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Zugunglück mit neun Toten Zugunglück mit neun Toten: Suche nach der Unglücksursache in Bad Aibling

Von Peter Neumann 09.02.2016, 16:32
Die Unfallstelle in Bad Aibling
Die Unfallstelle in Bad Aibling AP Lizenz

Sanft schlängelt sich das Flüsschen Mangfall an den Bahngleisen entlang, die Alpen wirken zum Greifen nah. Die Regionalbahnstrecke, die durch das Flusstal führt, zählt zu den schönsten in Bayern. Doch am Dienstagmorgen wird das Idyll jäh gestört: Zwischen den Bahnhöfen Kolbermoor und Bad Aibling stoßen gegen 6.50 Uhr zwei Züge der privaten Bayerischen Oberlandbahn frontal zusammen. Mindestens neun Menschen sterben, darunter die beiden Lokführer. Zudem werden nach Angaben der Polizei 18 Fahrgäste schwer und 63 weitere leicht verletzt. Eine Person wird noch vermisst.

Nach Angaben des französischen Bahnbetreibers Transdev prallten die Regionalzüge frontal aufeinander und verkeilten sich ineinander. Ein Zug entgleiste, mehrere Wagen stürzten um. Ein Passagier sagte dem Lokalsender Rosenheim24, er habe nach dem Unfall überall Menschen um Hilfe rufen hören. Einige Zuginsassen hätten sich zunächst selbst befreit, bald seien Retter vor Ort gewesen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eilte an die Unglücksstelle und äußerte sich schockiert.

Die Züge seien vermutlich „mit sehr hoher Geschwindigkeit aufeinandergeprallt“, sagte er. Auf der eingleisigen Strecke Holzkirchen–Rosenheim sind Geschwindigkeiten von bis zu 100 Kilometer pro Stunde erlaubt. Der Unfall geschah in einer Kurve, so dass sich die Lokführer offenbar nicht sahen und die Züge „weitestgehend ungebremst“ kollidierten.

Laut Dobrindt wird nun ermittelt, ob es sich um technisches oder menschliches Versagen handelt. Derzeit würden die in den Zügen befindlichen Blackboxen ausgewertet. Zwei Aufzeichnungsgeräte seien bereits gesichert, ein weiteres befinde sich noch in einem verkeilten Zugteil. Die Ergebnisse müssten abgewartet werden, sagte Dobrindt.

Um Unfälle zu vermeiden, ist das rund 33 000 Kilometer lange Schienennetz der DB mit Sicherungssystemen ausgestattet – auch die 1 182 Kilometer langen eingleisigen Strecken in Berlin und Brandenburg. Die Technik soll dafür sorgen, dass sich auf jedem Abschnitt nicht mehr als ein Zug befindet. Die 37 Kilometer lange Strecke Holzkirchen-Rosenheim ist mit der punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB) gesichert. Sensoren an Gleisen und Loks überwachen den Betrieb. Ignoriert ein Lokführer ein Signal, das Halt gebietet, wird eine Zwangsbremsung eingeleitet. Die PZB 90 sei vor rund einer Woche überprüft worden, sagte der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Bayern, Klaus-Dieter Josel. Probleme gab es nicht.

In Mannheim rammt ein Güterzug einen Eurocity mit 250 Passagieren - zwei Waggons stürzen um, 35 Menschen werden verletzt. Der Lokführer des Güterzugs hatte ein Haltesignal übersehen.

Ein Intercity entgleist beim Verlassen des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Acht Menschen werden verletzt. Bereits im Juli war an gleicher Stelle ein IC aus den Gleisen gesprungen. Ursache waren jeweils defekte Puffer an den Waggons.

Eine Regionalbahn stößt bei Offenbach (Hessen) mit einem Baukran-Zug zusammen. Drei Menschen werden getötet, 13 verletzt.

Ein Regionalzug rast in Nordfriesland in eine Rinderherde und kippt um. Ein Fahrgast kommt ums Leben.

Geröll stürzt bei heftigen Regenfällen ins Gleis und lässt einen Intercity mit etwa 800 Menschen an Bord bei St. Goar im Rheintal entgleisen. 15 Menschen werden verletzt.

Zehn Menschen sterben, als ein Nahverkehrszug bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt mit einem Güterzug zusammenstößt. Ein Lokführer hatte zwei Haltesignale überfahren.

Bei einer Feier zum 125-jährigen Bestehen der historischen Lößnitzgrundbahn in Sachsen stoßen zwei der historischen Züge zusammen. 52 Menschen werden verletzt, vier von ihnen schwer.

Ein ICE rast südlich von Fulda (Hessen) in eine Schafherde und entgleist teilweise - 73 Verletzte.

Bei Schrozberg in Baden-Württemberg stoßen zwei Regionalzüge zusammen. Sechs Menschen sterben.

In einer Baustelle des Bahnhofs Brühl bei Köln entgleist der Nachtexpress von Amsterdam nach Basel an einer Weiche. Bilanz: Neun Tote, 149 Verletzte.

Allerdings ist trotz PZB auch ein anderes Verfahren möglich. Fahrdienstleiter dürfen ein Ersatzsignal, intern Zs1 genannt, stellen. Damit wird einem Lokführer gestattet, an einem roten Hauptsignal vorbeizufahren – allerdings ist maximal Tempo 40 erlaubt. Diese Praxis wird zum Beispiel bei Störungen angewandt, allerdings muss der Fahrdienstleiter zahlreiche Vorschriften beachten. „Irgendwer muss einen Fehler gemacht haben, jemand im Stellwerk“, sagte ein ehemaliger Eisenbahner dieser Zeitung.

Die Züge sollten sich in Kolbermoor begegnen, so der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Warum es eine Abweichung vom Fahrplan gab, muss ermittelt werden“, sagte er. Der Zug aus Rosenheim hätte vier Minuten warten müssen, der Gegenzug hatte offenbar etwas Verspätung, hieß es in einem Internetforum. Der Polizeipräsident von Oberbayern Süd, Robert Kopp, wies darauf hin, dass wegen der Faschingsferien nur rund 150 Fahrgäste an Bord waren. Deshalb fuhren anders als sonst auch keine Schüler mit.

ist eine Marke der Bayerischen Oberlandbahn, die wiederum Tochter der Transdev GmbH ist.

ein französischer Verkehrskonzern. Das Unternehmen ist in 20 Ländern aktiv und hat etwa 83 000 Mitarbeiter. Der Umsatz im Jahr beträgt rund 6,6 Milliarden Euro.

bezeichnet sich selbst als „der führende private Nahverkehrsanbieter im deutschen Bahn- und Busverkehr“. Zu den Angeboten gehören Bahn-, Bus- und Tram-Verbindungen.

beschäftigt die Gruppe rund 5000 Mitarbeiter. Umsatz: 850 Millionen Euro.

befördert das Unternehmen hierzulande rund 240 Millionen Fahrgäste.

Transdev sind je zur Hälfte das staatliche französische Finanzinstitut Caisse des Dépôts (CDC) und der börsennotierte Konzern Veolia Environnement. Letzterer will seinen Anteil an CDC verkaufen.

Knapp 700 Rettungs- und Sicherheitskräfte sowie 15 Hubschrauber waren im Einsatz. Unterstützung kam aus Österreich. Die Bergungsarbeiten gestalteten sich schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Wald an einer Hangkante neben der Mangfall liegt. Für Straßenfahrzeuge war sie unerreichbar. Hubschrauber zogen Opfer in Bergungssäcken hoch.

Das Zugunglück von Bad Aibling ist das schwerste in Bayern seit dem Unfall bei Warngau. 1975 waren zwischen Lenggries und München zwei Züge frontal zusammengestoßen, 41 Menschen kamen ums Leben.

Das Zugunglück löste bundesweit Entsetzen aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte: „Ich bin bestürzt und traurig.“ Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zeigte sich betroffen.“ Die CSU sagte aus Respekt vor den Opfern ihren traditionellen Politischen Aschermittwoch ab. SPD, Linke und Grüne folgten dem Schritt, die CDU erwog eine Absage. (ost., dpa, epd, AFP)