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Berlinale-Eröffnungsfilm "Hail Caesar!" Berlinale-Eröffnungsfilm "Hail Caesar!": "Geh raus und sei ein Star!"

Von Anke Westphal 11.02.2016, 18:31
Souverän wie immer, aber erst mit seinem Pappschwert komplett: George Clooney als römischer Centurio in „Hail, Caesar!“
Souverän wie immer, aber erst mit seinem Pappschwert komplett: George Clooney als römischer Centurio in „Hail, Caesar!“ Universal Lizenz

Als Clark Gable im Jahr 1924 in Hollywood auftaucht, machen sich die Filmproduzenten lustig über ihn: Er ist ihnen zu groß, hat schlechte Zähne und dazu auch noch riesige Segelohren. Als dann 1938 eine amerikanische Filmzeitschrift zur Wahl des Königs von Hollywood aufruft, stimmt eine überwältigende Mehrheit der Leser und Kinogänger für Clark Gable.

Dazwischen liegt der Siegeszug des Tonfilms und das, was man heute ein Make-over nennt: Dem Schauspieler mit der markanten Stimme wird ein künstliches Gebiss sowie ein flottes Oberlippenbärtchen verpasst. Fortan gilt Gable auf der Leinwand und auch privat als perfekter Herzensbrecher.

Liebeserklärung an das gute alte Hollywood

Diese hübsche Episode aus der Geschichte der Traumfabrik in Kalifornien adaptieren die Brüder Joel und Ethan Coen in ihrem neuen Film „Hail, Caesar!“, der überhaupt eine einzige große und dazu herrlich überdrehte Liebeserklärung an das gute alte Hollywood der 1940er- bis 1950er-Jahre und das Kino im Allgemeinen ist.

In „Hail, Caesar!“ holt der singende Cowboy Hobie Doyle (Alden Ehrenreich) beim ersten Rendezvous mit einem ihm vom Studio verordneten Starlet stolz die Vollprothese aus dem Mund – und kann sie gerade noch wieder einsetzen, bevor ihn eine Klatschreporterin (Tilda Swinton in einer Doppelrolle) überrascht.

Allein schon diese Szenen sind bezeichnend für den Ton der neuen Coen-Komödie, die genauso gut als fulminante Nummernrevue zur Hollywood-Geschichte und zu den diversen Filmgenres durchgehen könnte.

Im Mittelpunkt steht indes ein sogenannter Fixer: Solche Leute waren im Auftrag der großen Filmstudios dafür zuständig, gewisse heikle Probleme mit deren Stars zu bereinigen, die das Image beschädigen konnten.

Eddie Mannix (Josh Brolin) arbeitet für das Studio Capitol, das vom Bibelfilm über den B-Western bis hin zum Wasserballett-Musical alle mögliche Unterhaltungsware produziert. Selbstredend ist Mannix sofort zur Stelle, als eine allzu naive Vertragsschauspielerin Modell steht für gesetzwidrige Pin-up-Fotos.

Immerhin Europapremiere

Und er besorgt der aktuell gerade unverheirateten, aber bedauerlicherweise schwanger gewordenen DeeAnna Moran auch noch einen vierten oder fünften Ehemann – in Scarlett Johanssons Darstellung erkennt man unschwer eine Hommage an den Hollywood-Schwimm-Star Esther Williams und in der Capitol-Choreografie des Wasserballetts den freundlichen Respekt der Brüder Coen für die wunderschönen Filme von Busby Berkeley.

„Hail, Caesar!“ ist also ein Fest für Cineasten und Kinofans – und als Meta-Film über das Filmemachen an sich noch dazu eine perfekte Festivaleröffnung für die 66. Berlinale. Als kleiner Schönheitsfehler stört nur, dass dieser Film in Amerika bereits am 5. Februar in den Kinos angelaufen ist – Weltneuheiten sehen anders aus.

Immerhin kann sich die Berlinale wenigstens mit der Europapremiere brüsten – in Deutschland kommt das Werk am 18. Februar regulär in die Kinos – und eben mit einem Coen-Film! Seit Langem schon ist das multitalentierte Brüder-Duo, welches das Drehbuch, die Regie und – unter Pseudonym – den Schnitt verantwortet, über jeden Zweifel erhaben.

Über jeden Zweifel erhaben ist auch ihr sympathischer Held Eddie Mannix. Nun gibt es aber Tage, an denen selbst er an seine Grenzen gerät. Genau so einen Tag im Leben des fleißigen Fixers umspannt der Handlungsbogen von „Hail, Caesar!“.

Am Set eines Sandalen-und-Jesus-Monumentalschinkens von Capitol wird nämlich der Star entführt: Baird Whitlock verkörpert hier einen römischen Centurio mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen Autolochus – wenn wir richtig gehört haben –, was George Clooney nunmehr zum vierten Mal Gelegenheit gibt, sich vollständig zum Affen zu machen in einem Film der Coens.

Mit alberner Frisur und im wenig kleidsamen historischen Kostüm stapft er durch die Szenerie, ewig mit seinem Pappschwert kämpfend – bis er eben entführt wird, und zwar von einer Gruppe, die sich „Die Zukunft“ nennt.

Und hier ist zwar keineswegs Schluss mit lustig – die Sache bekommt aber doch einen starken politischen und philosophischen Beiklang. Denn als „Die Zukunft“ bezeichnet sich ein Zusammenschluss von linken Drehbuchautoren, die es satt haben, dass sie finanziell so wenig profitieren von den Filmen, an deren Erfolg sie doch entscheidend beteiligt sind als Kreative. Die Anklänge an die marxistische Dialektik und die Kommunistenverfolgungen unter Senator McCarthy werden im Film jedoch so souverän wie ironisch gehandhabt.

Channing Tatum darf brillieren

So springt ein kleines Hündchen namens Engels kläffend um die wackeren „Kommunisten“ herum, die in einer fabelhaften Villa am Meer von Dr. Marcuse persönlich angeleitet werden und, wie sich später herausstellt, nicht nur mit der „roten Gefahr“, sondern auch mit einem blonden Musical-Star, ebenfalls ein „Kommi“, kollaborieren. Alles und jeder bekommt also sein Fett weg in „Hail, Caesar!“, auch der Propaganda-Film frühsowjetischer Prägung. Diesbezüglich darf Channing Tatum brillieren – erst als steppender Matrose in einer homoerotischen Tanznummer mit dem Titel „No Dames“, später als heroischer Abgesandter der Hollywood-Kommis auf dem Weg nach Moskau.

Klar diene der „Schund“, den Hollywood-Studios wie Capitol verfertigen, nur der Unterdrückung der Volksmassen – schlimmer jedoch sei der militärisch-industrielle Komplex, heißt es. Nie steht im Zweifel, auf welcher Seite Joel und Ethan Coen stehen: Sie schließen sich keiner irgendwie politischen Fraktion an, sondern verteidigen einfach die Kunst der Fiktion und das Erfinden von Geschichten.

Genau das war und ist die Aufgabe von Hollywood, und darum geht es grundsätzlich in „Hail, Caesar!“: Um eine höhere Wahrheit, die mit dem Einsatz von Licht kundgetan wird. Das geht auch gern daneben, selbst wenn die Regieanweisung präzise ist wie hier: „In der Feuerschalen-Szene wird Leidenschaft zu Inbrunst.“ Es geht daneben, auch wenn Mannix Vertreter aller christlichen Kirchen zum Beratungsgespräch bittet. Am Ende ohrfeigt er den nunmehr hirngewaschenen Baird und befiehlt: „Geh raus und sei ein Star!“ Auch das passt ziemlich gut zur 66. Berlinale.

Ab 18. Februar läuft „Hail, Caesar!“ regulär in den Kinos