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Kreisverbandstag in Jessen Kreisverbandstag in Jessen: Harte Zeiten für Bauern

Von Sven Gückel 11.02.2016, 18:32
Die gegenwärtig diskutierte neue Düngeverordnung stellt die Landwirte zukünftig vor erhebliche Probleme.
Die gegenwärtig diskutierte neue Düngeverordnung stellt die Landwirte zukünftig vor erhebliche Probleme. Sven Gückel Lizenz

Jessen - „Die Landwirtschaft und ihre Märkte stehen zu Jahresbeginn in einem düsteren wirtschaftlichen Umfeld“, erklärte Hartmut Steiner gestern ohne Umschweife gleich zu Beginn seiner Rede auf dem Kreisbauerntag im Jessener Schützenhaus. Erlös- und Einkommenseinbrüche von durchschnittlich 35 Prozent seien Normalität. Gleichwohl geht Steiner davon aus, dass dies noch längst nicht das Ende der Misere sei. „2016 wird für uns eines der schwierigsten Jahre seit der Wiedervereinigung werden“, fügte er deshalb an. Zu kämpfen haben die Bauern mit vielen Faktoren. Im vergangenen Jahr war es unter anderem die extreme Trockenheit, die den sonst üblichen Ertrag um die Hälfte drosselte. Zudem litt die Qualität der pflanzlichen Produkte unter dem Wassermangel. Auch beim Viehfutter mussten die Bauern herbe Rückschläge einstecken. Von einer qualitativen Grünlandnutzung könne daher nicht gesprochen werden, eine Bevorratung sei unmöglich gewesen. Gegenwärtig, so Steiner, organisiere man deshalb gegenseitige Hilfe, um vereinzelte Futterengpässe in einigen Unternehmen zu beseitigen.

Viele Einflussfaktoren

Einmal mehr zeigt sich: Zu selten können Landwirte von sich behaupten, dass es ihnen wirtschaftlich gut geht. Das Wetter, einschneidende Gesetzesänderungen und letztlich auch die Haltung der Verbraucher stellen vor den Bauern regelmäßig neue Hürden auf. Einen kleinen Einblick in diese Dramatik vermittelte die gestrige Mitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes Wittenberg.

Milchpreis im Keller

Dass Hartmut Steiner als Vorsitzender des Verbandes in seinem Rechenschaftsbericht kein rosiges Bild von der Landwirtschaft aufzeichnen wird, war zu erwarten. Und dennoch fiel sein an die Mitglieder des Verbandes gerichtetes Wort unerwartet drastisch aus. Leid sind es die Bauern darüber hinaus, über den zu niedrigen Milchpreis zu diskutieren. Um eine schwarze Null zu produzieren, müssten die Milchwerke den Produzenten 35 Cent pro Liter zahlen. Gegenwärtig sind es aber nur 25 bis 27 Cent. „Unter dem Strich bedeutet das einen Verlust von 700 bis 800 Euro pro Kuh im Jahr“, verdeutlichte er. Für etliche Milchbauern ginge es deshalb in den kommenden Monaten um die Existenz ihres Betriebes. Dass hier auch die Politik nicht ganz unschuldig ist, fügte Steiner direkt an. „Wir fordern, das Russland-Embargo endlich aufzuheben. Hier wird ein politischer Konflikt auf dem Rücken der Bauern ausgetragen“, appellierte er auch mit Blick auf die im Saal anwesenden Landtagsabgeordneten von CDU und LINKE.

Die desaströse Lage bei den Schweinemästern habe 2015 im Landkreis bereits zu zwei Betriebsschließungen geführt. Bis Juni dieses Jahres werde laut Steiner eine dritte folgen. Parallel zur Preismisere mahnte er in diesem Bereich die behördlichen Kontrollen an. Diese legten die Tierschutzgesetze zur Nutztierhaltung immer wieder anders aus, so dass den Bauern regelmäßig neue Schwierigkeiten bereitet würden. Verärgert sind die Landwirte aber auch über Minister Hermann Onko Aeikens. Dessen Gesetzentwurf zum Agrarstrukturgesetz enthalte Regelungen, die den Landwirten den Verkauf oder die Verpachtung von Flächen sowie die Veräußerung von Geschäftsanteilen ihrer Betriebe künftig erheblich erschweren sollen.

Probleme beim Hochwasserschutz, im Besonderen bei der Inanspruchnahme ackerbaulicher Nutzfläche, die zu geringe Deckung der Kosten bei durch den Biber verursachten Flurschäden, die Schwierigkeiten seit Einführung des Mindestlohnes, aber auch die von der Bundesregierung abgelehnte Forderung der Bauern nach mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten standen im weiteren auf der Agenda von Steiners Rede.

Neue Düngeverordnung kommt

Dass die Probleme für die Landwirtschaft künftig nicht kleiner werden, verdeutliche später ein Vortrag von Ulrich von Wulffen von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt zur bevorstehenden Düngeverordnung. Diese sieht vor, die Ausbringung und Lagerung von Düngemitteln, künstlicher wie natürlicher, drastisch einzuschränken. Fortan müssen Bauern exakt Zahlen hinterlegen, wie viel Dünger sie auf einer Fläche ausbringen wollen. Dies allerdings lange vor dem beginnenden Einsatz, ohne Kenntnis des kommenden Wetters oder anderer negativer Einflüsse auf das Wachstum der Pflanzen. Im Landkreis Wittenberg, in dem die Landwirte 94 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in einem benachteiligten Gebiet bewirtschaften, dessen Bodenbonität unter 30 Punkten liegt, ist das eine zusätzliche Erschwernis auf dem Weg zu effizienter Betriebswirtschaft. Zudem sorgt auch die Art der Ausbringung für Unmut. So darf zum Schutz des Grundwassers künftig kein Dünger im Abstand von einem Meter zu Gräben und Gewässern nachgewiesen werden. Das in der Region vielfach praktizierte Ausbringen der Düngemittel mittels Flugzeug wird somit quasi unmöglich sein. „Das Problem dieses Gesetzes ist es, dass viele Akteure an ihm mitwirken. Umweltverbände, Politik, Landwirte, alle EU-Staaten mit jeweils unterschiedlichen Interessen - das macht es nicht einfacher“, verdeutlichte Wulffen die Problematik.

Es stehen also harte Zeiten für die Landwirtschaft an. „Ein Aufgeben kommt für uns aber nicht in Frage. Dass sind wir der Region, aber auch den Mitarbeitern unserer Betriebe schuldig“, gab sich Hartmut Steiner abschließend kämpferisch. (mz)

In einer früheren Version dieses Artikels, hieß es, dass Vertreter von CDU und SPD bei der Veranstaltung anwesend waren. Tatsächlich waren aber Landtagsmitglieder von CDU und LINKE anwesend. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. (mz/guc)