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Erfurter Firma Topf & Söhne Erfurter Firma Topf & Söhne: Techniker der Todesfabrik

Von Andreas Montag 27.01.2016, 06:29
Aschekapseln aus dem Konzentrationslager Buchenwald - geliefert von Topf & Söhne.
Aschekapseln aus dem Konzentrationslager Buchenwald - geliefert von Topf & Söhne. Martin Schutt/dpa Lizenz

Erfurt - „Stets gern für Sie beschäftigt...,“ - so zeichneten die Manager des Erfurter Familienunternehmens Topf & Söhne ihre Post. Auch an die Herren der SS. Denen hatten sie sich als zuverlässige und grausam innovative Geschäftspartner erwiesen bei der Konstruktion, Lieferung sowie beim Einbau der Verbrennungsöfen für die Krematorien im Vernichtungslager Auschwitz und in anderen NS-Konzentrationslagern.

Lange Zeit war die Geschichte der Firma so gut wie in Vergessenheit geraten, auch in der DDR wollte kaum jemand daran rühren. Vor fünf Jahren aber ist es einer Initiative von Bürgern gelungen, im ehemaligen Verwaltungsgebäude, das als Ruine in einem Gewerbegebiet am Sorbenweg im Erfurter Osten lag, einen Gedenkort und eine Forschungsstätte einzurichten, die das Geschehen zurückholt, wohin es gehört: in die kollektive Erinnerung. Das ging nicht widerstandslos vonstatten, zumal in Erfurt selbst gab es erhebliche Bedenken, ob man dieses dunkle Kapitel nun, nach so langer Zeit, ins Licht rücken sollte. Aber die Befürworter fanden politische Mehrheiten und setzten sich durch.

Vorbildliche Recherchen

Was der kleinen Mannschaft um die 1959 in Neckarsulm geborene Historikerin Annegret Schüle seitdem gelungen ist, kann man nicht anders als vorbildlich bezeichnen - sowohl, was die Ausstellungstätigkeit und museumspädagogische Arbeit als auch die wissenschaftlichen Recherchen betrifft.

Die 1878 als feuerungstechnisches Baugeschäft in Erfurt gegründete Firma J. A. Topf & Söhne etablierte sich elf Jahre später als Spezialgeschäft für Heizungsanlagen, Brauerei- und Mälzereieinrichtungen auf einem Firmengelände am Rande Erfurts. 1914 hatte der Betrieb bereits mehr als 500 Mitarbeiter. In einer Abteilung wurde der Bau von Einäscherungsöfen für städtische Krematorien begonnen, wenig später stieg Topf & Söhne zum Marktführer in dieser Branche auf.

Expertise genug, um für die Nazis interessant zu werden: Mit der sogenannten Endlösung der Judenfrage, dem planvollen Mord an den Juden Europas, der 1942 in einer Villa am Berliner Wannsee organisiert worden war, galt es technologische Lösungen zu finden, um der Leichen der Opfer Herr zu werden.

Bereits 1939 hatten Ludwig und Ernst Wolfgang Topf, Geschäftsführer wie Firmeninhaber und beide Mitglieder der NSdAP, damit begonnen, die SS mit speziell für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern. Konstruiert werden sie von dem Ingenieur Kurt Prüfer.

1942, in Kenntnis des begonnenen Massenmordes in Auschwitz, reicht die Firma auf Initiative des Ingenieurs Fritz Sander einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb“ ein. Im Jahr darauf werden die Kreamtorien von Auschwitz mit Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik aus Erfurt zu „Todesfabriken“ ausgerüstet. Und noch 1945, den sicheren Untergang des NS-Staates vor Augen, arbeitete man bei Topf & Söhne an Plänen, die demontierten Verbrennungsanlagen von Auschwitz in ein neues Vernichtungslager in der Nähe des KZ Mauthausen in Österreich umzusetzen.

Was auch zur Geschichte gehört: Unmittelbar nach der Befreiung Erfurts durch die US-Armee am 12. April 1945 unterstützte der mit Kommunisten und Sozialdemokraten besetzte Betriebsrat von Topf & Söhne die Position der Geschäftsführung, es habe sich bei den Deals mit der SS um eine normale Geschäftsbeziehung gehandelt.

Bei dieser unwahren Behauptung blieb Ernst Wolfgang Topf, der in den Westen flüchtete, sein Leben lang. Sein Bruder Ludwig hatte sich am 31. Mai 1945 aus Angst vor Strafverfolgung durch die Amerikaner umgebracht. Kurt Prüfer und andere Führungskräfte wurden später von der sowjetischen Justiz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu langjährigen Lagerstrafen verurteilt. Das alles liegt nun offen. Was die jüngeren Forschungen insbesondere von Annegret Schüle aber besonders auszeichnet, ist die Gründlichkeit, mit der alle Facetten der Geschichte dieser schrecklichen Firma beleuchtet werden - um historische Gerechtigkeit herzustellen.

Kommunisten beschäftigt

So finden sich denn tatsächlich Belege dafür, dass die Gebrüder Topf während der NS-Zeit Kommunisten, aktive Widerständler und ehemalige KZ-Häftlinge sowie sogenannte Halbjuden in ihrer Firma beschäftigten und sowohl vor Einberufung als auch vor Verfolgung durch den Geheimdienst Gestapo zu schützen versuchten - oftmals erfolgreich offenbar.

Einer derer, die davon profitierten, war der Buchhalter Willy Wiemokli, Sohn eines polnischstämmigen, zum Protestantismus übergetretenen Juden aus Halle, der mit seiner evangelischen Frau nach Erfurt übersiedelt war. Wiemokli selbst war zeitweilig in Buchenwald inhaftiert, sein Vater wurde in Auschwitz ermordet - dort, wohin die Firma, die seinen Sohn beschäftigte, die Verbrennungsanlagen lieferte. Und Anfang der 50er Jahre, als die Judenverfolgung im stalinistisch beherrschten Ostblock ihren Höhepunkt erreichte, wurde Wiemokli, inzwischen SED-Mitglied, in der DDR als angeblicher Saboteur verhaftet und verlor vorübergehend seine Anerkennung als Verfolgter des NS-Regimes. Geschichte ist spannender als Fernsehkrimis. Auch unbequemer. Und sie ist ein Teil von uns. Das kann man bei Topf & Söhne lernen. (mz)

Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7, Erfurt, Di-So 10-18 Uhr
Das Haus im Internet: www.topfundsoehne.de