1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Prozess gegen Ex-Jobcenter-Chefin Sylvia Tempel : Prozess gegen Ex-Jobcenter-Chefin Sylvia Tempel : Zweifel an der Anklage

Prozess gegen Ex-Jobcenter-Chefin Sylvia Tempel  Prozess gegen Ex-Jobcenter-Chefin Sylvia Tempel : Zweifel an der Anklage

Von Jan-Ole Prasse 27.01.2016, 11:50
Sylvia Tempel am Mittwoch im Amtsgericht mit Verteidiger Uwe Berthold
Sylvia Tempel am Mittwoch im Amtsgericht mit Verteidiger Uwe Berthold silvio kison Lizenz

Halle (Saale) - Am Ende des ersten Prozesstages erscheint auf Sylvia Tempels Gesicht erstmals ein Lächeln. Denn die letzten Worte von Amtsrichter Thomas Dancker deuten daraufhin, dass die ehemalige Chefin des Jobcenters in Halle straffrei aus dem Verfahren wegen Vorteilsannahme gehen könnte. „Ich habe vorsichtige Zweifel, ob der Anklagevorwurf haltbar ist“, sagte er.

Die Staatsanwaltschaft ist dagegen davon überzeugt, dass Tempel im Oktober und November 2012 wissentlich Ein-Euro-Jobber auf ihrem Grundstück einsetzte, um einen italienischen Garten mit Balustrade, Rankgitter, Weinstock und Olivenbaum aus der Ausstellung des Beruflichen Bildungswerkes (BBW) in der Neuen Residenzbauen zu lassen. Pikant an der Sache: Das Jobcenter war für die Auswahl und Vermittlung der Ein-Euro-Jobber in diese Maßnahme zuständig. Die Anklage beziffert die Material- und Arbeitskosten auf zusammen auf etwa tausend Euro. Die Leistungen habe das BBW Tempel nie offiziell in Rechnung gestellt.

Projektleiterin beteuert Tempels Unschuld

Dieser Auffassung widersprach am Mittwoch die als wichtigste Zeugin geladene Projektleiterin überraschend in ihrer zweieinhalbstündigen Aussage. Tempel habe nicht gewusst, dass Ein-Euro-Jobber auf ihrem Grundstück eingesetzt würden. Das habe sie, nachdem ihr die ehemalige Jobcenter-Chefin Interesse an den Gegenständen geäußert und den Schlüssel für ihr Haus übergeben habe, vollkommen selbstständig entschieden. „Das war ein großer Fehler von mir“, sagte die 47-Jährige, die ihren Strafbefehl über 1 800 Euro in dieser Sache akzeptiert hat. Es sei üblich gewesen, dass Gegenstände aus den Ausstellungen in der Residenz anschließend verkauft worden seien. Tempel habe im Januar 2013 600 Euro in Bar dafür bezahlt.

Zudem habe sie Sylvia Tempel mit den Arbeiten nie einen Vorteil gewähren wollen, damit das BBW weiterhin Arbeitsmaßnahmen vom Jobcenter genehmigt bekomme. „Ich habe daran überhaupt keinen Gedanken verschwendet“, sagte die Projektleiterin. Diese Arbeiten hätte sie auch für jeden anderen angeordnet. Zudem habe Tempel als Jobcenter-Chefin nicht darüber entschieden, dass Arbeitslosenprojekte des BBW genehmigt würden.

Verteidiger will im Februar Erklärung abgeben

Der Staatsanwalt Albrecht Wetzig konfrontierte die Projektleiterin mehrfach mit widersprüchlichen Aussagen im Ermittlungsverfahren. Dort habe die 47-Jährige zu Protokoll gegeben, dass der Wunsch von Tempel, Gegenstände aus der Ausstellung zu bekommen, nicht zurückgewiesen werden konnte. Man könne nicht einfach der Jobcenter-Chefin vor den Kopf stoßen. Die Projektleiterin sagte im Prozess, dass diese Aussagen falsch interpretiert würden.

Tempel selbst äußerte sich am Mittwoch nicht. Die 54-Jährige hatte die Vorwürfe aber stets zurückgewiesen und gegen den von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl über 15 000 Euro Einspruch eingelegt. Verteidiger Uwe Berthold kündigte an, dass die Verteidigung am zweiten Prozesstag am 17. Februar eine Erklärung abgeben wolle. (mz)