behauptet die türkische Regierung Gewissheit: Die PKK war’s! Erdogan braucht Nahrung für sein innenpolitisches Feindbild.

Die Bundesregierung lässt nichts unversucht, die Türkei als Verbündeten bei der Sicherung der EU-Außengrenze zu gewinnen. Sie hat sich für umfangreiche materielle Hilfe eingesetzt, um die Last zu lindern, die bald drei Millionen syrische Flüchtlinge bedeuten. Berlin schickt deutsche Grenzschützer. Es hat dafür gesorgt, dass die Nato umgehend den Wunsch Ankaras erfüllt, Schiffe des Bündnisses bei der Überwachung der Grenze zur See einzusetzen. Sogar die türkische Forderung nach einer Flugverbotszone im Norden Syriens hat Kanzlerin Angela Merkel sich zu eigen gemacht – obwohl das die Bemühungen um eine Waffenruhe nicht erleichter. Denn Russland ist strikt dagegen.

Nun hat Ankara wegen der Anschläge die Teilnahme an Gesprächen in Brüssel mit jenen EU-Ländern abgesagt, die sich besonders um eine gemeinsame Lösung Europas und der Türkei bemühen. Schon wird über ein Ende dieser „Koalition der Willigen“ spekuliert. Was soll man davon halten, wenn Präsident Erdogan erklärt: „Egal, wie grob, wie gnadenlos, wie gewissenlos die westlichen Länder sich verhalten, sie haben keine Chance, diesen Strom unter Kontrolle zu halten.“

Albtraum der Türkei zum großen Teil hausgemacht

Was für ein Verbündeter! Dazu kommt die Kurzsichtigkeit seiner Machtpolitik. Lange hat er seine politischen Geschäfte mit dem IS gemacht und so zu dessen Stärkung beigetragen. Inzwischen muss er feststellen, dass deshalb die Geschäfte des Tourismus einbrechen, die für die Wirtschaft seines Landes so wichtig sind.

Wie nahe war seine Regierung an einer Entspannung des Verhältnisses zu den Kurden! Aber weil deren Partei zu viele Stimmen auch im Rest des Landes bekam, musste er alles wieder zunichtemachen. Der „360-Grad-Albtraum“ der Türkei ist zum großen Teil auch hausgemacht. Was dagegen zu tun ist, hat Thomas L. Friedmann schon vor mehr als zehn Jahren geschrieben. Sie sei daran zu erinnern, „dass es der beste Weg ist, kurdischen Separatismus zu bekämpfen, dafür zu sorgen, dass sich die türkischen Kurden zu Hause fühlen mit mehr Meinungsfreiheit und Menschenrechten“. Andernfalls wird auch Europa den türkischen Nachtmahr nicht los.