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Hausärzte in Bad Dürrenberg Hausärzte in Bad Dürrenberg: Neuer Chef in der Praxis

Von Melain van Alst 14.02.2016, 14:17
Im Sommer übernimmt André Kürstein die Praxisleitung von Ute Schnell. Sie wird weiterhin angestellt sein.
Im Sommer übernimmt André Kürstein die Praxisleitung von Ute Schnell. Sie wird weiterhin angestellt sein. Peter Wölk Lizenz

Bad Dürrenberg - Es wird Zeit, dem Nachwuchs den Vorrang zu lassen, findet Ute Schnell. Es wird Zeit, vielleicht ein bisschen kürzer zu treten. Am 1. Juli wird die Allgemeinmedizinerin daher ihre Praxis am Apothekerberg in Bad Dürrenberg an ihren Nachfolger André Kürstein übergeben. „Es ist das, was ich gewollt habe, was ich geplant habe, und ich bin dankbar, dass es so geklappt hat“, sagt sie mit einem Lächeln. Wirklich neu ist Kürstein in der Praxis nicht. Viele Patienten haben ihn in den vergangenen zwei Jahren schon kennengelernt, manche wollen sogar nur noch von ihm behandelt werden. Auch das ist etwas, was Ute Schnell genau so wollte.

Wer die Praxis als Patient kennt, weiß, dass neben Schnell dort immer wieder verschiedene junge Ärzte lernen, manche bleiben nur kurz und machen ein Praktikum, andere kehren immer wieder zurück oder machen gleich ihre Facharztausbildung bei der Medizinerin. Wenn Kürstein in den kommenden Monaten seine Facharztausbildung beendet hat, wird ein weiterer Kollege fertig. „Ich habe schon wieder genug Bewerbungen auf die Stellen“, sagt Schnell.

Damit bewegt sich die Medizinerin gegen den Trend. Schließlich wollen viele junge Ärzte nicht unbedingt im ländlichen Raum arbeiten. Bei Schnell gehen sie allerdings ein und aus. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass sie seit Jahren als Dozentin und stellvertretende Sektionsleiterin für Allgemeinmedizin an der Martin-Luther-Universität in Halle tätig ist. Gleichzeitig bemüht sie sich mit dem Modellprojekt „Klasse Allgemeinmedizin“, Studenten schon früh an den Beruf des Hausarztes heranzuführen und auch die Besonderheiten herauszustellen, die diese Fachrichtung mit sich bringt.

Im Saalekreis praktizieren aktuell rund 100 Hausärzte. Etwa ein Viertel der Bewohner des Saalekreises sind bereits älter als 65 Jahre. Laut der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen-Anhalt liegen die Krankmeldungen im Kreis über dem Bundesdurchschnitt. Dies gelte insbesondere für chronische Erkrankungen mit höherem diagnostischen und therapeutischen Aufwand. 34 Hausarztpraxen sind im Saalekreis unbesetzt. Im Alt-Saalkreis liegt der Versorgungsgrad bei 64,9 Prozent. Unbesetzt sind 17 Hausarztstellen. Damit gilt diese Region als unterversorgt. Im Bereich Merseburg-Querfurt liegt der Versorgungsgrad bei 81,1 Prozent. (sul)

Denn die meiste Zeit verbringt Schnell in ihrer Praxis mit den Patienten. „Ich muss den Blick für das Ganze haben, nicht nur für die Krankheit“, erklärt Schnell. Sie könne nicht einfach nur ein Symptom behandeln. Vielmehr müsse oft das soziale Umfeld der Patienten betrachtet werden. „Auch die Psyche kann bei der Suche nach der Ursache ein Faktor sein.“ Über die Jahre habe sie ihren Schülern beibringen wollen, was sie selbst für wichtig erachtet. „Wir müssen zu der Basis zurückkehren und auch Diagnosen stellen aufgrund dessen, was wir sehen, fühlen und hören.“ Es sei natürlich einfacher, in einer Klinik Laboruntersuchungen anzufordern. „Auf dem Land ist das aber immer mit einem Zeitaufwand für die Patienten verbunden und es ist ein Kostenfaktor.“

Einen guten Hausarzt macht aber nicht nur die Diagnostik aus, findet Schnell. Auch die sozialen Kompetenzen müssen etwas ausgeprägter sein. Schließlich trifft sie Patienten auch auf der Straße, im Supermarkt oder zu Festen. „Manchmal hilft das, die Menschen besser einzuschätzen“, sagt sie und schmunzelt.

25 Jahre ist es her, dass Schnell diese Praxis eröffnet hat. Sie glaubt, mit André Kürstein einen Nachfolger gefunden zu haben, der ihre Werte vertritt und die Ausbildung der jungen Ärzte weiterführen wird. Ganz aufhören will sie aber nicht. „Die Bürokratie gebe ich gern ab“, sagt sie. Dadurch bleibe ihr mehr Zeit für die Patienten, denn sie will Kürstein auch in den kommenden zwei Jahren noch unterstützen, allerdings als Angestellte. Noch dazu planen die beiden Ärzte eine Filialpraxis im ländlichen Raum und auch darauf freut sich Ute Schnell.

Unterdessen hofft sie, dass auch andere Hausärzte den Mut finden, junge Ärzte auszubilden. „Natürlich muss man Zeit investieren, aber man bekommt selbst auch mehr Zeit, um sich um Patienten zu kümmern.“ Und die angehenden Mediziner bringen einen frischen Wind mit. „Der Austausch hat mir immer Spaß gemacht. Da kommt auch keine Routine auf und man hinterfragt die eigene Arbeit.“ (mz)