1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Nach Vorfällen mit Flüchtlingen: Nach Vorfällen mit Flüchtlingen: Präventive Maßnahmen sorgen für Schutz in halleschen Bädern

Nach Vorfällen mit Flüchtlingen Nach Vorfällen mit Flüchtlingen: Präventive Maßnahmen sorgen für Schutz in halleschen Bädern

Von Jessica Quick 24.01.2016, 18:56

Halle (Saale) - Angst? Sie sei kein guter Ratgeber, heißt es. Und dennoch: Nach den Geschehnissen in Leipzig, Bornheim bei Bonn oder auch Zwickau, wo männliche Flüchtlinge gezielt Frauenduschen betreten haben oder handgreiflich gegenüber weiblichen Badegästen geworden sind, macht man sich als Frau natürlich Gedanken. Was ändert sich durch die Vorfälle? Kann Frau überhaupt noch alleine ins Schwimmbad gehen? Ein Test.

Badeordung in verschiedenen Sprachen

Schwimmhalle Neustadt, Samstag 11.45 Uhr. „Wir können Ihnen nicht helfen! Aber wir können die Polizei holen, falls Sie jemand anfasst“, erklärt die Dame der Bäder Halle GmbH am Einlass. Die Frage hatte die Frau wohl nicht ganz ernst genommen. Immerhin fügt sie beruhigend hinzu: „Wir haben drei Bademeister in der Halle, die können Sie retten, falls Sie ertrinken.“ An der Glasscheibe neben dem Drehkreuz zum Einlass hängt - wie von der Stadt kürzlich angekündigt - die Badeordnung in verschiedenen Sprachen: „Ihre Sicherheit im Schwimmbad“ darunter elf Punkte über Rücksichtnahme, nasse Fußböden oder gründlicher Körperreinigung. Vier Din-A-4-Blätter in Englisch, Französisch, Deutsch und Arabisch. Elf Punkte, in denen allerdings fehlt, dass Männer Damenduschen nicht betreten dürfen, weibliches Personal respektieren oder nicht in Unterwäsche baden sollen. Punkte, die für uns als selbstverständlich gelten, anderen Kulturen aber anscheinend erläutert werden sollten. Und die in Kürze von der Stadt auch noch mit Hilfe von Handzetteln und Piktogrammen erklärt werden sollen.

Männer im Adamskostüm

Aus einer der Umkleidekabinen hüpfen zwei kleine Kinder, den Papa im Schlepptau. Ansonsten ist es ruhig in dem Labyrinth aus Spinds und rot-beigen Türen. Ab und an hört man die Dusche aus und wieder angehen. Die für die Frauen ist am hinteren Ende und gut ausgeschildert. Allerdings: Sie führt an der Männerdusche vorbei. „Hui“ - glücklicherweise sehen es die drei Hallenser, die sich gerade ungewollt beim Rausgehen im Adamskostüm „präsentieren“, nicht so eng. Auf die weibliche Entschuldigung folgt Gelächter.

Keine besonderen Vorkommnisse

Keine besonderen Vorkommnisse, auch nicht in der Damendusche. Ein junges Mädchen im schwarzen Badeanzug geht sich abtrocknen. Gegenüber kichern zwei Teenies im Bikini. Ihre Mutter schaut aus einem abgetrennten Bereich kurz zu ihren Mädels rüber. Während hier und heute nichts passiert, ist in halleschen Internet-Foren anderes zu lesen; „Ich war Zeuge eines männlichen Migranten mit zwei Kindern in der Damendusche. Er war mit einer Badehose angezogen und wollte wahrscheinlich nur seine Kinder betreuen. Die Mädchen waren altersmäßig in der Lage die Dusche selbständig zu nutzen“, heißt es unter einem Text zu den von der Bäder Halle GmbH geplanten Präventionsmaßnahmen. Hinweisschilder seien notwendig. Hier fehlen sie - noch. Stattdessen wird am Duschein- und -ausgang darauf hingewiesen, dass Rasieren verboten ist - auf Deutsch.

Keine Mehrsprachigkeit in der Schwimmhalle

Auch in der Schwimmhalle ist von Mehrsprachigkeit nichts mehr zu lesen. „Nicht vom Beckenrand springen“ steht ausschließlich in deutscher Sprache geschrieben, genau wie der Hinweis auf die nächsten Seepferdchenkurse. 29,5 Grad leuchtet in digitaler Zahl über der Kabine der Rettungsschwimmer. Zwei Männer, eine Frau - alle drei in blauen Bäder-Halle-T-Shirt gekleidet - sind heute für die Sicherheit zuständig. Ihr Blick schweift über das 50 Meter lange Becken, in dem vier Bahnen abgetrennt sind. Es ist nicht viel los in dem 1997 komplett saniertem Bad. Zwei Rentnerinnen ziehen gleichmäßig ihre Bahnen. Die Mutter der beiden Mädels versucht es auch, wird aber von ihren Kindern abgelenkt. Sie laufen mit ihrem wasserdichtem Handy um das Becken, machen Selfies von sich. Gerade wollen sie ihre Mutter fotografieren, als die Bademeisterin aus ihrer Kabine kommt. Fotografieren sei hier verboten, meint sie. Ok, nur das eine, aber dann ist das Handy wieder verschwunden.

Abgemacht, die Mädels kichern. Ein Mann aus Eisleben krault auf Bahn acht. Er sei das erste Mal hier und vollends begeistert: Nicht zu voll, nicht zu warm - perfekt für sein Zwei-Kilometer-Programm. Eisleben, Wittenberg - er sei viel in Schwimmbädern unterwegs, von Übergriffen habe er aber noch nichts gehört. Auch die Bademeister schütteln den Kopf. „Nein, hier ist noch nie etwas passiert!“ Sie schmunzeln bei der Frage zu den angekündigten Deeskalationskurse. „Ja, die sind geplant - zur Prävention - falls mal etwas passiert quasi.“ Manchmal seien auch Flüchtlinge im Bad, selten. Heute nicht.

Ungewollte Blicke in der Saline

Drei junge Männer, sie sprechen gebrochen Deutsch, entspannen sich unterdessen gemeinsam mit einem älteren Ehepaar im warmen Whirlpool der Schwimmhalle. Jetzt hüpft auch noch das dreijährige Enkelkind dazu. Es ist eng, aber niemand stört sich an der Situation. Das Wasser sprudelt, es dampft. „Morgen Fußball?“, fragt der eine. Die Antwort geht im Wassersprudel verloren. Anscheinend hat sich der andere ein Tabellenbuch besorgt. „Wir wetten um einen Kasten Bier, ok?“

Im Kinderbecken daneben springen die drei großen silbernen Nackenduschen an. Fröhliches Gekreische. Die zwei Flöhe, die eben noch mit ihrem Papa den roten Ball hin und her geworfen haben, stürzen sich unter den Wasserstrahl. Jetzt dreht sich auch einer der Bademeister nach hinten zum Kinderbecken um, das im Rücken der Rettungsschwimmerkabine liegt. Eltern werden hier auf mehreren Schildern - auf Deutsch - darauf hingewiesen, dass sie ihre Kinder, selbst wenn Bademeister anwesend sind, beaufsichtigen sollen.

Seit Herbst vergangenen Jahres bereiten sich die Bäder Halle präventiv auf die Flüchtlingsproblematik vor. Einiges ist schon passiert, vieles steht noch bevor und ist konkret geplant. Etwa der Umbau der Frauenduschen in der Saline, in der ein Blick - auch wenn ungewollt - noch möglich ist. Angst muss Frau allerdings auch ohne die Maßnahmen nicht haben. Auffälligkeiten oder sexuelle Übergriffe habe es bisher nicht gegeben. (mz)