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Tagebau Profen Tagebau Profen: Genug Kohle nach der Kohle?

Von Steffen Höhne 17.02.2016, 09:09
Abraum  wird im Tagebau Profen über einen sogenannten Absetzer bewegt.  Das riesige Gerät verteilt das Erdreich auf der Verkippungsseite.
Abraum  wird im Tagebau Profen über einen sogenannten Absetzer bewegt.  Das riesige Gerät verteilt das Erdreich auf der Verkippungsseite. dpa

Halle (Saale)/Zeitz - Riesige Schaufelradbagger graben sich im Tagebau Profen Meter für Meter nach vorn. Zunächst tragen sie Erdreich ab, um an die darunter liegende Braunkohle zu kommen. Zwischen neun bis zehn Millionen Tonnen Kohle fördert so die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) jährlich allein in dem Tagebau im Burgenlandkreis. Der Brennstoff wird vor allem an das Kraftwerk Schkopau im Saalekreis geliefert. Dort, wo keine Kohle mehr lagert, werden die Böschungen mit Abraum aufgefüllt und begrünt. Der Tagebau „wandert“ von Jahr zu Jahr. Ein Teil der Sanierung und Rekultivierung von Flächen findet bereits im laufenden Betrieb statt. Ähnlich verhält es sich bei dem sächsischen Mibrag-Tagebau Vereinigtes Schleenhain.

Rückstellungen nicht insolvenzfest

Aus den Kohle-Verkaufserlösen muss das Unternehmen zudem Rückstellungen bilden, um nach Auslaufen der Förderung aus den Tagebauen unter anderem neue Seenlandschaften entstehen zu lassen. Sachsen-Anhalts Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert hat allerdings Zweifel, dass dies in ausreichendem Maße geschieht. „Die Rücklagen sind nicht krisensicher. Im Falle einer Pleite könnte das Land auf Millionenkosten sitzen bleiben“, sagte Dalbert der MZ.

Die Aussagen der Spitzenkandidatin der Grünen zur kommenden Landtagswahl sind kein Wahlkampfgetöse. Auf MZ-Anfrage bestätigt Sachsen-Anhalts Wirtschaftsministerium: „Generell sind Rückstellungen nicht insolvenzfest.“ Das Landesamt für Geologie und Bergwesen soll daher im Auftrag des Ministeriums prüfen, ob die Mibrag eine sogenannte Sicherheitsleistung für die Tagebaue aufbringen soll. Kurz: Der Kohleförderer könnte verpflichtet werden, seine Vorsorge aufzustocken. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine „Lex Mibrag“. Auch andere Bergbau-Unternehmen wie den Salzförderer K+S prüft die Behörde. Bei der Mibrag könnte aber besonders intensiv hingeschaut werden.

Was ist passiert? Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben durch externe Gutachter eine Bewertung des erforderlichen Rekultivierungsaufwandes vornehmen lassen. Dieser beträgt demnach insgesamt 128,7 Millionen Euro. Das Unternehmen hat dafür nach eigenen Angaben bilanzielle Rückstellungen getroffen. Welcher Art diese sind, wird offen gelassen. Das Kohle-Unternehmen muss die Mittel jedenfalls nicht als „totes Kapital“ auf einem Bankkonto horten. „Die Mibrag wird die für die Erfüllung der Rekultivierungsverpflichtungen benötigten Finanzmittel aus dem laufenden Geschäftsbetrieb wie bisher und künftig aufbringen können“, versichert die Firmen-Führung. Aktuell bereitet das keine Probleme. Die Gruppe mit rund 3 000 Mitarbeitern hat 2014 einen Gewinn von 70 Millionen Euro erwirtschaftet und damit eine stolze Umsatzrendite von 16 Prozent erzielt. Viele Industriebetriebe erreichen keine fünf Prozent Rendite. Der Kohleförderer geht davon aus, dass die Tagebaue Profen und Vereinigtes Schleenhain bis 2035 beziehungsweise 2040 betrieben werden. Gerade am Ende der Laufzeit sind die Investitionskosten niedrig. Die freien Mittel sollen dann zur Sanierung und Flutung der Tagebaue eingesetzt werden. So geht nicht nur die Mibrag vor. Auch andere Kohleförderer wie RWE und Vattenfall verfolgen dieses Konzept in ihren Revieren.

Doch diese Rechnung muss nicht aufgehen. Durch verschärfte Klimaschutzrichtlinien werden in Deutschland schon in den kommenden Jahren die ersten Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Betroffen ist auch das Mibrag-Kraftwerk im niedersächsischen Buschhaus. Möglich wird dies, da der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorankommt als erwartet. „Die Kohle-Industrie hat schon in der Vergangenheit die Dynamik der Entwicklung unterschätzt“, sagt Grünen-Politikerin Dalbert. Sie weist darauf hin, dass die Mibrag derzeit ihre noch hohen Gewinne komplett an den tschechischen Eigentümer, die Energieholding EPH, abführt. „Wer garantiert, dass EPH künftig auch alle anfallenden Kosten tragen wird?“

Das Misstrauen - nicht nur bei Dalbert - rührt aus einem ganz anders gelagerten Fall: einem Müllskandal. Zwischen 2005 und 2008 wurde in den Tongruben Vehlitz und Möckern (beide Jerichower Land) mutmaßlich illegal hausmüllartiger Abfall abgelagert. Als dies bekanntwurde, meldeten die beiden Betreibergesellschaften Insolvenz an. Die Sanierungskosten zur Gefahrenabwehr musste vorerst das Land übernehmen. Bisher wurden 16 Millionen Euro ausgegeben. Mit dem Mülllieferanten und Besitzer der Unternehmen, dem französischen Konzern Veolia, ist das Land seit Jahren im juristischen Streit um die Kosten.

Folge des Müllskandals

Der Müllskandal war für das Wirtschaftsministerium nach eigenen Angaben der Auslöser, bei größeren Bergbau-Firmen die Festsetzung einer Sicherungsleistung prüfen zu lassen. Denn sollte etwa die Mibrag - aus welchen Gründen auch immer - in finanzielle Not geraten, müssten die Tagebau-Gebiete auch sofort gesichert werden. Dafür würde dann die Sicherungsleistung zur Verfügung stehen. Eine mögliche Rekultivierung der Tagebaue vor der anvisierten Schließung 2035 würde zudem deutlich teurer werden.

Unüblich sind Sicherungsleistungen bei kleineren Bergbaufirmen nicht. Die Betreiber von Kiesgruben etwa müssen Bankbürgschaften hinterlegen. Laut Bergbauexperten könnte es aber schwierig werden, die Höhe einer Sicherheitsleistung bei großen Unternehmen festzulegen. Welche Laufzeit für die Tagebauen soll dabei zugrunde gelegt werden? Gefährdet man Unternehmen wirtschaftlich, wenn man ihnen größere Geldsummen entzieht? Nach Ansicht von Dalbert kann sich das Land allerdings nicht allein darauf verlassen, dass die Mibrag die Kosten der Sicherungs- und Rekultivierungsmaßnahmen eigenständig ausreichend absichert. Nach ihrer Ansicht müssen die Rückstellungen insolvenzfest werden. (mz)