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Große Koalition beschränkt Familiennachzug Große Koalition beschränkt Familiennachzug: Merkel kündigt nach Einigung auf Asylpaket II schnelle Umsetzung an

Von Karl Doemens 28.01.2016, 19:18

Berlin - Erst hat es einige Wochen gedauert bis zu einer Einigung, dann weitere drei Monate, weil man sich sofort wieder zerstritt. Zum Schluss saßen die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer dann noch einigen Stunden im Kanzleramt zusammen, bis es soweit war: Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD hat sich wegen der hohen Flüchtlingszahlen auf eine weitere Verschärfung des Asylrechts verständigt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel verkündete die Einigung am Donnerstagabend als erster. „Das Asylpaket II, das steht jetzt und kann sehr schnell ins Kabinett gehen“, erklärte er. Beim am meisten umstrittenen Punkt, dem Familiennachzug von sogenannten subsidiär schutzbedürftigen Flüchtlingen, hat sich die CSU durchgesetzt: Auch Syrer mit diesem Schutzstatus werden nun ihre Kinder und Partner nicht nach Deutschland nachholen können – wie bereits im November vereinbart wird das Recht für zwei Jahre ausgesetzt. Die SPD hatte Syrer lieber von dieser Regelung ausnehmen wollen oder wollte zumindest den Nachzugsstopp auf ein Jahr begrenzen. Etwa ein Fünftel der syrischen Flüchtlinge wird diese Regelung nach Gabriels Schätzung treffen. Beantragen können den Familiennachzug ohnehin nur ein Bruchteil der in den vergangenen Monaten nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge, nämlich die, deren Aufenthaltsstatus geklärt ist. Der Familiennachzug ist allerdings mit hoher Symbolkraft belegt – weil er Befürchtungen nahelegt, die Zahl der Flüchtlinge könne sich binnen kurzem vervielfachen.

Gabriel: Guter Kompromiss

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte nach der Einigung der Koalitionsspitzen auf das Asylpaket II eine zügige Umsetzung an. Der Weg sei nun frei, dass das Paket sehr schnell in die Gesetzgebung kommen könne, sagte Merkel. Mit Blick auf die Flüchtlingskrise hob die Kanzlerin hervor, „dass die Koalition, aber auch alle staatlichen Ebenen sehr handlungsfähig sind und auch handeln angesichts vieler Probleme“.

CSU-Chef Horst Seehofer erklärte zu der Einigung: „Ich bin hoch zufrieden.“ Die Verzögerung habe nicht die CSU zu vertreten, die sich zu jedem Zeitpunkt an die vor drei Monaten getroffene Vereinbarung gehalten habe. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte: „Der Beschluss trägt dazu bei, unser Ziel zu erreichen: die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber spürbar zu reduzieren.“

Trotz des Zugeständnisses an die CSU sprach SPD-Chef Sigmar Gabriel von einem guten Kompromiss. Denn bei den Flüchtlingskontingenten, die die EU aus der Türkei, aus Jordanien und dem Libanon aufnehmen werde, werde es Vorrang für Familiennachzug geben. Die Kontingente allerdings müssen erst ausgehandelt werden. Als Erfolg wertete es Gabriel außerdem, dass die Aussetzung des Familiennachzugs nach zwei Jahren automatisch ende – die CSU habe dafür ein eigenes Gesetzgebungsverfahren vorsehen wollen. Pro Asyl kritisierte den Beschluss als „Eingriff in das Grundrecht auf das Zusammenleben als Familie“.

Mit der Einigung kann nun das Kabinett kommende Woche das Asylpaket beschließen, zu dem auch die Einrichtung besonderer Aufnahmezentren für Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive gehört. Ihre Anträge sollen dort in Schnellverfahren behandelt werden. Außerdem sollen sich Flüchtlinge künftig mit zehn Euro pro Monat an den Kosten für ihre Sprachkurse beteiligen. Die Koalition einigte sich auch darauf, dass Flüchtlinge nach einer Ausbildung auf jeden Fall noch zwei Jahre im Land bleiben können – auch wenn ihr Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist. Dazu soll es allerdings ein eigenes Gesetz geben.

Einem weiteren Vorhaben der Koalition ist eine Blockade durch den Bundesrat sehr wohl möglich. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten, die erst im Herbst um Albanien, Montenegro und Kosovo erweitert worden war, soll noch um Marokko, Algerien und Tunesien ergänzt werden. Die Hoffnung ist, dass auch dadurch die Zahl der Flüchtlinge sinkt, da Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten quasi keine Chance auf Asyl haben.

Ob diese Erweiterung tatsächlich beschlossen wird, hängt daran, ob die Grünen sie im Bundesrat mittragen, wo SPD und Union keine Mehrheit haben. Der Blick geht da vor allem auf den grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, sowie auf die rot-grüne Landesregierung von Rheinland-Pfalz. Beide Länder stehen allerdings im Landtagswahlkampf, was den Grünen die Zustimmung nicht erleichtern dürfte. Kretschmann hielt sich sein Abstimmungsverhalten am Donnerstagabend offen.

Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel verhandelten die Länder am Abend über weitere Unterstützung des Bundes für die Integration von Flüchtlingen. Fünf bis sieben Milliarden Euro hatten die SPD-Länder dafür gefordert.

Schon vor dem Treffen versprühte Gabriel Zufriedenheit. Zerstrittenheit oder gar Handlungsunfähigkeit der Koalition? Ach was. „Auch wenn es keiner glaubt, aber die Stimmung ist gut“, sagte der SPD-Chef. Und sogar mit CSU-Chef Horst Seehofer sei es zwar auf die Entfernung manchmal schwierig, aber: „Die persönliche Zusammenarbeit ist nie anstrengend.“ (mit dpa)