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Biodiesel-Betrug in Sachsen-Anhalt Biodiesel-Betrug in Sachsen-Anhalt: Einem internationalen Netzwerk von Dieselpanschern auf der Spur

Von Ralf Böhme 28.01.2016, 18:37

Magdeburg - Der Betrug mit Biodiesel in Sachsen-Anhalt weitet sich aus. Erneut sind Ermittler einem groß angelegten, internationalen  Netzwerk von Dieselpanschern auf die Spur gekommen. Zollfahnder haben dazu zwei Tage lang eine Firma in Burg (Jerichower Land) durchsucht. Zwei Verdächtige sitzen wegen dringenden Tatverdachtes und wegen Fluchtgefahr seither in Untersuchungshaft, ermittelt wird gegen insgesamt elf Beschuldigte. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Magdeburg der MZ.

Der Schlag steht, wie es hieß, in einem engem Zusammenhang mit dem landesweit größten Steuerbetrugsverfahren der vergangenen 20 Jahre, das gegenwärtig vor dem Landgericht Magdeburg verhandelt wird. Auch dabei geht es um Dieselpanscherei. Sechs mutmaßliche Wirtschaftskriminelle aus Polen sollen 2010 und 2011 einen Schaden von sieben Millionen Euro angerichtet haben und müssen sich nun  verantworten. Ihnen drohen unter Umständen  mehrjährige Haftstrafen.

Täter kopieren Vorgänger

Im  neuen Dieselpanscher-Fall sind die Täter wahrscheinlich noch dreister als ihre Vorgänger gewesen. Sie haben Oberstaatsanwalt Frank Baumgarten zufolge möglicherweise nicht nur das Geschäftsmodell der angeklagten Polen kopiert. Auch deren ehemaliges Firmengelände unweit der A2, die gleichen Tankanlagen, zumindest ähnliche Vertriebswege, um Treibstoffe falsch als Biodiesel zu deklarieren und so Steuervorteile zu kassieren, wurden  offenbar genutzt. Lieferbeziehungen führen unter anderem nach Polen, Litauen und in die Slowakei.

Um die Machenschaften zu tarnen, ist  extra eine neue Firma entstanden.  Der Eintrag des Unternehmens ins Handelsregister des zuständigen Amtsgericht stammt aus dem März 2012. Daraus geht hervor, dass sich der Betrieb mit dem Handel von Mineralölen und Mineralölprodukten befassen will. Das Stammkapital der Gesellschaft mit beschränkter Haftung:  25.000 Euro.  Als Geschäftsführer fungiert zu Beginn ein Mann mit türkischen Wurzeln aus Berlin. Später erfolgt ein Austausch. Sein Nachfolger stammt nach Informationen der Zeitung aus dem gleichen Clan.  Jetzt ruht  der Geschäftsbetrieb. Der Zahlungsverkehr ist eingestellt. Es gibt eine Reihe von Gläubigern.

Sicherstellung von Material bei Großuntersuchung

Weitere Einzelheiten, vor allem über die Hintermänner im Ausland,  erhoffen sich die Ermittler von der Auswertung des Beweismaterials. Sichergestellt wurde es in großen Mengen unter anderen während einer Durchsuchung des Betriebes am 5. und 6. Januar. Auch mehrere Wohnungen von Beschuldigten sollen die Fahnder aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in diesem Zeitraum unter die Lupe genommen haben. Der Ertrag: mehr als 30 Kisten mit Unterlagen. Die werden nun akribisch ausgewertet.

Nun sollen die Untersuchungen so schnell wie möglich zu Ende gebracht werden. Oberstaatsanwalt Baumgarten: „Wir konzentrieren die verfügbaren Kräfte.“ Es werde zwar Monate, aber keine Jahre dauern, bis über eine Anklage in diesem Fall entschieden werden könne. Der Kreis der Personen, gegen die ermittelt werde, sei jedoch mit elf Beschuldigten ungewöhnlich groß.  Weitere könnten noch hinzukommen.

Nach den bereits vorliegenden Hinweisen, heißt es in Ermittlerkreisen, sollen die Verdächtigen  jeweils fünfstellige Summen  dem Fiskus vorenthalten haben.  Die Insider rechnen allerdings  damit, dass der ergaunerten Steuervorteile letztlich sogar noch deutlich höher  ausfallen können.

In ähnlichen Fällen sei es  oft gelungen, am Ende den doppelten oder dreifachen Schadensumfang nachzuweisen. Lege  man diese Erfahrungen zugrunde, dürfte  der neue Dieselpanscher-Fall  alle bisherigen Fälle dieser Art  in Sachsen-Anhalt übertreffen.  Dann müsse man  von einem zweistelligen Millionenbetrag als Schadenssumme ausgehen. (mz)