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Casting in Aschersleben Casting in Aschersleben: Musikalische Botschafterinnen in den USA

Von Marianne Bothe 14.02.2016, 16:58
Kristina Richter, Sofiya Yenasins und Sarah Neumann (von links) fahren demnächst in die USA.
Kristina Richter, Sofiya Yenasins und Sarah Neumann (von links) fahren demnächst in die USA.  Fotos (2): Frank Gehrman Lizenz

Aschersleben - Was sie an ihrer Querflöte so liebe, kommt die obligatorische Frage aus der Jury. Die 15-jährige Kristina zögert nicht: „Vor allem die Vielfältigkeit, mit der man seine Emotionen musikalisch ausdrücken kann.“ Da waren sie, die maßgeblichen Stichworte für den Sonnabendvormittag: Musik, Können, Jury und Emotionen.

Musiker zwischen 13 und 17 gesucht

Der Verein Kultur pur erleben Aschersleben und der CDU-Landtagsabgeordnete Detlef Gürth hatten zu einem Casting eingeladen, bei dem junge Musiker im Alter von 13 bis 17 Jahren mit Talent gesucht wurden, die ein Instrument für ein Sinfonieorchester oder eine Jazz-Band spielen beziehungsweise in einem Chor singen.

Beatrix Lampadius öffnete dazu ihre Musikschule. Sie stellte auch mit ihrem Vereinskollegen Wolfgang Semsch, gleichsam Musiklehrer, die Jury. Sechs Teilnehmer hatten sich auf die Einladung gemeldet. „So habt ihr heute eine Fifty-fifty-Chance auf ein außergewöhnliches Erlebnis. Das finde ich eigentlich sehr schön“, sagte Lampadius. Denn erstmals konnten gleich drei Stipendien nach Michigan vergeben werden.

Doch vorher musste das Casting klären, wer diese am Ende als glücklicher Sieger in Händen halten darf. Mit zwei selbst gewählten Musikstücken und einem Blattvorspiel konnten die Bewerber ihre musikalische Reife beweisen. Das anschließende Gespräch sollte erkennen lassen, ob die charakterlichen und persönlichen Voraussetzungen für drei Wochen in der Fremde, ohne Eltern und vertraute Umgebung, die fachliche Komponente komplettieren.

Eröffnung mit Reinhard Mey

„Wenn ich in einem Chor mitsinge, fühle ich mich immer frei von allem und vergesse mal für einen Moment die Welt.“ So hatte Yannic Kalytta aus Frose seine schriftliche Bewerbung enden lassen. Der 16-jährige Schüler der Seelandschule Nachterstedt spielt Schlagzeug in der Schulband, verstärkt die Schalmeienkapelle Hoym und singt den Bass im Gemischten Chor Frose. Yannic eröffnet die Runde mit Reinhard Meys „Über den Wolken“.

„Ich bin eigentlich eher schüchtern, aber beim Spielen ist das kein Problem mehr.“ Das merken die Zuhörer der 14-jährigen Melissa Magdowski aus Aderstedt an. Sie hat ihre Violine und zuerst Vivaldi mitgebracht. Violine spielt Melissa seit sie fünf ist und erhält Ausbildung an der Bernburger Musikschule. Inzwischen führt sie selber eine Gruppe von Zehn - „Eulenspiegels Streiche(r)“ - an, musiziert zuweilen im Orchester mit der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie und möchte selber einmal Musiklehrerin werden, vielleicht in Kombination mit Englisch. Da wäre ein dreiwöchiger USA-Aufenthalt genau das Richtige.

Jugendlandesmeisterin tritt beim Casting an

Aber den erträumt sich auch Sofiya, die als nächste an der Reihe ist. Sofiya Yenasins Instrument ist seit 2010 die Trompete. Von Beginn an spielt sie in der Bigband Aschersleben, seit vier Jahren gehört sie dem Mädchenbrass-Quartett der Kreismusikschule an, mit dem sie im Vorjahr beim Landeswettbewerb Jugend musiziert den ersten Platz belegte.

Sarah Neumann spielt Posaune, ebenfalls wie ihre Freundin Sofiya in der Bigband und im Mädchenbrass-Quartett. Die beiden Kreismusikschülerinnen stehen unter den Fittichen von Lehrer Alexander Erpilev, der sie auch zum Casting begleitet. Vor zwei Jahren konnte sein Sohn Nikolai nach Michigan reisen und war begeistert. Noch heute hält er Kontakte über den großen Teich, erzählt Vater Erpilev. Aufmerksam verfolgt er die Vorspiele. Während seine Mimik sonst keine Regung offenbart, sich auch Lampadius eher bedeckt hält, nickt Juror Semsch zustimmend mit dem Kopf, als Sarah verrät, dass sie sich vor allem auch am Improvisieren versucht.

Disziplin zahlt sich aus

Beim Spiel der Querflöte und bei technisch besonders anspruchsvollen Passagen huscht sogar ab und an ein zustimmendes Lächeln über das Gesicht vom Juror, während im Anschluss Kristina Richter, Neuntklässlerin am Ascherslebener Stephaneum, ihr Bestes gibt. Damit liefert sie den Beweis, welche Emotionen das Flötenspiel transportieren kann. Kristina, die Dritte im Bunde der Fünfzehnjährigen aus der Kreismusikschule und Mitglied im Musikschul-Sinfonieorchester Sachsen-Anhalt, spielt Querflöte seit ihrem zehnten Lebensjahr, dazu Klavier, Tennis, hat auch Geige angefangen und nun Fitnessboxen. Auf die Frage, wie sie das alles schaffe, reagiert sie genauso sicher und selbstbewusst, wie sie eben noch vom Blatt aus der französischen Barockepoche vorgespielt hat. Sie sei eben „sehr strukturiert, ein offener und vielseitig interessierter Mensch“.

Lisa Blechschmidt hält es dagegen eher mit ACDC und Die Ärzte, mit Hardrock und Bassgitarre. Ihr musikalischer Weg führte die 17-Jährige aus Aschersleben autodidaktisch über Trommel, Akustik-Gitarre, Marschtrommel bei den Stadtpfeifern, schließlich E-Gitarre und Bass in der Schulband der Burgschule und am Samstag vor die Casting-Jury. Seit vergangenen Herbst verstärkt sie Schulband der Musikschule und schwört auf Bass, auch weil nur wenige Mädchen dieses Instrument wählen.

Schnelle Entscheidung

Nach ihrem, dem finalen Kurzauftritt entscheidet die Jury hinter verschlossener Tür: Das Votum für Kristina, Sarah und Sofiya fällt recht schnell. Sie werden in den Sommerferien als Botschafter für Aschersleben und Sachsen-Anhalt die Deutschen im internationalen Michigan-Camp vertreten. Der Aufenthalt ist mit den ausgereichten Stipendien abgedeckt. Auch bei den Flugkosten und beim nötigen Taschengeld bieten der Kulturverein und Gürth Unterstützung über Sponsoring an, sollte es da Schwierigkeiten geben.

Über eine besondere Überraschung kann sich auch Yannic freuen, der so gern singt, aber noch keinerlei stimmliche Ausbildung erfahren hat. Lampadius und Semsch verständigten sich, Yannic mit Hilfe ihres Vereins einen Gesang- und Gitarrenlehrer zur Seite zu stellen. „Wie viele junge Talente wir hier haben. Mich baut das auf“, zeigt sich am Ende auch Gürth zufrieden, „junge Leute mit Mut und Disziplin“. Denn, „du kannst auch Tiefen durchstehen und dich durch Disziplin behaupten, wenn du den direkten Zugang zur Musik hast“. (mz)